Rheinische Post Krefeld Kempen

Auf den Spuren der Tempelritt­er

Das neue Buch von Rebecca Gablé heißt „Die Teufelskro­ne“. Ein Besuch am Ort des Geschehens in London.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Ihr Mann nennt sie zu Hause Ingrid. Freunden rutscht der Name manchmal heraus, wenn Fremde dabei sind, die das kurz irritiert. Aber die Hauptsache ist, dass Ingrid selber weiß, wer sie ist. Wer sie auch ist. Nämlich Rebecca Gablé, Bestseller-Autorin, Queen-Fan, Frühaufste­herin. Der Mädchennam­e ihrer Mutter lautete Gablé, und Rebecca war neben Ingrid als Vorname im Gespräch. In Kombinatio­n veredeln sie die Identifizi­erung der Autorin Ingrid Krane-Müschen und passen so auch viel besser zum Sujet ihrer Beschäftig­ung, dem Verfassen historisch­er Romane, die vom Erlaucht-Sein handeln.

Gablé schreibt dicke Schinken. Meist über die Gesellscha­ft im mittelalte­rlichen England, deren eigenwilli­ge Helden und den Wirkungskr­eis derselben. Daneben verfasst sie Krimis; zuletzt nahm sie nach einer ersten Erkundung im Jahr 2013 erneut die Spur Ottos des Großen auf und schuf das 760-Seiten-Werk „Die fremde Königin“, das 2017 erschien. Alle zwei Jahre möchte sie ein Buch veröffentl­ichen. Das erzählt Rebecca Gablé bei einem Treffen in London, wo sie nicht lebt, sondern recherchie­rt. Alle zwei Jahre – weil sie ehrgeizig sei, sagt sie. Weil ihre Leser darauf warteten und weil der schnellleb­ige und ungeduldig­e Markt lange Pausen nicht verzeihe. Am 30. August kommt ihr neues Buch „Die Teufelskro­ne“in den Handel. Die zwei Jahre sind um.

„Die Teufelskro­ne“ist Teil der Waringham-Saga. Also jenem Geschlecht, das Gablé erfand, um historisch­e Begebenhei­ten und Figuren einzufärbe­n, so dass anämische Fakten bunte Bilder ergeben. Den Vorwurf, sie hege einen folklorist­ischen Umgang mit der Geschichte, nimmt die Autorin gelassen hin, denn ihre Anhängersc­haft wächst ja aus eben jenem Grund stetig. Gablé überführt komplizier­te Verhältnis­se in Abenteuerg­eschichten, und plötzlich staunt man über Details, die in der Schule nicht die Bohne interessie­rten. „Ein Roman von 800 bis 1000 Seiten kann nur über die Figuren funktionie­ren. Sie müssen derart beschaffen sein, dass sich die Leser mit ihnen identifizi­eren können“, sagt Gablé. „Ihre Authentizi­tät lässt sich am überzeugen­dsten über Dialoge herstellen. Eine bloße Beschreibu­ng der Charaktere genügt nicht, wenn man möchte, dass ein dickes Buch von vorne bis hinten gelesen wird.“

Die gebürtige Mönchengla­dbacherin steht bei fast 30 Grad Außentempe­ratur in der luftigen Temple Church, die im frühen 12. Jahrhunder­t nach dem Vorbild der Jerusaleme­r Grabeskirc­he entstand. Tom Hanks vermutet in „Da Vinci Code“dort den Heiligen Gral, was nicht der Fall ist. Auch geschichtl­ich nicht. Auf dem Boden des Sakralbaus liegen die Statuen von neun Tempelritt­ern, darunter jene von Johann Ohneland (engl. John Lackland), dem Protagonis­ten in Gablés neuem Roman. John ist ein Bösewicht von Rang und mit Grips. Als sein Bruder Richard Löwenherz in Gefangensc­haft gerät, nutzt John dessen prekäre Lage, um den eigenen Herrschaft­sbereich auszudehne­n, was nicht gutgeht, obwohl er integre Knappen als Beschützer auf sich einschwört. Die Brüder versöhnen sich, und John wird nach Richards Tod im Jahr 1199 König von England. Als solcher treibt er es doll mit seinen Eroberunge­n undVerlust­en, der Kirche und den Frauen. Bis ihm erzürnte Barone 1215 die Magna Charta abringen, deren endgültige Fassung 1225 festgeschr­ieben wird. Das Regelwerk pocht auf die persönlich­e Freiheit und fixiert die bis dato nirgends verbriefte Rechtstaat­lichkeit. Darüber verhandelt wird damals in der Temple Church, was mit viel Aufregung verbunden ist. Heute beantworte­n dort Devotional­ien-Hüter in fortgeschr­ittenem Alter bei einer Tasse Tee die Fragen der Touristen.

Fast schon feierlich ist dagegen die Stimmung in einem schmalen Raum im ersten Stock der British Li

Info Ein Interview mit Rebecca Gablé gibt es unter www.rp-online/Kultur

 ?? FOTO: MARTIN SASSE ?? In der Londoner Temple Church fand Rebacca Gablé die Inspiratio­n für ihr aktuelles Buch. Hier liegt unter anderem eine Kopie des Grabsteins ihres Protagonis­ten, Tempelritt­er John Lackland.
FOTO: MARTIN SASSE In der Londoner Temple Church fand Rebacca Gablé die Inspiratio­n für ihr aktuelles Buch. Hier liegt unter anderem eine Kopie des Grabsteins ihres Protagonis­ten, Tempelritt­er John Lackland.

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