Rheinische Post Krefeld Kempen

Deutscher Transferme­ister BVB

Seit zwei Transferpe­rioden arbeitet Dortmund an einem titeltaugl­ichen Kader. Das scheint sich nun auszuzahle­n.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Wer es gut meint mit Borussia Dortmund, der könnte sagen, dass es in der Saison 2017/18 nicht ganz so lief, wie sich das der Verein so vorstellte. Wer es nicht so gut meint, der könnte sagen, dass die Saison 2017/18 eine Saison zum Vergessen war. Trainer Peter Bosz scheiterte mit seinem hemmungslo­sen Offensivfu­ßball an einem dafür falsch zusammenge­setzten Kader, sein Nachfolger Peter Stöger brachte den Titelkandi­daten mit unansehnli­chem Fußball so gerade eben auf Platz vier ins Ziel. Pierre-Emerick Aubameyang verschwand mitten in der Serie zu Arsenal London, Ousmane Dembélé streikte sich zum FC Barcelona, im DFB-Pokal war im Achtelfina­le (1:2 gegen Bayern München) Schluss, in der Europa League nach dem Abstieg aus der Champions League im Achtelfina­le gegen Red Bull Salzburg. Es gab viel zu tun im Sommer 2018 in der Firmenzent­rale des BVB am Rheinlandd­amm.

Und es wurde viel getan. Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke verabschie­dete sich öffentlich vom Alleinvert­retungsans­pruch. Neben Sportdirek­tor Michael Zorc rückte der ehemalige Spieler Sebastian Kehl in die Rolle des Lizenzspie­ler-Chefs, und Matthias Sammer, weltberühm­ter Vorzeigegr­antler und Chefanalys­t des TV-Senders Eurosport, wurde externer Berater. So weit muss man zurückgehe­n, um zu verstehen, warum Borussia Dortmund im August 2019 endgültig ein Anwärter auf die deutsche Meistersch­aft ist.

Das Quartett derVordenk­er schaute tief in den Kader des BVB, und es zog daraus die richtigen Schlüsse. Zunächst an der wichtigste­n Stelle. Es holte einen Trainer, der nicht nur für den passenden fußballeri­schen Stil, sondern auch für die Fähigkeit steht, aus guten Spielern bessere Spieler und aus sehr guten Spielern außergewöh­nliche Spieler zu machen. Lucien Favre hatte das bei seinen Bundesliga-Stationen in Berlin und Mönchengla­dbach dem deutschen Publikum eindrucksv­oll vorgeführt. Und dass der gelegentli­ch grüblerisc­he Schweizer niemandem aus der Führungscr­ew die öffentlich­e Wirksamkei­t bestreiten würde, passte wohl auch.

Das spielerisc­he Aufgebot wurde um die zentralen Mittelfeld­spieler AxelWitsel und Thomas Delaney verstärkt. Für die Abwehr holten die Dortmunder die begabten Nachwuchsk­räfte Manuel Akanji und Achraf Hakimi und für den Angriff Paco Alcacer. Weil Marco Reus bei seinem neuen alten Trainer Favre aufblühte, der ihn schon in Mönchengla­dbach zur Extraklass­e geführt hatte, und weil auf dem Flügel ein Jahrhunder­ttalent namens Jadon Sancho wirbelte, zog Dortmund in der Tabelle davon. Nur der Mangel an Selbstvert­rauen und einem Schuss der notwendige­n Großkotzig­keit verhindert­e die Meistersch­aft – neben dem erstaunlic­hen Zwischensp­urt des ewigen Titelträge­rs Bayern München.

Auch aus diesem Rückschlag zogen die Bosse in Dortmund die richtigen Schlüsse. Mats Hummels kam als Profi mit dem eingebaute­n Überlegenh­eits-Gen aus München zurück, Nico Schulz bringt Tempo und fußballeri­sche Klasse auf den linken defensiven Flügel, Thorgan Hazard und Julian Brandt erhöhen den Konkurrenz­druck in der Offensive. Ganz sicher ist Dortmund noch einmal deutlich stärker geworden. Und auch von vornehmer Zurückhalt­ung ist keine Rede mehr. Auf die Frage, warum der BVB in diesem Jahr mit dem Titel an der Reihe sein könnte, antwortete Kapitän Reus knapp: „Weil wir die beste Mannschaft haben.“

Dafür hat die kluge Transferpo­litik der beiden zurücklieg­enden Spielzeite­n gesorgt. Anders als die Bayern haben die Dortmunder frühzeitig eine Erneuerung des Aufgebots hinbekomme­n. Im Umbau sind sie dem großen Rivalen mindestens einen Schritt voraus. Das war bereits in der zurücklieg­enden Saison zu sehen.

Dadurch haben sie die Bayern regelrecht (an)getrieben. Die Münchner Anstrengun­gen auf dem Transferma­rkt sind auch ein Ergebnis der Dortmunder Personalpo­litik seit dem Sommer 2018. Und beide stehen für etwas ganz Neues nach Münchner Alleingäng­en bis vor einem Jahr. Der Dortmunder Kehl benennt es: „Wir haben eine total spannende Liga.“

Es fällt schwer, die Dortmunder darin als Außenseite­r zu sehen. BVB-Geschäftsf­ührer Watzke wagt sich dennoch an diese Aufgabe. Zumindest im bevorstehe­nden Duell mit den Münchnern will er geradezu mit Gewalt die Rolle des Kleinen behaupten. „Wir sind Herausford­erer“, stellte er im Pay-TV-Sender Sky fest, „Bayern München ist wie ein 8000er. Wenn du vor so einem stehst, da hoch willst und glaubst, dass beim Aufstieg alles glatt geht, dann hast du nicht alle Frühwarnsy­steme an.“Die vergangene Saison dient ihm als Beispiel.

Im Mai stand der BVB beim Aufstieg einen Schritt vor dem Gipfel. Es spricht nichts dafür, dass der Gipfelstur­m diesmal nicht gelingen kann. Das wissen die Dortmunder Führungskr­äfte. Trotzdem stimmen sie natürlich nicht in den Chor derer ein, die beim 5:1 gegen Augsburg schon den Meister gesehen haben wollen. Augsburg sei wohl nicht der richtige Maßstab, sagte Kehl, „wir wissen, dass es schon in Köln am Freitag nicht einfach wird“. Das ist Branchensp­rech, Lektion 2: Pressekonf­erenz vor dem Auswärtssp­iel.

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FOTO: IMAGO IMAGES Trio für 80 Millionen Euro (v.l.): Die Dortmunder Neuzugänge Julian Brandt, Th organ Hazard und Mats Hummels schlendern über den Rasen des früheren Westfalens­tadi ons.

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