Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Dame mit dem Goldhelm wird 90
Prof. Renate Pirling leitete von 1961 bis 1994 das Museum Burg Linn. Die Archäologin betreute die große Zeit der Ausgrabungen in Gellep. 1962 entdeckte sie den Helm des Fürsten Arpvar.
Am 24. August feiert Renate Pirling in ihrer Heimatstadt Nürtingen ihren 90. Geburtstag – die Archäologin leitete das Museum Burg Linn von 1961 bis 1994. Für ihreVerdienste um die historische Wissenschaft erhielt sie 1995 den Professorentitel.
Schon kurz nach Amtsantritt in Linn gelang ihr im Jahre 1962 ein einmaliger Fund: Renate Pirling fand den Helm und das Schwert des fränkischen Fürsten Arpvar. Er war ein stolzer und kühner Mann, und das schlug sich nieder in den Beigaben seiner letzten Ruhestätte: Aus Gold war der Helm des fränkischen Feldherrn, rote Granatsteine, Almandine genannt, schmückten das Zaumzeug seines Pferdes.
Goldhelm und Schwert aus dem Grab Nummer 1782 sind im Museum Burg Linn ausgestellt, zusammen mit allen anderen Funden. Auf einer Bronzekanne steht über den bestatteten Fürsten geschrieben: „Arpvar war glücklich und überall hoch angesehen“. Renate Pirling sagt: „Es war einer der reichsten Grabfunde aus jener Zeit, und wir haben hier einen der höchsten Adeligen des fränkischen Reichs gefunden.“
Doch nicht nur des Merowingers Grabbeigaben waren spektakulär. Auch das Auffinden seiner Grabstätte war ein besonderes Ereignis für die junge Archäologin und die Geschichtswissenschaft überhaupt. Renate Pirling war erst seit kurzer Zeit mit den Grabungen auf dem einzigen nordalpinen ununterbrochen belegten Gräberfeld der Antike befasst, als im Spätsommer 1962 eigentlich der Abschluss einer Grabung bevorstand. Mit mehreren Studenten war sie unterwegs, und ihr Vorgänger im Amt, Albert Steeger (1885 – 1958), hatte den Bereich als unergiebig eingestuft. Pirling und ihre Studenten bewiesen das Gegenteil.
Renate Pirling war nach Steegers Tod (1958) in die Stadt Krefeld zurückgekommen; man übertrug ihr die selbstständige Bearbeitung der in vieler Hinsicht bedeutenden Funde und auch deren Publikation. Die Stelle des Museumsleiters war neu ausgeschrieben worden, aber die junge Archäologin hatte sich zunächst nicht beworben.„Ich rechnete mir keine Chancen aus“, sagt sie, „denn ich hatte viele Fehler. Ich war eine Frau, noch sehr jung, aus Süddeutschland und nicht katholisch.“
Und doch wurde Renate Pirling nach einem langwierigen Prozess im Februar 1961 zur Leiterin des Museums bestimmt und fand dann im folgenden Jahr das Fürstengrab. Sie blieb fast 40 Jahre in Linn.
Schon während ihrer ersten sechswöchigen Grabung 1959 war Renate Pirling mit ihren Studenten sehr erfolgreich gewesen. Sie fanden 50 fränkische und römische Gräber, darunter einige reich ausgestattete. Eine gläserne Schale mit dem Bacchus aus einem spätrömischen Grab ist eines der schönsten und kostbarsten Stücke der Gläser-Sammlung im Museum Burg Linn. Die Liste der Publikationen von Renate Pirling zum fränkisch-römischen Gräberfeld in Gellep ist lang – mehr als 6500 Gräber wurden inzwischen gefunden. In acht Bänden dokumentiert Renate Pirling, zuletzt zusammen mit Margareta Siepen, die Gräberfunde aus der römischen und fränkischen Zeit und blättert damit hunderte Jahre Geschichte am Niederrhein auf.
Zum 90. Geburtstag von Renate Pirling ist Christoph Reichmann, ihr inzwischen pensionierter Nachfolger im Musum Burg Linn, zusammen mit seiner Frau und ein paar Linner Freunden nach Nürtingen gefahren.