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Wenn Syrer nach Syrien reisen

Dürfen Flüchtling­e in ihre Heimat fliegen? Innenminis­ter Seehofer steht in der Kritik.

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BERLIN (her) Syrien, so viel steht fest, ist aus guten Gründen kein Touristenm­agnet. Seit Ausbruch des Bürgerkrie­gs 2011 sind nach Schätzunge­n mehr als 500.000 Menschen getötet worden; 5,7 Millionen sind geflohen. Das Auswärtige Amt schreibt: „Alle Deutschen, die das Land noch nicht verlassen haben, werden zur Ausreise aus Syrien aufgeforde­rt.“

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hat der „Bild am Sonntag“gleichwohl gesagt: „Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden.“Ihnen solle der Flüchtling­sstatus entzogen werden. Was meint er damit?

Zahlen, wie viele Syrer nach Syrien reisen, gibt es nicht. Ein Sprecher der Bundespoli­zei sagt: „Die Bundespoli­zei stellt regelmäßig Ausländer, unter anderem auch Syrer, fest, die während oder nach Abschluss des Asylverfah­rens in den Herkunftss­taat reisen.“Das Innenminis­terium teilt mit: „Statistike­n zu anerkannte­n Schutzsuch­enden, die in ihrem Heimatland Urlaub machen, liegen uns nicht vor.“Seehofer habe auf die Rechtslage hingewiese­n. Die sieht so aus: Reist ein Flüchtling zu touristisc­hen Zwecken nach Syrien, kann ihm sein Status entzogen werden. Eine kurze Reise zu einer Beerdigung oder zu kranken Angehörige­n ist aber zulässig. Eine Reise in die Heimat könne ein Indiz sein, „dass bei dem Flüchtling keine Furcht vor Verfolgung vorliegt“, sagte das Bundesamt für Migration (Bamf ) auf Anfrage. Die Behörde prüfe jeden Einzelfall.

Das Bamf hat im vergangene­n Jahr 127.998 derartige Verfahren gegen syrische Schutzsuch­ende eingeleite­t – aus den unterschie­dlichsten Gründen, die statistisc­h nicht erfasst werden, Rückreisen nach Syrien können aber auch darunter sein. In 352 Fällen hat das Bamf den Status tatsächlic­h aberkannt.

Die innenpolit­ische Sprecherin der Grünenfrak­tion, Irene Mihalic, kritisiert­e Seehofer für seine Aussage. „Der Bundesinne­nminister muss endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass es nicht seine Aufgabe ist, Fälle zu konstruier­en, bei denen er zeigen kann: Hier schieben wir ab“, sagte sie. Seehofer solle lieber die Grundlagen für gelingende Integratio­n schaffen. Auch die Diakonie kritisiert­e Seehofer. „Insgesamt dürfte sich das Phänomen in engen Grenzen halten, da den Flüchtling­en bewusst ist, dass sie ihren Schutzstat­us dadurch verlieren“, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpoli­tik der Diakonie.

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