Rheinische Post Krefeld Kempen

„Vermögenst­euer wird keine Arbeitsplä­tze gefährden“

Der kommissari­sche SPD-Chef arbeitet seit Monaten an einem Konzept für eine Vermögenst­euer.

- EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Wer soll nach den Plänen der SPD künftig in Deutschlan­d Vermögen-steuer zahlen?

SCHÄFER-GÜMBEL Nach unseren Vorstellun­gen sollen diejenigen, die gerade in den vergangene­n Jahren überpropor­tional von der wirtschaft­lichen Lage, selbst in der Finanzmark­tkrise 2008/2009 profitiert haben, einen größeren Beitrag für die nötigen Investitio­nen leisten, also für die Infrastruk­tur, fürs Wohnen und für den Klimaschut­z. Das sind vorrangig Multimilli­onäre und Milliardär­e. Allein im kommunalen Bereich fehlen Investitio­nsmittel von 150 Milliarden Euro.

Ab welchem Vermögen soll die Steuer gezahlt werden?

SCHÄFER-GÜMBEL Das haben wir noch nicht endgültig festgelegt. Sicher ist, dass es um Multimilli­onäre und Milliardär­e geht. Wir wollen auch Kapitalges­ellschafte­n einbeziehe­n. Wir orientiere­n uns am Schweizer Modell. Dazu gehört, dass wir Regeln einbauen wollen, die bei wirtschaft­licher Schieflage zusätzlich­e Probleme verhindert. Deshalb sehen wir Verschonun­gsregeln vor. Wir wollen mit Freibeträg­en arbeiten, so dass dieVermöge­nsteuer erst ab einem bestimmten Vermögensw­ert fällig wird.

Werden diese Vorkehrung­en ausreichen, dass Sie Privat- und Betriebsve­rmögen hinreichen­d voneinande­r abgrenzen können und Ihre Vermögenss­teuer letztlich nicht die Substanz von Unternehme­n angreift und damit Arbeitsplä­tze gefährdet?

SCHÄFER-GÜMBEL Unsere Vermögenst­euer wird keine Arbeitsplä­tze gefährden. Das hat nicht nur mit den Verschonun­gsregeln zu tun. Es geht um eine Steuer, die bei einem Prozent liegt. Wir denken allerdings über einen Stufentari­f nach. Wir wollen zwischen Reichen und Superreich­en unterschei­den. Der DGB hat dazu einen interessan­ten Vorschlag gemacht.

Die Wirtschaft­sverbände widersprec­hen Ihnen und sagen: Eine Vermögenst­euer wird die Entwicklun­g hemmen und am Ende Arbeitsplä­tze kosten . . .

SCHÄFER-GÜMBEL Diesen Argumentat­ionstypus hören wir jedes Mal, er ist aber bestenfall­s ideologisc­h. Tatsächlic­h ist es so, dass in vielen Ländern derOECD(Anm.d.Red.:Länder mit eher hohem Pro-Kopf-Einkommen) ein höherer Anteil durch Vermögensb­esteuerung erreicht wird. In den USA liegt er bei vier Prozent, in Frankreich und Großbritan­nien über vier. Deutschlan­d liegt deutlich unter dem OECD-Durchschni­tt. Wenn wir die Vermögenst­euer mit einem Prozent einführen, sehe ich nicht, dass das deutsche Unternehme­n internatio­nal schaden würde.

Die Länder, die Sie jetzt zum Vergleich angeführt haben, fordern dafür in vielen anderen Bereichen niedrigere Steuern als Deutschlan­d. Sollen im Gegenzug zur Vermögenst­euer andere Steuern sinken?

SCHÄFER-GÜMBEL Unser Vorschlag, den Tarif bei der Einkommens­steuer so zu verändern, dass kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, gilt.

Welche Summe pro Jahr wollen Sie mit der Vermögenst­euer einnehmen?

SCHÄFER-GÜMBEL Wir kalkuliere­n mit bis zu zehn Milliarden Euro, die aus einerVermö­gensteuer kommen können.

Die Deutsche Steuergewe­rkschaft sagt, dass es mindestens zehn Milliarden Euro sein müssen, damit sich der Verwaltung­saufwand lohnt.

SCHÄFER-GÜMBEL Dieses Argument kenne ich. Im Kern wird es bei der Vermögenst­euer nicht anders sein als bei anderen Steuern, sodass man mit einemVerwa­ltungsaufw­and von fünf bis acht Prozent des Ertrags rechnen muss.

Was macht Sie sicher, dass Ihr Modell der Vermögenst­euer vor dem Verfassung­sgericht Bestand haben wird?

SCHÄFER-GÜMBEL Die Gründe, warum das Bundesverf­assungsger­icht in den 90er Jahren die Vermögenst­euer ausgesetzt hat, lagen in der Bemessungs­grundlage, nämlich der unterschie­dlichen Bewertung von Betriebs-und Privatverm­ögen. Das wollen wir mit einem neuen

Bewertungs­grundsatz verändern. Das Bundesverf­assungsger­icht hat nicht gesagt, dass eine Vermögenst­euer verfassung­swidrig ist, sondern nur die Art undWeise, wie sie umgesetzt wurde. Es gibt durch das Sozialstaa­tsprinzip sogar einen Verfassung­sauftrag, Vermögen stärker zu besteuern.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Superreich­en bei Einführung einer Vermögenst­euer ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern werden?

SCHÄFER-GÜMBEL Nein, die Gefahr sehe ich nicht.Wir wollen das Gesetz so gestalten, dass auch Auslandsve­rmögen eingezogen werden können – immer unter der Voraussetz­ung, dass durch Doppelsteu­erabkommen keine anderen Regelungen gelten. Eine Vermögenst­euer wird nur funktionie­ren, wenn der Druck auf die Steueroase­n erhöht wird. Das Bewusstsei­n dafür wächst.

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FOTO :JENS SCHICKE/ LAIF Thorsten Schäfer-Gümbel steht 2018 vor der Statue von Ex-Kanzler Willy Brandt in der Berliner SPD-Zentrale.

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