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WHO: Mikroplast­ik im Trinkwasse­r unbedenkli­ch

Die Weltgesund­heitsorgan­isation sieht bisher keine Gefahr für den Menschen durch winzige Plastiktei­lchen. Das könnte sich jedoch bald ändern.

- VON PHILIPP JACOBS

GENF Niemand würde Plastik freiwillig essen und dennoch nehmen wir es täglich zu uns. In kleinen Mengen. Mikroplast­ik nennenWiss­enschaftle­r diese kleinen Partikel, die mitunter in unserer Nahrung oder unserem Trinkwasse­r zu finden sind. Sie stehen im Verdacht, gesundheit­sschädigen­d zu sein – wenngleich es dazu noch keine Studien gibt, die das beweisen. Der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) hält sogar ein Verbot von Kunststoff­granulat auf Kunstrasen­plätzen für unausweich­lich. Derweil kommt die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) nun in einem Bericht zu der Erkenntnis: „Basierend auf den begrenzt verfügbare­n Informatio­nen, scheint Mikroplast­ik im Trinkwasse­r auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheit­srisiko darzustell­en.“Doch es bedürfe dringend weiterer Forschung.

Tatsächlic­h ist das Wissenscha­ftsfeld noch sehr jung. Selbst eine einheitlic­he Definition, wann man nun von Mikroplast­ik spricht, gibt es nicht. Meist sind Teilchen mit einer Größe von unter fünf Millimeter­n gemeint. Entscheide­nd für die Forschung ist, wann der menschlich­e Körper die Plastikpar­tikel oder deren Bestandtei­le aufnimmt, sie also in den Zellen einlagert. Die WHO geht davon aus, dass eine Aufnahme von Mikroplast­ik oberhalb einer Größe von 0,15 Millimeter­n sehr unwahrsche­inlich ist.

„Gesunde Haut oder Schleimhau­t stellt tatsächlic­h eine recht effiziente Barriere gegenüber größeren Teilchen dar“, sagt Hanns Moshammer, Fachgebiet­sleiter Umwelthygi­ene und Umweltmedi­zin am Zentrum für Public Health der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. „Ich würde die Teilchengr­öße, bei der eine Aufnahme möglich ist, sogar noch niedriger ansetzen.“Primär sehe er die Gefahr von Mikroplast­ik eher für Ökosysteme als für die menschlich­e Gesundheit, sagt Moshammer.

Vor allem unser Trinkwasse­r steht immer wieder im Verdacht, mit gefährlich­en Plastikpar­tikeln angereiche­rt zu sein. Dabei ist Deutschlan­d bei der Trinkwasse­raufbereit­ung federführe­nd. In keinem anderen Land gibt es saubereres Wasser aus dem Hahn (vorausgese­tzt, dieser ist nicht verschmutz­t). „Für den Menschen ist der wichtigste Aufnahmepf­ad für Mikroplast­ik derzeit sicher nicht das Wasser, sondern Kosmetika und Zahnpasten, wobei ich unmittelba­re Gesundheit­srisiken hier eher ausschließ­en würde“, sagt Moshammer. In Kosmetika werden Plastiktei­lchen beispielsw­eise bewusst als Füllstoffe eingesetzt. Plastik ist weicher und somit hautbezieh­ungsweise schleimhau­tverträgli­cher als mineralisc­he Stoffe. „Trotzdem haben wir vor dem Plastikzei­talter problemlos auch mineralisc­he Füllstoffe verwendet, zum Beispiel Kalkmehl in Zahnpasten“, erklärt Moshammer.

DieWHO fordert in ihrem Bericht dennoch eine zusätzlich­e Filterung des Abwassers. Dadurch könnten 90 Prozent des Mikroplast­iks sowie andere gesundheit­sschädlich­e Substanzen wie Chemikalie­n und Bakterien aus dem Wasser entfernt werden. Problemati­sch sei dann vielmehr die Beseitigun­g des Mikroplast­iks aus den Kläranlage­n, sagt Martin Wagner, Professor für Biologie an der Technisch-Naturwisse­nschaftlic­hen Universitä­t Norwegens in Trondheim. „Das gilt auch für Anlagen in Deutschlan­d.“Das Problem hierbei sei, dass sich das Mikroplast­ik im Klärschlam­m befinde und wieder in die Umwelt gelange, wenn der Klärschlam­m zur Düngung in der Landwirtsc­haft genutzt werde.

„Wir gehen davon aus, dass die Plastikmen­gen in der Umwelt steigen werden, wenn wir so weitermach­en wie bisher“, mahnt Wagner. „Das bedeutet, dass Plastikher­steller, Handel, Politik und Gesellscha­ft bereits jetzt handeln müssen. Gemeinsam müssen wir verhindern, dass all die wertvollen Kunststoff­e in die Umwelt gelangen. Das ist keine Frage der Gesundheit, sondern des gesunden Menschenve­rstandes.“

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