Rheinische Post Krefeld Kempen
WHO: Mikroplastik im Trinkwasser unbedenklich
Die Weltgesundheitsorganisation sieht bisher keine Gefahr für den Menschen durch winzige Plastikteilchen. Das könnte sich jedoch bald ändern.
GENF Niemand würde Plastik freiwillig essen und dennoch nehmen wir es täglich zu uns. In kleinen Mengen. Mikroplastik nennenWissenschaftler diese kleinen Partikel, die mitunter in unserer Nahrung oder unserem Trinkwasser zu finden sind. Sie stehen im Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein – wenngleich es dazu noch keine Studien gibt, die das beweisen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält sogar ein Verbot von Kunststoffgranulat auf Kunstrasenplätzen für unausweichlich. Derweil kommt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun in einem Bericht zu der Erkenntnis: „Basierend auf den begrenzt verfügbaren Informationen, scheint Mikroplastik im Trinkwasser auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheitsrisiko darzustellen.“Doch es bedürfe dringend weiterer Forschung.
Tatsächlich ist das Wissenschaftsfeld noch sehr jung. Selbst eine einheitliche Definition, wann man nun von Mikroplastik spricht, gibt es nicht. Meist sind Teilchen mit einer Größe von unter fünf Millimetern gemeint. Entscheidend für die Forschung ist, wann der menschliche Körper die Plastikpartikel oder deren Bestandteile aufnimmt, sie also in den Zellen einlagert. Die WHO geht davon aus, dass eine Aufnahme von Mikroplastik oberhalb einer Größe von 0,15 Millimetern sehr unwahrscheinlich ist.
„Gesunde Haut oder Schleimhaut stellt tatsächlich eine recht effiziente Barriere gegenüber größeren Teilchen dar“, sagt Hanns Moshammer, Fachgebietsleiter Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. „Ich würde die Teilchengröße, bei der eine Aufnahme möglich ist, sogar noch niedriger ansetzen.“Primär sehe er die Gefahr von Mikroplastik eher für Ökosysteme als für die menschliche Gesundheit, sagt Moshammer.
Vor allem unser Trinkwasser steht immer wieder im Verdacht, mit gefährlichen Plastikpartikeln angereichert zu sein. Dabei ist Deutschland bei der Trinkwasseraufbereitung federführend. In keinem anderen Land gibt es saubereres Wasser aus dem Hahn (vorausgesetzt, dieser ist nicht verschmutzt). „Für den Menschen ist der wichtigste Aufnahmepfad für Mikroplastik derzeit sicher nicht das Wasser, sondern Kosmetika und Zahnpasten, wobei ich unmittelbare Gesundheitsrisiken hier eher ausschließen würde“, sagt Moshammer. In Kosmetika werden Plastikteilchen beispielsweise bewusst als Füllstoffe eingesetzt. Plastik ist weicher und somit hautbeziehungsweise schleimhautverträglicher als mineralische Stoffe. „Trotzdem haben wir vor dem Plastikzeitalter problemlos auch mineralische Füllstoffe verwendet, zum Beispiel Kalkmehl in Zahnpasten“, erklärt Moshammer.
DieWHO fordert in ihrem Bericht dennoch eine zusätzliche Filterung des Abwassers. Dadurch könnten 90 Prozent des Mikroplastiks sowie andere gesundheitsschädliche Substanzen wie Chemikalien und Bakterien aus dem Wasser entfernt werden. Problematisch sei dann vielmehr die Beseitigung des Mikroplastiks aus den Kläranlagen, sagt Martin Wagner, Professor für Biologie an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim. „Das gilt auch für Anlagen in Deutschland.“Das Problem hierbei sei, dass sich das Mikroplastik im Klärschlamm befinde und wieder in die Umwelt gelange, wenn der Klärschlamm zur Düngung in der Landwirtschaft genutzt werde.
„Wir gehen davon aus, dass die Plastikmengen in der Umwelt steigen werden, wenn wir so weitermachen wie bisher“, mahnt Wagner. „Das bedeutet, dass Plastikhersteller, Handel, Politik und Gesellschaft bereits jetzt handeln müssen. Gemeinsam müssen wir verhindern, dass all die wertvollen Kunststoffe in die Umwelt gelangen. Das ist keine Frage der Gesundheit, sondern des gesunden Menschenverstandes.“