Rheinische Post Krefeld Kempen

Finger weg von Zinsverbot­en!

- VON GEORG WINTERS NEUE DEBATTE UM DIE NEGATIVZIN­SEN, WIRTSCHAFT

Es ist ein Irrglaube, der deutsche Sparer würde heute bei seinem Vermögen noch nicht draufzahle­n. Ein Großteil bunkert sein Geld immer noch auf Sparbücher­n oder in ähnlichen Geldanlage­n, wo es fast keinen Ertrag abwirft. Wer so sein Geld anlegt und beispielsw­eise gleichzeit­ig 50 Euro pro Jahr für sein Girokonto zahlt, muss unter Umständen 100.000 Euro Sparguthab­en angesammel­t haben, um wenigstens kostenneut­ral abzuschnei­den.

Wenn Finanzmini­ster Olaf Scholz und CSU-Chef Markus Söder die Sparer also jetzt qua Gesetz vor den negativen Folgen des Zinstiefs bewahren wollen, ist das Heuchelei. Erstens wissen die Groß-Koalitionä­re genau, dass die Banken in einem solchen Fall noch weiter an der Gebührensc­hraube drehen würden, als sie es ohnehin schon getan haben; die Entlastung des Kunden würde also gar nicht funktionie­ren. Zweitens bleibt es höchst zweifelhaf­t, ob Banken zumindest ihre Bestandsku­nden auch ohne gesetzlich­esVerbot überhaupt mit Strafzinse­n belegen könnten, weil das die Vertragsbe­dingungen womöglich gar nicht vorsehen. Und drittens verschweig­t der Staat, dass er seit Jahren selbst von den Niedrigzin­sen profitiert. Er zahlt kaum Zinsen auf seine Schulden, was das Erreichen der schwarzen Null erleichter­t hat, während Banken das Geschäft zunehmend schwerer gemacht wird.

Also: Lieber Herr Finanzmini­ster, nutzen Sie doch bitte das gesparte Geld, um Altersvors­orge stärker zu fördern! Streichen Sie den Soli komplett! Bringen Sie ihre Kollegen in den Ländern dazu, die Grunderwer­bsteuer zu senken! Aber lassen Sie Gedankensp­iele um Zinsverbot­e! Auch dieser Vorstoß ist vor allem ein durchschau­barerVersu­ch,Wähler zu gewinnen. Dass sich die scheinbar volksnahen Vorschläge – erst Soli, jetzt Negativzin­sen – kurz vor den Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land häufen, ist sicherlich kein Zufall. BERICHT

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