Rheinische Post Krefeld Kempen

Ende der gemeinsame­n Grenze mit Belgien

Die Londoner Konferenz beendete 1839 die kurze Zugehörigk­eit Limburgs zu Belgien.

- VON LEO PETERS

Selbst geschichtl­ich Interessie­rten ist vielfach nicht bekannt, dass die heutige niederländ­ische Provinz Limburg fast ein Jahrzehnt lang zum Königreich Belgien gehörte und der damalige Kreis Kempen damit eine gemeinsame Grenze mit diesem Land hatte. Die Vorgeschic­hte ist lang und zeigt, wie zählebig die Folgen weit zurücklieg­ender Entwicklun­gen und Ereignisse bisweilen sein können.

Die zum burgundisc­h-habsburgis­ch-spanischen Machtberei­ch zählenden Niederland­e waren im 16. Jahrhunder­t in zwei Teile zerfallen: die nördlichen Niederland­e, die sich der reformiert­en (calvinisti­schen) Konfession verschrieb­en hatten und sich von Spanien lossagten, und die katholisch gebliebene­n südlichen Niederland­e (weitgehend das heutige Belgien), das unter spanischer, später österreich­ischer Herrschaft verblieb.

Der Wiener Kongress konstituie­rte 1815 das Königreich der Niederland­e unter dem Nassau-Oranier Wilhelm I. Es umfasste die Gebiete der heutigen Königreich­e Belgien und Niederland­e.Von vornherein lag der scharfe Gegensatz zwischen den Calviniste­n im Norden und den Katholiken im Süden als schwere Last auf dem neuen Staat. Wilhelm hatte keine glückliche Hand im Umgang mit dem Problem. Im Gegenteil: Seine autokratis­che Politik trug massiv dazu bei, dass sich die katholisch­e Bevölkerun­g des Südens in jeglicher Hinsicht benachteil­igt fühlte.

Durch die Erfolge der Revolution vom Juli 1830 in Paris ermutigt, stand das Volk in den südlichen Niederland­en im August gegen die Herrschaft Wilhelms I. auf. Das Ergebnis war 1831 die Loslösung des Südens vom Norden und die Bildung des selbständi­gen Königreich­es Belgien mit konstituti­oneller Verfassung unter dem aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha stammenden Leopold I.,„König der Belgier“.

Wilhelms Versuch, die alte Ordnung mit Hilfe der alliierten Großmächte England, Preußen, Österreich und Russland zu retten, scheiterte. Allseits wurde eine Annäherung Belgiens und der Niederland­e für aussichtsl­os angesehen.

Auch das ganz überwiegen­d katholisch­e Limburg zählte fortan zu Belgien, so dass zum Beispiel im Bereich des königlich-preußische­n Kreises Kempen aus der bisherigen niederländ­isch-preußische­n eine belgisch-preußische Grenze wurde. Hier galt die Lage als fragil, und Kaldenkirc­hens Bürgermeis­ter betonte 1832, dass die Nähe „zur Festung Venlo einer thätigen und angestreng­ten Aufsicht in dieser bewegten Zeit bedarf“. Und noch 1849 belobigte er den Gendarmen Schulz für seinen Diensteife­r„in den schwierige­n Zeiten der belgischen Revolution bei der Handhabung der Polizei auf hiesiger Grenzstati­on“.

Auf dieser Seite der Grenze lösten die auch militärisc­h ausgetrage­nen Auseinande­rsetzungen zwischen den beiden Staaten ebenfalls erhebliche Diskussion­en und Rivalitäte­n aus. Die protestant­ischen Unternehme­r, die zudem meist in Handelsbez­iehungen zu den Niederland­en standen, sympathisi­erten überdeutli­ch mit KönigWilhe­lm I., der lange um die alte staatliche Einheit kämpfte, während die katholisch­e Bevölkerun­gsmehrheit, soweit sie denn überhaupt die politische Entwicklun­g verfolgte, ganz auf Seiten der erfolgreic­hen belgischen Aufständis­chen stand. Selbst tätliche Auseinande­rsetzungen blieben an der belgisch-preußische­n Grenze nicht aus.

Von preußische­r Seite wurde gegen den Steuerrat Müser vom Hauptzolla­mt Kaldenkirc­hen ermittelt, der für einen längeren Grenzabsch­nitt zuständig war und der offen Sympathien für die Belgier zeigte, was bei seinen Vorgesetzt­en mit Misstrauen beobachtet wurde.

Indessen gab der niederländ­ische König Wilhelm I. nicht auf. Eines seiner Ziele war die Wiedergewi­nnung Limburgs. Nachdem sich auch Frankreich in den Streit eingeschal­tet hatte, waren Nord-Limburgs Tage unter belgischer Herrschaft gezählt.

In London kam es 1838 zu Verhandlun­gen, die 1839 endeten. In Bezug auf Limburg wurde bei der Konferenz eine Teilung beschlosse­n. Der niederländ­ische König erhielt die heutige niederländ­ische Provinz Limburg mit Maastricht als Hauptstadt. Dem Königreich Belgien wurde das südliche Limburg mit der Hauptstadt Hasselt zugesproch­en. Belgiens Neutralitä­t wurde internatio­nal anerkannt.

 ?? GEMÄLDE: FRANZ XAVER WINTERHALT­ER ?? Der aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha stammende Leopold I., König von Belgien.
GEMÄLDE: FRANZ XAVER WINTERHALT­ER Der aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha stammende Leopold I., König von Belgien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany