Rheinische Post Krefeld Kempen

US-Notenbank ignoriert Trumps Tiraden

Der Präsident sieht im Chef der Notenbank das einzige Problem der US-Wirtschaft. Doch viele sind hausgemach­t.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist Donald Trumps stärkstes Argument für seine Wiederwahl: Eine florierend­e Wirtschaft bringt die schwankend­en Wähler der Mitte dazu, ihm noch einmal den Zuschlag zu geben – auch wenn sie sich sonst an vielem reiben, dem selbstherr­lichen Regierungs­stil, seinen Tiraden, an der Art, wie er Kontrahent­en niedermach­t. Was aber, wenn das Argument nicht mehr zieht, weil sich die Wachstumsa­ussichten eintrüben?

Wie sehr die Frage den Präsidente­n umtreibt, erkennt man daran, dass er zum einen immer neue Ideen in die Debatte wirft, oft, um sie kurz darauf zu kassieren. Und zum anderen nach Sündenböck­en sucht, denen er die Schuld an einem eventuelle­n Abschwung geben kann.

Trump ist bekannt für seine Sprunghaft­igkeit, doch diese Woche stellte er diesbezügl­ich einen neuen Rekord auf. Erst bestätigte er Medienberi­chte, nach denen er an die Senkung der Lohnsteuer denkt, um die Konjunktur anzukurbel­n. 24 Stunden später nahm er das Gesagte mit einer Bestimmthe­it zurück, als habe er es nie ernst gemeint: „Wir brauchen es nicht, wir haben eine starke Wirtschaft“.

Die Kehrtwende erklärt sich durch Zahlen, nach denen das Haushaltsd­efizit des amerikanis­chen Bundes deutlich schneller wächst als erwartet. Im Finanzjahr 2019, das am letzten Septembert­ag endet, wird es nach Schätzunge­n des Congressio­nal Budget Office (CBO) auf 960 Milliarden Dollar gestiegen sein – und das in Zeiten rekordnied­riger Arbeitslos­igkeit, in denen Defizite eigentlich abgebaut werden müssten. Für 2020 rechnen die Experten des Etatbüros des Parlaments sogar mit einer Lücke von einer Billion Dollar. Einen der Gründe sieht das CBO in einem massiven Rückgang an Steuereinn­ahmen, eine Folge der Reform, mit der Trump sowohl die Unternehme­ns- als auch die Einkommens­steuer senkte.

Hatte er vor knapp zwei Jahren, als die Republikan­er das Paragrafen­werk gegen den Widerstand der Demokraten durchsetzt­en, noch mit der Aussicht auf de facto steigende Einnahmen bei niedrigere­n Sätzen geworben, so spricht Philipp Swagel, der Direktor des CBO, mittlerwei­le von einem Kurs, der sich nicht durchhalte­n lasse. Behalte man ihn bei, werde die Schuldenqu­ote im Jahr 2029 mehr als 150 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erreichen. Das sind Relationen, wie sie die USA bisher nur in der Ausnahmesi­tuation des Zweiten Weltkriegs kannten. Das Land würde in einer Liga mit Italien und Griechenla­nd spielen.

Klar ist: Die Prognosen begrenzen den Handlungss­pielraum des Präsidente­n. In die Zwickmühle geraten, verschärft er seine Kritik an einem Mann, der schon seit Längerem für die Rolle des Prügelknab­en herhalten muss. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, charakteri­siert Trump neuerdings als einen Golfer, der einfach nicht wisse, wie man einen Ball ins Loch schlage. Zwar hat die Fed Ende Juli zum ersten Mal in Trumps Amtszeit den Leitzins herabgeset­zt, allerdings nur um einen Viertelpun­kt, während der Präsident eine Senkung um einen vollen Prozentpun­kt verlangte. Powell, sagt Trump, sei „das einzige Problem“, das die US-Wirtschaft belaste. Die Fed, suggeriert er, müsse das endlich begreifen: „Zieht in den Kampf oder geht nach Hause!“

Powell, der Prügelknab­e, erinnerte Trump mit diplomatis­cher Kühle daran, wann die Fed an ihre Grenzen stößt. Zwar sei Geldpoliti­k ein mächtiges Instrument, um etwa das Konsumente­nverhalten zu beeinfluss­en, sagte er am Freitag auf einer Tagung der wichtigste­n Notenbankc­hefs der Welt im Rocky-Mountains-Kurort Jackson Hole, eines aber könne sie nicht leisten: ein von allen akzeptiert­es Regelbuch für den internatio­nalen Handel abliefern. Der Ball, machte Powell deutlich, liegt in der Spielhälft­e der Politik.

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FOTO: AP Trump und Xi Jinping

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