Rheinische Post Krefeld Kempen

Fast jede zweite neue Lehrerstel­le unbesetzt

Zum Schulstart kommende Woche fehlen in NRW 6000 Pädagogen. 818 Pensionäre sollen mithelfen, die Personallü­cke zu stopfen.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Für 2,5 Millionen Schüler in NRW gehen die Sommerferi­en zu Ende. Mittwoch beginnt der Schulallta­g – 139.000 Fünftkläss­lern steht erstmals wieder eine neunjährig­e Gymnasialz­eit bevor. Die Landesregi­erung habe die Abkehr vom Turbo-Abi „zügig umgesetzt“, sagte NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag und kündigte weitere Neuerungen an.

So soll das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Handicap (Inklusion) künftig an ausgewählt­en Schulen gebündelt werden. Die rund 6800 neuen Schüler mit besonderem Förderbeda­rf sollen sich auf die Eingangskl­assen von nur knapp 800 weiterführ­enden Schulen verteilen – das ist knapp die Hälfte aller weiterführ­enden Schulen in NRW.

Anders als die rot-grüne Vorgängerr­egierung, die über die Schließung fast sämtlicher Förderschu­len den inklusiven Unterricht an allen Schulen erzwingen wollte, plant Gebauer nach eigenenWor­ten „ein gut erreichbar­es Netz an Förderschu­len“als zusätzlich­es Angebot. Die Eltern sollen Wahlfreihe­it haben. Im vergangene­n Schuljahr wurden über 63.000 Kinder mit Förderbeda­rf an Regelschul­en unterricht­et und fast 81.000 an Förderschu­len.

Schwer zu schaffen macht der Schulminis­terin der Lehrermang­el. Von den zuletzt ausgeschri­ebenen rund 10.000 Stellen konnten nur 58 Prozent besetzt werden – eine schlechter­e Quote als im Vorjahr, als der Wert noch bei 61 Prozent lag. Insgesamt seien aktuell knapp 96 Prozent der rechnerisc­hen 162.175 Vollzeitst­ellen an den Schulen des Landes besetzt – über alle Schulforme­n hinweg fehlen also gut 6000 Lehrer in NRW.

Das Land steuert langfristi­g mit zusätzlich­en Studienplä­tzen gegen. 339 zusätzlich­e Plätze für das Grundschul­lehramt und 250 für Sonderpäda­gogik kamen zum vergangene­n Winterseme­ster hinzu. Kurzfristi­g sollen 818 eigentlich schon pensionier­te Lehrkräfte das Problem entschärfe­n. Zudem öffnet NRW das Lehramt weiterhin für Seiteneins­teiger.

Aus dem Digitalpak­t des Bundes fließen in den kommenden fünf Jahren 1,5 Milliarden Euro nach NRW – im Schnitt also knapp 200.000 Euro pro Schule. Das Geld soll zum Beispiel in schnelle Internetve­rbindungen, Laptops, Tablets oder interaktiv­e Schultafel­n fließen. Die Schulträge­r können ihre Anträge ab Mitte September bei den Bezirksreg­ierungen einreichen.

Der Abruf der Fördermitt­el aus dem milliarden­schweren Programm „Gute Schule 2020“, das schon die Vorgängerr­egierung gegen den schlechten Zustand der Schulgebäu­de aufgelegt hatte, läuft schleppend. Von den bis 2020 zugesagten zwei Milliarden Euro wurde bislang nicht einmal die Hälfte abgerufen. Wesentlich­es Problem sind mangelnde Planungska­pazitäten und die übervollen Auftragsbü­cher der Handwerker.

Die Lehrervert­retung VBE wirft Gebauer eine zu starke Konzentrat­ion auf Gymnasien vor. NRW-Landeschef Stefan Behlau sagte: „Die Grundschul­en warten zum Beispiel noch immer auf den bereits lange angekündig­ten Masterplan. Die Gewerkscha­ft GEW kritisiert­e fehlende Anstrengun­gen von Gebauer, das Gehaltsgef­älle zwischen Gymnasial- und Grundschul­lehrern auszugleic­hen.

Die SPD im Landtag bezeichnet Gebauers Inklusions­strategie als „Mogelpacku­ng“, weil nicht genug Sonderpäda­gogen für die Umsetzung bereit stünden. Die Grünen werfen ihr Einfallslo­sigkeit bei der Digitalisi­erung der Schulen vor, weil sie lediglich Bundesmitt­el verteile.

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