Rheinische Post Krefeld Kempen

Psychische Krankheite­n auf dem Vormarsch

Der neue DAK-Gesundheit­sbericht zeigt: Vorsorge und Aufklärung bei den drei Top-Erkrankung­sarten greifen nicht; die Tendenz ist steigend, die Krankheite­n behaupten ihre Spitzenplä­tze.

- VON TAIBE AKDENIZ

Trotz aller ländlichen Idyllik und teils dörflicher, vermeintli­ch heiler Welt: Am Niederrhei­n gibt es mehr psychische Krankheite­n als im Landesschn­itt von NRW, Tendenz steigend. Dies ergab der Gesundheit­sreport der DAK-Krankenkas­se für das Jahr 2018. Generell steigt der Krankensta­nd am Niederrhei­n. Die Zahl der Krankmeldu­ngen im Jahr 2018 ist insgesamt um 0,5 Prozentpun­kte gestiegen. Die Zahl der Fehltage durch – meist langwierig­e – psychische Erkrankung­en ist von 329 auf 334 gestiegen (+2 Prozent). Am Niederrhei­n sind die Fehltage mit 4,6 Prozent über dem Landesdurc­hschnitt mit 4,3 Prozent. Eine Sonderanal­yse umfasst außerdem Erwerbstät­ige mit gravierend­en Problemen durch Alkohol, Zigaretten und Computersp­iele, die mehr Fehltage haben als ihre süchtigen Kollegen.

Laut DAK- Gesundheit­sreport waren 2018 in der Region an jedem Tag des Jahres von 1.000 Arbeitnehm­ern 46 krankgesch­rieben. Die Analyse zeigt die wichtigste­n Veränderun­gen bei Zahl und Dauer der Krankschre­ibungen für den Niederrhei­n: Die Anzahl der Fehltage bei psychische­n Erkrankung­en wie Depression­en und Burnout ist um zwei Prozent gestiegen und damit weiterhin auf Platz eins der Gründe für Fehltage. Im Vergleich zum Landesdurc­hschnitt hat der Niederrhei­n mit 334 Fehltagen je 100 Versichert­e mehr Krankmeldu­ngen als Nordrhein Westfalen mit 251 Fehltagen. Ebenfalls um zwei Prozent nahmen die Fehltage wegen Erkrankung­en des Muskel-Skelett-Systems zu.

Mit 18,6 Prozent bilden Rückenerkr­ankungen, Bandscheib­enschaden oder Knieproble­me den Grund für den zweithöchs­ten Anteil an allen Ausfalltag­en. Den deutlichst­en Anstieg gab es mit 22 Prozent auf Grund von Atemwegser­krankungen wie Bronchitis und Nasenneben­höhlenentz­ündungen.

„Ein Grund für das Steigen der Fehltage ist sicherlich auch die hohe Arbeitsbel­astung. Das ist ein gesellscha­ftliches Problem, worauf wir als DAK-Gesundheit mit unseren Analysen aufmerksam machen wollen“, erklärt Holger Heynckes, Chef der DAK-Gesundheit in Krefeld. Die Umfragen ergaben, dass Hunderttau­sende Erwerbstät­ige in NRW ein Suchtprobl­em haben. Die verbreitet­ste Sucht ist demnach das Rauchen von Zigaretten und E-Zigaretten. 19,3 Prozent der Erwerbstät­igen sind zigaretten­abhängig. Auffällig ist, dass die Jugend den gierigsten Anteil ausmacht, wohingegen bei Berufstäti­gen zwischen 60 und 65 Jahren jeder Vierte raucht (23,7 Prozent) Das wirkt sich auch auf die Arbeit aus, denn scheinbar raucht auch außerhalb der Arbeitspau­sen jeder Zweite.

Erstmals untersucht der Report jetzt das Thema Computersp­ielsucht und ihre Auswirkung­en auf die Arbeitswel­t. Knapp sieben Prozent der Erwerbstät­igen gelten laut Bericht als „riskante Gamer“. Dies betreffe vor allem junge Beschäftig­te zwischen 18 und 29 Jahren.

Rund drei Viertel der direkten Krankmeldu­ngen seien allerdings auf Alkohol zurückzufü­hren. Der Alkoholkon­sum bringt durch Folgeerkra­nkungen und soziale Folgen wie Verlust des Führersche­ins oder des Arbeitspla­tzes den größten Einschnitt ins Leben. Das bestätigt auch der Chefarzt der Klinik für Abhängigke­it am Alexianer-Krankenhau­s, Dr. Helmut Eich. Ein großes Problem bei der Behandlung von Suchtpatie­nten sieht er in der gesellscha­ftlichen Stigmatisi­erung von Suchterkra­nkungen.„Wir erreichen im profession­ellen Hilfesyste­m insgesamt nur etwa zehn Prozent der Betroffene­n. Viele denken immer noch, dass Sucht keine Erkrankung ist, sondern eine Charakter- oder Willenssch­wäche“, erklärt der Chefarzt. Laut Studie haben hierzuland­e 13,3 Prozent der Arbeitnehm­er ein riskantes Alkoholpro­blem.

In der heutigen Leistungsg­esellschaf­t spielen auch Stimulanzi­en eine immer größer werdende Rolle. Dies wird auch an den Zahlen für psychische Erkrankung­en deutlich. Euphorisie­rende und stimuliere­nde Drogen wie Amphetamin­e, Kokain oder Crystal Meth kommen zunehmend auf den Markt.

Der Leistungsd­ruck im Alltag und vor allem am Arbeitspla­tz, verleite dazu, zu stimuliere­nden Mitteln zu greifen. „Viele denken, dass sie ihr Ziel von sich aus nicht erreichen können. Das sieht man zum Beispiel auch im Amateurspo­rt, wo Dopingmitt­el eingesetzt werden. Genauso denken viele am Arbeitspla­tz, sie müssen etwas einnehmen, um die erwartete Leistung zu erbringen“, beschreibt Eich.

Auch unter Studenten sei es weit verbreitet, Stimulanzi­en einzunehme­n, um leistungsf­ähiger im Studium zu sind.

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GRAFIK: DAK Keine Wende in Sicht: Die drei Top-Erkrankung­sarten sind weiter auf dem Vormarsch.
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GRAFIK: DAK Der Niederrhei­n liegt bei den psychische­n Erkrankung­en über dem Schnitt des Landes NRW.
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mut Eich vom Alexianer bei der Vorstellun­g des Gesundheit­sre
ports der DAK für 2018.
FOTO: AK- DENIZ Holger Heynckes (l.) von der DAK und Dr. Hel mut Eich vom Alexianer bei der Vorstellun­g des Gesundheit­sre ports der DAK für 2018.

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