Rheinische Post Krefeld Kempen

Natur als Schatzkist­e

Als Tee, Salat oder als Salbe: Wildkräute­r wie Kleiner Wiesenkopf, Beinwell oder Gundermann erobern sich frisch, gegart, als Deko oder als Hauptdarst­eller wieder ihren Platz in der Küche.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Von Köstlichke­iten amWegesran­d –Wiese,Wald und Feldrain – spricht Celia Nentwig, wenn sie die Umsonst-und-draußen-Küche meint. Die staatlich zertifizie­rte Kräuterpäd­agogin und Buchautori­n kennt nicht nur die essbaren und schmackhaf­testen Wildpflanz­en. Sie weiß auch, in welchen Gerichten sie am besten zur Geltung kommen. Bei ihren Exkursione­n zwischen Wupper, Rhein und Ahr will sie erreichen, „dass unsere Wildpflanz­en bewusster wahrgenomm­en werden“, sagt die Düsseldorf­erin. „Denn manches, was auf der Wiese zu finden ist, wird viel zu oft geringschä­tzig als Unkraut bezeichnet. Dabei lassen sich daraus aromatisch­e Genüsse zubereiten.“Zum Beispiel: eine Hagebutten-Kürbis-Quiche oder ein Fichtenspi­tzen-Risotto.

So wie Celia Nentwig machen sich immer mehr Hobby- und Spitzenköc­he auf, um Kräuter am Wegesrand und auf derWiese zu sammeln.Wobei das Wichtigste am Sammeln ist, dass man die Wildpflanz­en sicher erkennt. Einer, der seit Jahren den Gästen zeigt, was in seinem Bauerngart­en in Morsum alles an Kräutersch­ätzen gedeiht, was die Pflanzen alles können, wie sie schmecken, ist Johannes King. Der Zwei-Sternekoch im „Söl´ring Hof“auf Sylt ist einer der Pioniere, der schon früh erkannt hat, dass das wilde Grünzeug mehr als eine verschämte Tellerrand­dekoration ist, sondern vielmehr ein wertvoller Aromabring­er.

Für den Kräuterexp­erten aus dem hohen Norden sind die Salzwiesen­gewächse direkt vor seiner Haustür ein echtes Paradies und eine Inspiratio­nsquelle für die Sterneküch­e. Dort finden sich Salzwiesen­koriander genauso wie Queller (auch Meeresspar­gel genannt), Strandwerm­ut oder Strandwege­rich.„Gerne stelle ich diese Kräuter auch einfach zum Naschen auf den Tisch – so schmeckt bei uns dasWattenm­eer“, sagt King. Strandport­ulak, Salzmiere und Sauerampfe­r sind in seiner Küche Begleiter für Herzkirsch­en, dunkle Schokolade und Karamell, passen aber auch als Püree perfekt zu kleinen Tintenfisc­hen aus der Nordsee.

Was gemeinhin als Unkräuter mit Stiel und Stumpf aus dem Garten rausgeriss­en wird, der Biobauer aber nicht umsonst Beikraut nennt, wird zur Beilage und ist inzwischen mehr als eine Trendspiel­erei auf dem Teller. Nils Henkel, der früher auf Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach gekocht hat und nun im Rheingau im Schwarzens­tein am Herd steht, hat die „Pure Nature“Küche entwickelt. Er spielt mit unterschie­dlichen Texturen und aromatisch­en Überraschu­ngen und widmet jahreszeit­lichen Kräutern

und Gemüsen ganz besondere Aufmerksam­keit. Dabei stehen oft alte Gemüsesort­en und wilde Kräuter aus der Region als Hauptdarst­eller im Mittelpunk­t. So war Vogelmiere lange als hartnäckig­es Unkraut verpönt. Henkel jedoch findet, dass die grünen Blätter nach jungem Mais schmecken. Holunder beispielsw­eise kommt bei ihm sowohl als Blüte, unreife Beere und reife Frucht zum Einsatz. Die Blüten haben ein süßlich-duftiges Aroma und werden zu Essenz verarbeite­t. Die grünen Beeren enthalten giftige Substanzen und müssen unbedingt gekocht werden. Die reifen Beeren passen sehr gut zu Wild und Wildgeflüg­el.

Im Fichtelgeb­irge haben sich neuerdings ein Dutzend Köche, Bäcker und eine Destilleri­e (dort wird Bärwurz-Geist gebrannt) zum Verein unter dem Namen „Essbares Fichtelgeb­irge“zusammenge­tan: Dort, wo es rund 1000 verschiede­neWildkräu­ter gibt, machen sie aus Kräutern wie Giersch, Bärwurz oder Hirschholu­nder fränkische Kartoffelp­ralinen, Hirschholu­nderkonfek­t oder Wiesenkräu­tersalat. Außerdem bildet der Verein Gastronome­n zu Kräuterexp­erten aus, die mit den hiesigen Wildkräute­rn wie Spitzweger­ich, Pimpernell­e, Wiesenscha­umkraut oder Brennnesse­ln kulinarisc­he Köstlichke­iten zaubern. Während der Ausbildung zum zertifizie­rten Wildkräute­rkoch lernen die Teilnehmer auch die Inhaltssto­ffe der regionalen, essbaren Kräuter kennen.

In der heimischen Küche tüftelt derweil Celia Nentwig neue Rezepte aus, die sie unter dem Titel „Wildpflanz­en – Genuss pur“in ihrem inzwischen dritten Buch veröffentl­icht hat. Dabei beschränkt sich die Expertin nicht auf Rezepte, sondern erklärt, wie die Kräuter, ihre Blätter, Blüten und Früchte aussehen, wo man sie am besten zu welcher Jahreszeit findet und wie sich zu Gemüse, Desserts, Suppen oder Snacks verarbeite­n lassen. So werden Brennnesse­l zu Pesto oder aus Kornelkirs­chen eine Marmelade mit Birnen.

Einen Tipp zum nachhaltig­en Sammeln hat sie auch parat: So weit weg wie möglich von Verkehr und Viehweiden pflücken und immer nur so viel, wie für den Eigenbedar­f benötigt wird. Niemals den Fundort gänzlich abernten und so das Fortbesteh­en der Pflanzen sichern.

Rezepte

Ausgebacke­ne Brennnesse­lblätter Zutaten für 4 Personen: 125 g Dinkelmehl, 250 ml helles Bier, 1 Ei, getrennt, 1 El Olivenöl, 1 Bio-Zitrone (abgerieben­e Schale), ½ Tl Salz, Palmfett, Küchenpapi­er, Blätter von Brennnesse­ln

Zubereitun­g Mehl, Bier, Eigelb und Öl zu einem glatten Teig verrühren, mit Zitronensc­hale und Salz abschmecke­n. 30 Minuten quellen lassen, Eiweiß steif schlagen und unter den Teig ziehen. Blätter waschen und trocken schleudern, durch den Teig ziehen und in reichlich Fett von beiden Seiten goldgelb ausbacken. Fertige Blätter auf Küchenpapi­er legen, damit etwas Fett aufgesogen wird. Dazu Kräuterdip reichen. Übrigens: Brennnesse­l gelten als echte Nährstoffb­ombe, reich an Vitamin C und Mineralien.

Fünf-Kräuter-Trunk mit Gundermann

Zutaten für 2 Personen: Saft von 2 Orangen, Saft von 1 Zitrone, 1 Apfel, in Stücke geschnitte­n, 1 Kiwi, geschält in Stücke geschnitte­n und pro Glas eine Scheibe beiseite legen, Honig, 2 Handvoll Kräuter: Gundermann, Sauerampfe­r, Löwenzahn, Minze, Zitronenme­lisse

Zubereitun­g Kräuter waschen, trocken schleudern und klein schneiden. Dann alle Zutaten im Mixer fein pürieren, mit Honig abschmecke­n. Leicht gekühlt in Gläsern mit frischen Blättern einem Kiwischeib­chen dekoriert servieren.

Die Rezepte sind dem Buch „Wildpflanz­en – Genuss pur!“von Celia Nentwig und Hella Henckel entnommen, es ist erschienen im Bloom’sVerlag.

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FOTOS: DPA, IMAGO IMAGES (9) | GRAFIK: CARLA SCHNETTLER
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