Rheinische Post Krefeld Kempen
„Zeitweise saß ich quasi auf der Straße“
Der Basketball-Europameister von 1993 spricht über sein Traineramt in Leverkusen, Existenzängste und Dirk Nowitzki.
LEVERKUSEN Hansi Gnad ist einer der bekanntesten deutschen Basketballer. Dass der Kapitän des Europameisterteams von 1993 auch als Trainer erfolgreich ist, hat der 56-Jährige bewiesen, als er die Bayer Giants aus Leverkusen gleich in seinem ersten Jahr zurück in die Zweite Liga (ProA) führte. Hier spricht er über seine Arbeit beim Rekordmeister, seine schwärzesten Stunden und die Aussichten der deutschen Mannschaft bei der WM.
Lebt der Traum, mit Leverkusen – ja immer noch Deutscher Rekordmeister – zurück in die Bundesliga zu kommen?
GNAD Das schminke ich mir erstmal ganz klar ab. Man müsste zunächst sportlich den Sprung schaffen und dann dieVorgaben der Liga erfüllen. Ein Etat von mindestens drei Millionen Euro ist gefordert. Ich bin froh, dass wir die finanzielle Absicherung seitens der Bayer AG für die ProA haben. Das ganz große Geld ist leider nicht mehr da.
Sie sind einer der bekanntesten Basketballer aus Deutschland und nun auch als Trainer sehr erfolgreich. Kam jemand auf Sie zu und hat Ihnen ein lukratives Angebot gemacht?
GNAD Das nicht, nein. Ich habe mich aber auch nicht umgeschaut. Leverkusen ist meine Heimat, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, den Basketball hier wieder nach oben zu bringen und zu stabilisieren.
Und was ist mit einer Aufgabe beim Verband?
GNAD Ich brauche das nicht. Mir ist der Erfolg mit meinem Team wichtig, aber ich muss nicht im Rampenlicht stehen. Was den Verband betrifft, ist die Situation schwierig. Ich habe 181 Länderspiele für Deutschland gemacht, aber wenn ich einen Job gebraucht habe, habe ich ihn dort jedenfalls nicht bekommen. Ich habe mich mal als hauptamtlicher Trainer beworben und bin nicht mal zum Interview eingeladen worden. Nachdem ich vier Jahre als Co-Trainer vom damaligen Nationaltrainer Dirk Bauermann gearbeitet hatte, hat mich das schon sehr frustriert.
Haben Sie damals den Job dringend benötigt?
GNAD Ich war zwar Assistenztrainer der Nationalmannschaft, aber das waren vielleicht zwei Monate im Jahr. Es gab eine Phase, da saß ich quasi auf der Straße und war froh, dass ich einen kleinen Verein in Wuppertal (BTV Ronsdorf-Graben; d. Red.) gefunden habe, bei dem ich für ein paar Euro in der Jugendabteilung arbeiten konnte. Zeitweise war ich arbeitslos gemeldet. Das ist für jemanden, der mal gut unterwegs war, extrem frustrierend. Ich hatte dadurch einen Burnout, weil ich nicht mehr wusste, wo mein nächster Job herkommt und wie ich in Zukunft den Unterhalt für meine Familie zahlen sollte.
Wie sind Sie da herausgekommen?
GNAD Dirk Bauermann hat mir damals sehr geholfen und mich wieder aufgebaut. Dann war ich froh, wieder in Leverkusen arbeiten zu können und habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, wieder wegzugehen. Wofür auch?Wegen 200 Euro im Monat sicher nicht. Ich bin sehr zufrieden hier.
Lukrativer wäre sicher ein Angebot aus der Bundesliga.
GNAD Das ist für einen deutschen Trainer fast unmöglich. Wobei man sich grundsätzlich die Frage stellen muss, warum es in der Bundesliga so wenige deutsche Coachs gibt. Ich bin überzeugt, dass viele das Knowhow haben – vielleicht auch ich.
Was trauen Sie dem deutschen Team bei der anstehenden WM zu?
GNAD Alles. Henrik Rödl (Nationaltrainer; d. Red.) hat eine richtig gute Mannschaft, die vielen anderen Teams wehtun kann. Der Spielerpool ist in den letzten Jahren auch viel größer geworden. Zu meiner Zeit hatten wir acht bis zehn Mann, die ein gewisses internationales Niveau hatten. Jetzt sind es 40 oder 50. Wir haben so viele Spieler in der NBA wie noch nie zuvor.
Ist das das Erbe von Dirk Nowitzki?
GNAD Das kann man so sagen. Jede Mannschaft in der NBA hat Angst, den nächsten Nowitzki zu verpassen. Das öffnet natürlich Türen – insbesondere für große, athletische Spieler.
Haben Sie Kontakt zu Nowitzki?
GNAD Ich habe mal für ihn ein Sozialprojekt in Leverkusen geleitet und stand auch bei seinem Charity-Fußballspiel in Leverkusen vor ein paarWochen auf dem Platz.Wobei man sagen muss, dass das wirklich nicht mein Sport ist (lacht). Der Kontakt war immer da, da seine ersten Länderspiele meine letzten waren. Sportlich ist Dirk sowieso über jeden Zweifel erhaben, aber was ich wirklich toll an ihm finde, ist, dass er im positiven Sinn anders als die anderen ist, einfach bodenständig.