Rheinische Post Krefeld Kempen

Nehmen und Geben in der Politik

Bauern sollen Geld aus Fleischste­uern erhalten, Geringverd­iener aus einer CO2-Abgabe. So entsteht keine Transparen­z bei den Staatsfina­nzen.

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Manchmal scheint es so einfach, Probleme zu lösen. Wenn Fleisch aus Massentier­haltung als zu billig erscheint, braucht es nicht lange, bis ein Politiker eine höhere Fleischste­uer fordert und das Geld daraus für den Bau artgerecht­er Ställe nutzen will.

Ähnlich ist es bei der CO2-Steuer. Weil sie womöglich ärmere Bürger benachteil­igt, sollen die Erlöse den Niedrigver­dienern zugute kommen. Auch beim gescheiter­ten CSU-Modell der Pkw-Maut sollten die deutschen Autofahrer in exakt gleicher Höhe von der Kraftfahrt­steuer entlastet werden.

Was auf den ersten Blick einsichtig wirkt, widerspric­ht einem rationalen Umgang mit staatliche­n Geldern. Denn einer der wichtigste­n Grundsätze der Finanzwiss­enschaft, der Lehre der Staatsfina­nzen, lautet, dass alle Einnahmen alle Ausgaben zahlen. Dahinter

MARTIN KESSLER steht die Idee, dass es keinen Vorrang bestimmter Staatsausg­aben vor den anderen gibt. Und zugleich soll der Bürger erfahren, wie viel Geld insgesamt in die Staatskass­en fließt.

Wer das eingenomme­ne Geld auf einzelne Töpfe verteilt, verschleie­rt, wie hoch die Gesamtbela­stung ist. Zugleich macht er die Einzelausg­aben vom Aufkommen der jeweiligen Steuer abhängig. Wenn Massentier­haltung gegen das Tierwohl verstößt, sind strengere Vorschrift­en nötig, nicht mehr Geld aus der höheren Mehrwertst­euer. Plant der Staat eine Offensive in der Infrastruk­tur, wird er womöglich von zu geringen Mauteinnah­men ausgebrems­t.

Das zeigt: In einer repräsenta­tiven Demokratie entscheide­t das Parlament über den Gesamthaus­halt. Einnahmen wie Ausgaben spiegeln den politische­n Willen wider. Das beliebte Nehmen und Geben bei Einzelproj­ekten hebelt diesen Grundsatz aus.

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