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Warum Gamer gerne im Gestern leben
Die langersehnte Neuauflage des 20 Jahre alten Rollenspiels „Final Fantasy VII“ist nur eine der Retro-Attraktionen auf der Gamescom.
Computerspieler weltweit hielten den Atem an, als Adam Boyes am 15. Juni 2015 die Bühne des Convention Centers in Los Angeles betrat. Der damalige Vizepräsident des Branchengiganten Sony kündigte an, worauf Millionen Fans lange gewartet hatten: die Neuauflage von „Final Fantasy VII“. Über 20 Jahre war es her, dass der japanische Spielehersteller Square (heute Square Enix) das Konsolenrollenspiel veröffentlich hatte. Seitdem wurden weltweit über zwei Millionen Exemplare verkauft und die Geschichte um Söldner Cloud Strife, Blumenmädchen Aerith und den skrupellosen Shinra-Konzern erlangte Kultstatus. Bis heute feiern Fans und Kritiker den siebten Teil der „Final Fantasy“-Reihe als bestes Rollenspiel aller Zeiten.
Doch woran liegt es, dass ein Spiel 20 Jahre nach der ersten Veröffentlichung noch immer eine solche Faszination auf uns ausübt? Ein Blick auf die aktuellen Verkaufszahlen in
Europa liefert einen Hinweis. So gehört die neusteVersion des Nintendo-Klassikers„Super Mario Bros“für die Switch-Konsole zu den Erfolgstiteln des ersten Halbjahres. Damit hat in Zeiten von 3D und Virtual Reality ein Spiel die Nase vorn, das mehr als drei Jahrzehnte alt ist.
Bereits seit Jahren zeichnet sich in der Spielebranche ein Trend hin zu Wiederauflagen erfolgreicher Spiele ab. Besonders populär sind dabei die Klassiker der 90er-Jahre. In die Jahre gekommene Titel wie„Secret of Mana“(SNES), „Crash Bandicoot“(PS1) oder „The Legend of Zelda: Link’s Awakening“(Game Boy) werden überarbeitet oder von Grund auf neu aufgelegt und erobern ein weiteres Mal die Wohnzimmer.
Auch die alten Spielekonsolen, die heute für mehrere Hundert Euro gehandelt werden, erleben eine Renaissance. Als Nintendo im Jahr 2017 eine Neuauflage des klassischen Super Nintendo veröffentlichte, war die Minikonsole schnell ausverkauft. Wer mit den alten Nintendo-Spielen aufgewachsen war, fühlte sich beim Spielen der 21 vorinstallierten Titel in seine Kindheit zurückversetzt. Und manch einer hatte schon beim Auspacken der kleinen Konsole das wohlige Gefühl, einen alten Freund zu treffen. Mittlerweile haben auch Sony und Sega Miniversionen ihrer populärsten Konsolen auf den Markt gebracht oder angekündigt. Und auch der Urvater aller Spielecomputer, der Commodore C64, wird im Dezember neu aufgelegt.
Es ist in erster Linie Nostalgie, mit der sich der Retro-Trend erklären lässt. Die Spielebranche im Jahr 2019 wird vor allem von Diskussionen um die Politik der Gewinnmaximierung der großen Unternehmen geprägt. Die Klassiker aber erinnern an eine Zeit ohne monatliche Abonnements und zusätzliche Verkäufe von weiteren Spiele-Inhalten.
Aber nicht nur Spieleveteranen fühlen sich vom Retro-Trend angezogen. Trotz stetiger Konkurrenz durch Dauerbrenner wie die Fußballsimulation „Fifa“und dem Milliardenerfolg des Online-Spiels „Fortnite“kommen die „Games von früher“auch bei jüngeren Spielern gut an. Ihre Einsteiger- und Familienfreundlichkeit bringt Generationen vor dem Fernseher zusammen und ist ein weiterer Grund dafür, dass der Retro-Boom nicht abnimmt.
Mittlerweile hat er die virtuelle Welt längst verlassen und ist auch in Mode und Popkultur angekommen. Handyhüllen im Look der alten Konsolen erfreuen sich bereits seit Jahren großer Beliebtheit und Magazine wie „Retro Gamer“befassen sich mit den klassischen Geräten und Spielen. In Deutschland und der Schweiz mieten Fans für das beliebte Rennspiel „Mario Kart“sogar ganze Kinosäle an und kämpfen dort um Pokale – natürlich im Look der alten Klassiker.