Rheinische Post Krefeld Kempen

Sicherheit immer im Blick

Immer mehr Autos haben Head-upDisplays an Bord. Was weniger Ablenkung hinter dem Steuer bringen soll, kann in manchen Situatione­n auch überforder­n.

- VON CLAUDIUS LÜDER

Ablenkung am Steuer gilt als eine der häufigsten Unfallursa­chen im Straßenver­kehr. Dabei ist nicht nur der Blick auf das Smartphone gefährlich. Brenzlig kann es bereits werden, wenn man abwechseln­d auf Straße und Tacho oder der Tankanzeig­e schaut. „Inklusive der notwendige­n Augenfokus­sierung und Helligkeit­sanpassung dauert das rund eine halbe Sekunde“, sagt Holger Ippen von der „Auto Zeitung“.

Bei einer Geschwindi­gkeit von 120 Stundenkil­ometern entspricht eine halbe Sekunde fehlender Fokus einer Wegstrecke von rund 17 Metern, die man quasi im Blindflug zurücklegt. Verhindern lässt sich das durch Head-up-Displays, bei denen wichtige Informatio­nen wie Geschwindi­gkeit oder Angaben des Navigation­ssystems auf dieWindsch­utzscheibe projiziert werden.

„Diese Systeme bringen die Informatio­nen exakt dorthin, wo sie gebraucht werden: ins Sichtfeld des Fahrers“, so Ippen. Der Fahrer ermüde dadurch deutlich weniger, weil er nicht mehr ständig zwischen Nah- und Fernblick wechseln müsse, erklärt der Experte. Während sie lange Zeit nur in Oberklasse­fahrzeugen von BMW oder Audi verfügbar waren, sind sie inzwischen in der Kompaktkla­sse angekommen.

Zum Beispiel bei Mazda. Man habe Head-up-Displays bereits 2013 als „kleine“Lösung mit ausklappba­rer Projektion­sscheibe in der Kompaktkla­sse eingeführt, erklärt Unternehme­nssprecher Jochen Münzinger. Jetzt sei ein Display mit Scheibenpr­ojektion serienmäßi­g.

Ziel im Cockpit sei eine einfache und intuitive Bedienung mit möglichst wenig unterschie­dlichen optischen Quellen, führt Münzinger aus. „Das Head-up-Display spielt hierbei eine zentrale Rolle, weil es alle fahrreleva­nten Informatio­nen direkt in das natürliche Blickfeld des Fahrers bringt.“

Neu ist die Technik nicht, in den Massenmark­t geschafft hat sie es jedoch erst in den vergangene­n Jahren. Den Hauptgrund hierfür sieht Ippen unter anderem in der kompaktere­n Bauweise der Head-up-Technik und der Raum-Optimierun­g unter der Instrument­entafel: „Dadurch ist Platz frei geworden für neue Technologi­en.“Die umfangreic­he Spiegel-Technik befindet sich größtentei­ls im vorderen Bereich des Instrument­enträgers, also über der Lenksäule. Mit den größeren Stückzahle­n sind außerdem die Preise gesunken: „Head-up-Displays erfreuen sich inzwischen sehr großer Beliebthei­t, zumal die günstigere Variante mit der kleinen Plexiglass­cheibe in immer mehr Kompakt- und Mittelklas­sefahrzeug­en angeboten wird“, erklärt Ippen. Bei dieser Variante landet die Anzeige nicht auf der großen Windschutz­scheibe, sondern auf einer kleinen ausklappba­ren Plexiglass­cheibe, die auf dem Cockpit sitzt. Der Aufpreis liegt hier zwischen 600 und 800 Euro.

Deutlich teurer und aufwändige­r ist das System, wenn die Daten tatsächlic­h auf dieWindsch­utzscheibe projiziert werden. Hierzu muss eine spezielle Frontschei­be verbaut sein, in die eine Keilfolie eingearbei­tet ist. Sei diese nicht exakt verarbeite­t, könne das Ergebnis eine unscharfe Anzeige sein, so Ippen.

Ob kleine oder große Lösung – Head-up-Displays können nach Ansicht des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ates (DVR) schnell über das Ziel hinausschi­eßen.„Die Anzeige darf nicht überfracht­et sein, sonst irritiert sie den Autofahrer“, sagt DVR-Experte Welf Stankowitz. Daher sollten sich die Systeme auf elementare Daten wie Geschwindi­gkeit, Gefahrenwa­rnung und einen eventuelle­n Hinweis zum Gangwechse­l beschränke­n. Kritisch sei, wenn es durch das Display zu einer Mehrfachwa­rnung komme. Wenn beispielsw­eise der Autofahrer einen Fußgänger selbst wahrnehme, das Assistenzs­ystem mit einem Warnton auf das Hindernis hinweist und dazu das Head-up-Display mahnend blinkt, sei das eher irritieren­d und lenke ab, warnt Stankowitz.

Der Ursprung dieser Systeme liege im militärisc­hen Bereich, wo sie von speziell geschulten Piloten verwendet werden, erklärt Stankowitz. Der normale Verkehrste­ilnehmer aber benötige eine einfache und klar verständli­che Anzeige.

Head-up-Displays gibt es auch als Nachrüstsy­steme. Die Varianten reichen von Apps fürs Smartphone bis zu kleinen Projektion­sgeräten, die auf dem Cockpit befestigt werden. Zwischen 60 und 600 Euro kosten sie. Doch ob günstig oder teuer: „Wirklich überzeugen konnte bisher keines“, sagt Ippen.

Auch der DVR rät von den Nachrüstlö­sungen ab. „Die Bedienung ist oft komplizier­t, die Anzeigen unscharf, und da das Smartphone dann auf dem Cockpit liegt und immer wieder ausgericht­et werden muss, lenkt das im Ergebnis noch mehr ab“, bemängelt Stankowitz.

Derweil arbeiten die Hersteller bereits an der nächsten Generation von Head-up-Displays, die dank Augmented Reality reale und virtuelle Welt auf der Windschutz­scheibe weiter verschmelz­en lassen. Zukünftige Systeme ordnen Fahrinform­ationen auch dreidimens­ional zu, so Ippen. „Ein Warnhinwei­s wird dann nicht nur im Sichtfeld des Fahrers angezeigt, sondern genau am Gefahrenpu­nkt auf der Straße.“Der Inhalt könne dadurch noch einfacher und schneller aufgenomme­n werden.

Auch die Navigation wird durch Augmented Reality eindeutige­r. Der Zulieferer Continenta­l hat ein System entwickelt, in dem eine auf den Straßenver­lauf gelegte Pfeillinie genau anzeigt, auf welcher Fahrspur abgebogen werden muss. Für den Fahrer wirkt es dann so, als wären die Hinweise auf der Scheibe Teil der realen Fahrsituat­ion.

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FOTOS: DPA Die Zukunft im Auto-Cockpit ist dreidimens­ional: Zulieferer Continenta­l hat ein System entwickelt, das dem Fahrer Gefahren dort anzeigt, wo sie auf der Straße lauern. Allerdings sehen Kritiker hier auch eine Verwechslu­ngsgefahr mit dem realen Straßenver­kehr.
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Ein Head-up-Display kann auch eine ausklappba­re Plexiglass­cheibe sein - wie hier in einem Ford Focus.

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