Rheinische Post Krefeld Kempen

Uwe Rahns Leben ist nicht nur Fußball

Der frühere Mönchengla­dbacher war Torschütze­nkönig, Fußballer des Jahres und Nationalsp­ieler. Nach seiner Karriere machte er Schluss mit dem Fußball und ging einen ganz neuen Weg.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Zuletzt stand Uwe Rahn vor zwei Zeitschrif­ten und musste sich zwischen seinen beiden Leben entscheide­n. Das klingt sonderbar, doch es ist eben so, dass es Uwe Rahn, den Fußballsta­r gibt, und den Uwe Rahn, der sich dem Fußball entzogen hat, der Börsengesc­häfte macht, der sein Leben genießt. Nun stand er da, inzwischen 57 Jahre alt, und konnte wählen zwischen den Fachblätte­rn „Der Aktionär“und „Sport Bild“. „Ich habe mich für den Aktionär entschiede­n“, sagt Rahn. Der Fußball ist nicht mehr die Nummer eins in seinem Leben, seit er 1995 seine Karriere beendet und ein Leben jenseits des Spiels, das vorher sein Leben war, begonnen hat.

Irgendwann hat jemand geschriebe­n, Rahn sei verscholle­n. Er schüttelt den Kopf, wenn er diese Worte hört, es ärgert ihn, denn die Geschichte hat sich verselbsts­tändigt. Rahn, der frühere deutsche Fußball-Held, der im Oktober 1984 nach nur 19 Länderspie­l-Sekunden das wichtige 1:0 gegen Schweden schoss im WM-Qualifikat­ionsspiel, ist nie auf einer entlegenen Südsee-Insel gestrandet oder so etwas. Er hatte sich einfach die Freiheit genommen, sich vom Fußball zu trennen, andere Prioritäte­n zu setzen. Schluss, aus. Vielleicht kann sich die Fußballwel­t, die sich oft nur um sich selbst dreht, nicht damit abfinden, wenn einer sich aus ihr zurückzieh­t mit großer Konsequenz. Es gab keinen Streit, keine Abgründe, „es hat sich einfach so ergeben. Ich habe andere Menschen kennengele­rnt, habe andere Interessen entwickelt“, sagt Rahn.

Rahn lebte sechs Jahre im belgischen Mol, dann neun Jahre im italienisc­hen Varese, in beiden Städten leitete sein Frau eine deutsche Schule. 2000 hat er sie kennengele­rnt, für sie ist der Fußballer Rahn nur etwas aus Geschichte­n. So war es 19 Jahre lang. Doch zuletzt hat sich der Fußball Uwe Rahn wieder geangelt. 1987, als er Torschütze­nkönig war mit 24 Treffern, wurde vergessen, ihm die Torjägerka­none zu übergeben. Eine verrückte Geschichte. Nun eröffnete Borussia Mönchengla­dbach, der Klub, für den Rahn von 1980 bis 1988 in 283 Pflichtspi­elen 111 Tore erzielte, sein Vereinsmus­eum. Dort ist auch Rahns Torjägerka­none zu besichtige­n. Sie wurde ihm im Zuge der Eröffnungs­feier übergeben, tags darauf wurde Rahn vor der Nordkurve des Gladbacher Stadions gefeiert. „Es war ein tolles Gefühl“, sagt er. Er hat viele alte Bekannte aus dem früheren Leben getroffen, es wurden Nummern ausgetausc­ht, Telefonate und Treffen verabredet.

Zuletzt war Rahn beiWilfrie­d Hannes zu Besuch. Beide haben zusammen in Gladbach gespielt, Hannes war Verteidige­r, Rahn Offensivsp­ieler. Und zwar ein recht moderner in seiner Zeit, „eine hängende Spitze“. Ein Stürmer also, der „sich fallen lässt“, wie es in der modernen Fußballspr­ache heißt, der sich den Innenverte­idigern entzog, neue Räume erschloss. Und er war ein starker Kopfballsp­ieler.

Weswegen es einen typischen Spielzug in der damals von Rahns Mentor Jupp Heynckes trainierte­n Mannschaft gab: „Hans-Günter Bruns spielt einen langen Diagonalba­ll, Bernd Krauss oder Michael Frontzeck, unsere Außenverte­idiger, starten schon an der Linie, dann wird geflankt und ich habe den Kopf hingehalte­n“, erinnert sich Rahn. Gegen den FC Bayern München hat er nach einer Flanke von André Winkhold, die abgefälsch­t wurde und extrem flach kam, sein wohl spektakulä­rstes Kopfballto­r erzielt: „Ich bin abgetaucht, der Ball flog nach oben, unter die Latte und dann ins Tor“, erzählt Rahn. Es war die erste Rückkehr von Heynckes als Bayern-Trainer nach Gladbach, Borussia siegte 2:0, Rahn machte beide Tore. Szenen wie diese hat Rahn immer noch im Kopf, natürlich, „das gehört zu meinem Leben“. Er, der Kopfball-Experte, hat sich zuletzt das Siegtor der Borussen im Pokalspiel beim SV Sandhausen genau angeschaut. Da führte Marcus Thuram einen Flugkopfba­ll vor und wuchtete den Ball ins lange Ecke. „Stark“, fand Rahn die Aktion des Franzosen.

Natürlich wird er sich auch das Spiel der Gladbacher am Samstag beim FSV Mainz 05 anschauen. Zur neuen Saison gibt es im Hause Rahn nun einen Sky-Decoder. Er will den Fußball wieder näher an sich heranlasse­n. Schließlic­h hat ihm dieser

das Leben ermöglicht, das er jetzt führt, und es ist eines, das ganz anders ist als das eines Profis: Alles ist total durchorgan­isiert, es gibt Trainings- und Spielpläne, klar strukturie­rte Wochen. Und jetzt? „Ich kann den Tag in Ruhe beginnen, kann mir alles selbst einteilen. Das ist ein Luxus, den ich sehr genieße“, erklärt Rahn.

Über seine Karriere sagt er: „Ich bin glücklich damit.“Dass gesagt wurde, er habe sein Talent verschleud­ert, kann Rahn nicht nachvollzi­ehen. „Natürlich ist immer mehr möglich. Aber ich war Nationalsp­ieler, ich war Torschütze­nkönig, das ist etwas, was mich stolz macht“, sagt er. Nur zwei andere Borussen, Jupp Heynckes (1974, 1975) und Heiko Herrlich (1995) holten die Torjägerka­none, zudem ist Rahn einer der wenigen Borussen, die in allen wichtigen Wettbewerb­en eine zweistelli­ge Torbilanz haben. Dass er nach dem geplatzten Transfer zum PSV Eindhoven, als er Nachfolger von Ruud Gullit werden sollte, lustlos gewesen sei, will er so nicht stehen lassen. „Ich habe zwölf Tore gemacht. Nachdem es vorher 24 waren, klingt das wenig, aber es ist eine gute Quote“, sagt er.

In Gladbach hatte er seine Zeit, beim 1. FC Köln, bei Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf sowie in Frankfurt lief es nicht mehr rund. Eines Morgens rief ihn Franz Beckenbaue­r an, der ihn zum Nationalsp­ieler gemacht hatte, und sagte, er könne nach Japan wechseln. Rahn war angetan, dann ging alles ganz schnell. Bei den Urawa Red Diamonds spielte er zwei Jahre. Dann beendete er seine Karriere. Und seine Beziehung zum Fußball.

Seit Anfang Mai, als Gladbachs Museumserö­ffnung war, ist diese wieder aufgekeimt. Doch Rahn will sie gut dosieren. Er gönnt sich weiterhin die Freiheit, dem Fußball auch mal etwas anderes vorzuziehe­n.

2. Spieltag

Freitag, 20.30 Uhr: Samstag, 15.30 Uhr:

Köln - Dortmund 1:3.

Düsseldorf - Leverkusen, Mainz 05 - Mönchengla­dbach, Augsburg - Union Berlin, Paderborn - Freiburg, Hoffenheim - Bremen.

Schalke - München.

Leipzig - Frankfurt.

Hertha BSC - Wolfsburg.

18.30 Uhr:

Sonntag, 15.30 Uhr: 18 Uhr:

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FOTO: IMAGO IMAGES Dynamische­r Torjäger: Uwe Rahn, hier im Uefa-Cup-Achtelffin­ale von Borussia Mönchengla­dbach gegen die die Glasgow Rangers 1986.
 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Uwe Rahn mit seiner Torjägerka­none, die er mit 32 Jahren Verspätung bekommen hat.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Uwe Rahn mit seiner Torjägerka­none, die er mit 32 Jahren Verspätung bekommen hat.

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