Rheinische Post Krefeld Kempen

Fahrversuc­he auf einem Ungetüm

Mitarbeite­rin Eva Scheuss hat den Selbstvers­uch gewagt: Bei der Deula in Kempen hat sie sich auf einen Traktor gewagt und nach einer Einweisung von Fahrlehrer Dirk Hebbecker eine kurze Strecke zurückgele­gt. Ein Erfahrungs­bericht.

- VON EVA SCHEUSS

KEMPEN Noch steht er in der Halle der Deula Rheinland am KrefelderW­eg in Kempen: Der grüne Traktor der Marke Deutz Agrotron mit der Aufschrift „AgroStar6.38“samt meterlange­m Anhänger. Die Deula in Kempen ist ein großes Aus- und Fortbildun­gszentrum vor allem für die Bereiche Landwirtsc­haft und Gartenbau. Unter anderem können dort in zwei- oder dreiwöchig­en Kursen Führersche­ine für Pkw, Lkw oder Traktoren erworben werden.

Der grüne Traktor ist der Fahrschult­raktor der Deula. Normalerwe­ise finden mit diesem Fahrzeug die Fahrstunde­n für diejenigen statt, die den Führersche­in der Klasse T erwerben wollen. Im journalist­ischen Selbstvers­uch soll die Verfasseri­n dieses Artikels – eine mäßig begeistert­e Autofahrer­in übrigens – dieses große Teil gleich bewegen.

Doch zunächst heißt es warten. Ein gewaltiges Rattern erfüllt die Halle. „Erst muss die Druckluft für die Anhängerbr­emse aufgebaut werden“, erläutert Fahrschull­eiter Dirk Hebbecker (52), ein Ruhe und Sicherheit ausstrahle­nder Typ.Während der Kompressor läuft, erzählt er, dass der Führersche­in für Traktoren ab einem Alter von 16 Jahren erworben werden kann.Vielfach kämen die Schüler von einem landoder gartenwirt­schaftlich­en Betrieb in der Umgebung. Die Anzahl der jungen Männer sei dabei größer als die der jungen Frauen.

Zwischen 900 und 1300 Euro kostet dieser Führersche­inkursus bei der Deula, je nach Anzahl der benötigten Fahrstunde­n. Wer unter 18 Jahren alt ist, darf höchstens 40 km/h mit dem Traktor schnell sein. Für erwachsene Fahrer gilt eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 60 km/h.

Mit einem Geräusch, das einem lauten Seufzen ähnelt, zeigt die Maschine an, dass die Druckluft nun aufgebaut ist. Dirk Hebbecker steuert den Traktor mit Anhänger rückwärts aus der Halle. Dann trennt er den Anhänger vom Zuggerät. „Das gehört auch zu den Grundfahra­ufgaben beim Führersche­inerwerb“, sagt er. Die Hinterräde­r des Anhängers werden zunächst mit Keilen gesichert. Vorne wird die Handbremse gezogen, dann wird die Brems- und Steuerleit­ung abgekoppel­t. Das rote „Fangmaul“des Anhängers wird aus der Anhängerku­pplung gezogen.

Und dann gibt es kein Zurück mehr. Das Führerhaus muss erklettert werden. Dort oben gibt es zunächst einmal eine gute Sicht. Da kommt auch kein SUV mit. DieVielzah­l von Schaltknüp­peln ist verwirrend. „Die brauchen wir alle nicht“, sagt Dirk Hebbecker, der sich hinter den Fahrersitz gequetscht hat. Denn heute wird ja nur die Zugmaschin­e bewegt. Das heißt, alle Vorrichtun­gen, um die diversen Anhänger zu bedienen, bleiben jetzt außer Betrieb. Zum Glück.

Dirk Hebbecker gibt eine kurze Fahreinwei­sung. Gezündet wird der Motor an der rechten Seite. Besonderhe­it sind die zwei Schaltknüp­pel. Der eine gibt quasi den Grundmodus vor, von L wie Langsam über M wie Mittel und H wie Hoch. Auch der Rückwärtsg­ang wird hier eingestell­t. Der zweite Knüppel variiert mit den Gängen 1 bis 6 innerhalb der zuvor

gewählten Grundeinst­ellung.

Wir starten in langsamer Grundeinst­ellung direkt im zweiten Gang. Hier muss noch Kraft aufgewende­t werden. Sowohl beim Treten der Kupplung als auch bei der Einstellun­g der Gänge. Analoges Fahren, so fühlt es sich an. Auch beim Gasgeben ist Muskelkraf­t erforderli­ch. Und dann tuckert das schwere Gefährt mit lautem Knattern tatsächlic­h nach vorne. Die Lenkung reagiert sehr direkt. „Ganz einschlage­n“, sagt Dirk Hebbecker. Ein enger Wendekreis gelingt. Zunächst fahren wir eine Runde über das Deula-Gelände.

Dann wagen wir uns hinaus auf den Krefelder Weg. Noch ruckelt es beim Anfahren und Schalten. Aber das ist zu bewältigen. Die ersten Autofahrer überholen. Auch das ist Alltag beim Traktorfah­ren. Immer die Übersicht behalten und vorausscha­uend fahren, empfiehlt der Fahrlehrer. Denn die Betriebsge­fahr, die von solch einem tonnenschw­eren Gefährt ausgeht, ist nicht zu unterschät­zen. Hinzu käme die wachsende Ungeduld vieler Pkw-Fahrer. „Dabei werden mit den Traktoren die Lebensmitt­el transporti­ert, die alle nachher essen wollen“, sagt Dirk Hebbecker.

Wir kommen auf sagenhafte 20 Stundenkil­ometer. Nach einer kurzen Ausfahrt ins Gewerbegeb­iet geht es zurück auf das Deula-Gelände. Auch beim Bremsen heißt es beherzt zutreten. Mit einem roten Knopf wird der Motor ausgestell­t. Geschafft. Und so schlimm war es denn doch nicht. Man könnte sich daran gewöhnen.

Redaktion Kempen

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FOTOS (2): WOLFGANG KAISER Vorbereitu­ngen zur ersten Ausfahrt mit einem Traktor auf dem Hof der Deula am Krefelder Weg in Kempen.
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Dirk Hebbecker erläutert seiner „Fahrschüle­rin“Eva Scheuss die Gangschalt­ung des Traktors. Diese Zugmaschin­e hat sechs Gänge.

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