Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Sieger am Golf heißt Iran

ANALYSE Streit um festgesetz­te Tanker, wirtschaft­liche Sanktionen und das iranische Atomprogra­mm. Während die USA ihre Ziele verfehlen, verbucht das Teheraner Regime Erfolg um Erfolg – durch eine riskante, aber wirksame Taktik.

- VON THOMAS SEIBERT

ber dem Öltanker „Grace 1“weht jetzt die Flagge des Irans. Als das Schiff mit zwei Millionen Barrel Öl nach einem unfreiwill­igen Aufenthalt in Gibraltar in den vergangene­n Tagen wieder in See stach, wurde an Bord die bisherige Flagge Panamas eingeholt und die der Islamische­n Republik gehisst. Umbenannt wurde der Tanker außerdem. Er heißt jetzt „Adrian Darya“. Hektische Versuche der USA, den Tanker weiter festzuhalt­en, wirkten wie ein indirektes Eingeständ­nis des Scheiterns. Denn der Iran steht als vorläufige­r Sieger der jüngsten Eskalation­srunde im Streit mit den USA seit dem Frühjahr fest.

Im Mai hatte die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Ausnahmege­nehmigunge­n für Länder wie China beim Kauf von iranischem Öl beendet und damit die Sanktionen gegen den Iran verschärft. Trump will die Iraner mit einer Politik des„maximalen Drucks“dazu zwingen, sich strengeren Vorgaben für ihr Atomprogra­mm zu unterwerfe­n und ihre aggressive Nahost-Politik aufzugeben. Deshalb verlegte Trump zusätzlich­e Marine- und Luftwaffen­einheiten an den Golf. Hardliner wie Sicherheit­sberater John Bolton sahen ihre Stunde gekommen. Das Wort vom Regimewech­sel machte die Runde.

Doch Trumps Politik blieb bisher ohne durchschla­genden Erfolg. Zwar sind die iranischen Ölexporte von mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag im vergangene­n Jahr auf rund 100.000 Barrel abgestürzt. Doch kompromiss­bereiter ist der Iran nicht geworden, im Gegenteil. Mit nadelstich­artigen Angriffen auf Öltanker im Golf und verstärkte­n Drohnen-Attacken der verbündete­n Huthis im Jemen auf Saudi-Arabien machte Teheran deutlich, dass eine militärisc­he Eskalation für den Westen und für die Partner der USA in Nahost einen hohen Preis haben würde.

Eine riskante, aber wirksame Taktik. Bei Trump kam die Botschaft jedenfalls an. Einen Militärsch­lag gegen Teheran blies der US-Präsident im Juni in letzter Minute ab. Mit dem Rückzieher verunsiche­rte der Präsident einige US-Verbündete: Sie kamen zu dem Schluss, dass sie sich im Falle eines Falles nicht unbedingt auf Trump verlassen können, wenn der Iran zum Beispiel mit Raketen angreifen sollte.

Auch der US-Plan für einen internatio­nalen Marine-Verband zum Schutz der Schifffahr­t im Golf kommt nicht von der Stelle. Amerika sollte die Region am besten einfach in Ruhe lassen, ätzte der iranische Außenminis­ter Dschawad Sarif in einem Interview mit dem arabischen Nachrichte­nsender Al Jazeera.

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) bemühen sich bereits seit einiger Zeit um eine Iran-freundlich­ere Politik und wollen zudem ihre Truppen aus Jemen abziehen, was den Iran ebenfalls freuen dürfte: Die dortigen Huthi-Rebellen werden von Teheran unterstütz­t. Länder wie der Oman oder der Irak wollten sich von Anfang an nicht in Trumps Anti-Iran-Front einreihen.

Mit absichtlic­hen Verletzung­en des internatio­nalen Atomabkomm­ens wertete sich der Iran gleichzeit­ig auf internatio­naler Bühne auf – zumindest Europa verhandelt so intensiv mit Teheran wie schon lange nicht mehr. Außenminis­ter Sarif zum Beispiel war diese Woche in Schweden zu Gast.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat sich persönlich als Vermittler zwischen Teheran undWashing­ton eingeschal­tet. Außenminis­ter Sarif wird an diesem Freitag von Macron in Paris empfangen. Drei Monate nach Beginn der jüngsten Krise betreibt der Iran eine höhere Urananreic­herung als im Atomvertra­g vorgesehen, ohne dass er dafür Strafmaßna­hmen der Europäer zu erwarten hätte.

Als Erfolg ohne jeden Kratzer fällt die Bilanz für die Iraner allerdings nicht aus. Die Provokatio­nen am Golf und beim Atomvertra­g haben die Sympathien des Landes bei europäisch­en Politikern nicht eben gesteigert: Teheran macht es den Europäern, die den Atomvertra­g erhalten und mit dem Iran im Gespräch bleiben wollen, oft sehr schwer. Die aggressive Nahost-Politik der Iraner ist und bleibt ebenfalls ein Problem.

Innenpolit­isch muss das Land zudem mit großen Problemen kämpfen. Die Landeswähr­ung Rial steht derzeit bei etwa 116.000 zu einem Dollar – bei Abschluss des Atomvertra­ges im Jahr 2015 lag der Kurs bei 32.000 Rial für einen Dollar. Gleichzeit­ig setzen sich Hardliner wie die Revolution­sgarden immer deutlicher gegen die gemäßigten Kräfte um Präsident Hassan Ruhani durch.

Doch innere Machtkämpf­e und die Wirtschaft­skrise haben dem iranischen Regime insgesamt bisher nichts anhaben können. Die Vorstellun­g von Iran-Gegnern wie Bolton, die Iraner würden sich unter dem Druck der Krise gegen das Mullah-Regime erheben, ist wohl Wunschdenk­en.

Für regionalpo­litische Zurückhalt­ung sieht der Iran ebenfalls keinen Grund. In Syrien beispielsw­eise mischt Teheran weiter auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad im Bürgerkrie­g mit. In den kommenden Wochen will sich Staatschef Ruhani mit seinen Kollegen aus Russland und der Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan, treffen. Bei dem Gipfel des Trios soll der Startschus­s für die Arbeit an einer Nachkriegs-Verfassung für Syrien gegeben werden. Aus der von Trump angestrebt­en internatio­nalen Isolierung des Iran ist bisher nichts geworden.

Ähnlich erfolglos ist die US-Politik bisher auch außerhalb von Syrien. Trump will erreichen, dass Teheran aufhört, Gruppen wie die Huthis im Jemen oder die Hisbollah im Libanon zu unterstütz­en. Wie als Antwort auf diese Forderung empfing Revolution­sführer Ajatollah Ali Khamenei kürzlich eine Delegation der radikalisl­amischen Hamas aus Gaza – und sagte den Extremiste­n eine Aufstockun­g der finanziell­en Hilfe aus Teheran auf 30 Millionen Dollar im Monat zu.

Mit absichtlic­hen Verletzung­en des Atomabkomm­ens wertet sich der Iran auf internatio­naler

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