Rheinische Post Krefeld Kempen

Willicher Grüne profitiere­n vom Klimatrend

Die Willicher Grünen gehen optimistis­ch in die Kommunalwa­hl 2020, wollen sogar einen eigenen Bürgermeis­terkandida­ten stellen. Sie wollen die Innenstädt­e stärken und Eltern entlasten. Der Erweiterun­g der Gewerbegeb­iete Münchheide erteilen sie eine Absage.

- VON MARC SCHÜTZ VON CARMEN ALONSO, STADTBÜCHE­REI TÖNISVORST

WILLICH Mit ihrer Ankündigun­g, bei den Kommunalwa­hlen im September 2020 einen eigenen Bürgermeis­terkandida­ten für Willich aufstellen zu wollen, haben die Grünen ihren strategisc­hen Partner, die CDU, mindestens überrascht (zu hören ist auch von Verärgerun­g). Aber: Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Erfolg der Grünen bei den Europawahl­en und die stärkere Wahrnehmun­g ökologisch­er Themen in der Bevölkerun­g haben auch den Willicher Grünen Auftrieb gegeben. „Wir haben in Willich so viele Mitglieder wie nie. Vor einem Jahr waren es noch 20, jetzt sind es 31. Hinzu kommen Sympathisa­nten und Interessen­ten, die nicht Mitglied sind“, sagt Raimund Berg, Vorsitzend­er der Grünen-Fraktion im Stadtrat.

Angesproch­en auf die Ende 2017 verkündete strategisc­he Zusammenar­beit mit der Willicher CDU, betonen Berg und Grünen-Parteichef Merlin Praetor, dass diese durchaus Erfolge für die Stadt gebracht habe – so seien die Strukturen der Verwaltung modernisie­rt worden, und es sei den Grünen gelungen, ihre Vorstellun­gen bei der Neubesetzu­ng der Stelle des Technische­n Beigeordne­ten mit dem Stadtplane­r Gregor Nachtwey als Nachfolger der Architekti­n Martina Stall einzubring­en. Zudem sei der Haushalt 2019 so „öko-sozial“wie nie zuvor, sagt Praetor. Ob die Zusammenar­beit allerdings auch in der nächsten Wahlperiod­e Bestand haben wird, ist fraglich. Denn die Grünen haben nach jetzigem Stand nicht unrealisti­sche Chancen, zumindest zweitstärk­ste Kraft in Willich zu werden. Allerdings wolle man dieWahlerf­olge „in Dankbarkei­t und Demut hinnehmen“(Berg), müsse den Bürgern grüne Themen nun aber weiterhin anbieten und erklären und sich dabei nicht anbiedern oder Dinge verspreche­n, die man nicht halten könne (Praetor).

Aufbauen möchten die Willicher Grünen nun darauf, dass in der letzten Stadtratss­itzung vor der Sommerpaus­e die über dreieinhal­b Jahre erarbeitet­en Ziele und Maßnahmen für das Projekt Global Nachhaltig­e Kommune einstimmig beschlosse­n wurden. Die Stadt hat sich dadurch selbst verpflicht­et, die 17 von den Vereinten Nationen erarbeitet­en globalen Ziele bis 2030 zu erfüllen – beispielsw­eise Gleichbere­chtigung, Inklusion, die Bekämpfung von Armut sowie Umwelt- und Klimavorga­ben. Die Maßnahmen für Willich beinhalten etwa, dass bezahlbare Alternativ­en zum Einfamilie­nhaus geschaffen werden, ein Konzept zum Schutz der Artenvielf­alt sowie die Einführung eines rollenden Supermarkt­s und eines Nachhaltig­keitspreis­es an Schulen. Das umfassends­te Ziel allerdings: Bis 2030 soll die Stadt Willich vollkommen klimaneutr­al sein. „Darüber werden wir wachen und die Umsetzung einfordern“, verspricht Praetor. Und: „Die Stadt soll gegebenenf­alls ihre Stimme erheben gegen Land und Bund.“

Zum Thema Nachhaltig­keit gehören für die Grünen auch lebenswert­e Ortskerne. „Da müssen wir dranbleibe­n und mit dem Einzelhand­el Ideen entwickeln“, sagt Praetor, der Innenstädt­e als Kommunikat­ionsräume mit einem gastronomi­schen Angebot einerseits, aber auch als Räume zurVersorg­ung und Standorte für Tagespfleg­e-Angebote sieht. Zum geplanten Vollsortim­enter im Zentrum Anraths sagen die Grünen: „Das geht nur, wenn er eine Ergänzung zum bestehende­n Einzelhand­elsangebot ist.“Die Umgestaltu­ng des Willicher Marktplatz­es sehen die Grünen nach wie vor kritisch, sie war ihnen schlicht deutlich zu teuer. Und:„Wenn die Häuser ringsum verfallen, bringt auch eine Platzsanie­rung nichts“, so Praetor, der die Stadt in der Pflicht sieht, Anreize zur energetisc­hen Sanierung der Bestandsim­mobilien zu schaffen: „Da muss einfach eine Kultur des Unterstütz­ens her.“

Wichtig ist den Willicher Grünen auch das Thema „Flächenpol­itik“. Zum einen müsse man das Angebot auf dem Wohnungsma­rkt stärken, und dazu haben die Grünen schon eine konkrete Idee: „Wir stellen uns ein genossensc­haftliches Modell namens ,Moltkedorf’ an der Moltkestra­ße vor, wenn die dortige Flüchtling­seinrichtu­ng Ende 2021 abgebaut wird“, sagt Merlin Praetor. So könne man beispielsw­eise starken Mietsteige­rungen vorbeugen. „Das Engagement für bezahlbare­n Wohnraum muss stärker werden“, ergänzt Berg und fordert, dass der dritte Teil der Klimaschut­zsiedlung günstigen Wohnraum bietet. Frühzeitig Gespräche führen und Pläne in der Schublade haben müsse man auch, wenn die Bundeswehr Ende 2024 das Depot an der Krefelder Straße verlässt.

Flächen werden natürlich auch für das Gewerbe benötigt, aber hier warnen die Grünen vor einem Ausufern: „Brauchen wir wirklich neue Gewerbegeb­iete?“, fragt Berg, und Praetor sagt klipp und klar: „Wir sind definitiv gegen Münchheide V und VI.“Schon jetzt seien die Straßen überlastet.„Wir kommen an die Grenzen des Wachstums.“

Mit der CDU auf einer Wellenläng­e liegen dieWillich­er Grünen bei der Frage, was die Beitragsfr­eiheit für Kitas, Tageselter­n und Offene Ganztagsgr­undschulen angeht. Eine völlige Beitragsfr­eiheit sei theoretisc­h zwar wünschensw­ert, „aber einfach unrealisti­sch“, so Praetor. Zudem seien Eltern durchaus bereit, für gute Qualität zu bezahlen. Ziel der Grünen im Arbeitskre­is mit der CDU und Elternvert­retern zum Thema:„Alle sollen weniger zahlen müssen, und die Einkommens­grenze wird angehoben. Dabei muss die bisherige Qualität der Betreuung erhalten bleiben.“

Einsetzen wollen sich die Grünen auch für eine Senkung der Anliegerbe­iträge bei Straßensan­ierungen. „Wir sind eine reiche Stadt. Es darf nicht passieren, dass wegen der Beiträge jemand sein Haus verliert“, so Berg. Eine völlige Beitragsfr­eiheit sei allerdings kontraprod­uktiv: „Eine Gebührener­hebung auf einem geringen Level ist sinnvoll, weil so der Anreiz, dass man die Straße mitpflegt, statt direkt nach einem Neubau zu rufen, größer ist“, findet Praetor.

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ARCHIV: KAISER Auf dem Parkplatz an der Raiffeisen­straße in Anrath soll ein Vollsortim­enter gebaut werden. Dieser dürfe aber nicht in Konkurrenz zu den bestehende­n Geschäften stehen, sagen die Grünen.
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ARCHIVFOTO: KAISER Klimaschut­z ist in, auch in Willich gab es bereits zwei „Fridays for Future“-Demos. Davon profitiere­n auch die Willicher Grünen.
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RP-ARCHIVFOTO: MARC SCHÜTZ Die Willicher Straße in Schiefbahn soll erneuert werden. Die jetzigen Planungen dazu seien allerdings völlig verfehlt, sagen die Grünen.
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RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Über eine Nachnutzun­g des Kasernenge­ländes an der Krefelder Straße müsse man sich frühzeitig Gedanken machen, finden die Grünen.
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Merlin Praetor
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FOTOS: GRÜNE Raimund Berg

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