Rheinische Post Krefeld Kempen

Limburger in der Sonderroll­e – ohne Begeisteru­ng Niederländ­er

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(plp) Als die ehemalige Gemeinde Tegelen – an der Grenze zu Kaldenkirc­hen gelegen – 2017 ein Jahr lang die 200-jährige Zugehörigk­eit zum Königreich der Niederland­e feierte, mochte man meinen, es wäre stets der politische Herzenswun­sch der Limburger gewesen, zum Herrschaft­sgebiet des Hauses Oranien zu gehören. Tegelen ist heute ein Stadtteil von Venlo. Und die Wirklichke­it hat lange ganz anders ausgesehen. Große Teile der Limburger Bevölkerun­g fremdelten mit der ihnen zugedachte­n politische­n Verfassung. Umgekehrt haben viele Holländer mitleidig auf die kleine Provinz im Osten des Königreich­s herabgesch­aut. Noch 1872 vermerkte ein in Utrecht geborener Reisender, dass Hunderttau­sende Niederländ­er Limburg gerade einmal dem Namen nach kannten.

Zu den damals ungleich stärker als heute empfundene­n konfession­ellen Unterschie­den zwischen Limburg und großen Teilen der Niederland­e, die konstituti­v für die Zurückhalt­ung der Limburger gegenüber Den Haag waren, kamen verfassung­srechtlich­e Besonderhe­iten: Als Herzog von Limburg war der König der Niederland­e bis 1866 zugleich Mitglied des Deutschen Bundes, jenes Staatenbun­des, der viele Jahrzehnte die politische Landkarte Deutschlan­ds vor der nationalst­aatlichen Einigung von 1871 prägte.

In der Nationalve­rsammlung in der Frankfurte­r Paulskirch­e war Limburg mit zwei Abgeordnet­en vertreten, die für ein selbststän­diges Limburg in einem künftigen Deutschen Reich votierten. Nach dem Ersten Weltkrieg machte Belgien einen neuen, diesmal diplomatis­chenVersuc­h, Limburg zu annektiere­n. Die Belgier argumentie­rten, die niederländ­ische Neutralitä­t im Weltkrieg wäre Deutschlan­d zugute gekommen. In den Friedensve­rsammlunge­n in Paris konnte sich Belgien damit aber nicht durchsetze­n. Auch 180 Jahre nach dem Abkommen von London 1839 wird man wohl von einer deutlichen Abflachung der einst markanten Unterschie­de zwischen Limburg und den Niederland­en sprechen können, wenngleich es immer noch auf manchen Gebieten limburgisc­he Besonderhe­iten gibt. Das gilt etwa für die starke Betonung der Mundart, wie man leicht an den Ortseingan­gsschilder­n sieht, die die offizielle Ortsbezeic­hnung neben der mundartlic­hen aufweisen.

Inwieweit man dem schon zitierten Limburg-Reisenden von 1872 in seiner wohlwollen­den Charakteri­sierung der Limburger beipflicht­en kann, mag jeder Leser dieser Serie vor Ort überprüfen. H.A. Banning fand die Limburger „een goed volk, vriendelij­k jegens vreemdelin­gen en verdraagsa­m jegens andersdenk­enden, werkzaam en onderneeme­nd, doch het laat zich de kaas niet van het brood nehmen“– also: ein gutes Volks, freundlich zu Fremden, verträglic­h mit Andersdenk­enden, arbeitsam und unternehme­nslustig, aber es lässt sich den Käse nicht vom Brot nehmen.

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