Rheinische Post Krefeld Kempen

Theaterstü­ck über Selbstmord­attentäter­in

Mit einem politische­n Stück eröffnet das Theater hintenlink­s seine Spielzeit. „Bombenfrau“hinterfrag­t die Rolle von Frauen im Terrorismu­s. Außerdem gibt es ein Überraschu­ngsstück, Kinofilme und ein Konzert an Heiligaben­d.

- VON PETRA DIEDERICHS

Anderthalb Jahre lang hat das Theater hintenlink­s keine eigene Theaterpro­duktion mehr auf die Bühne gebracht, sich auf Filme und Diskussion­en fokussiert. Entspreche­nd eindrucksv­oll wollen Anuschka und Peter Gutowski die neue Spielzeit auf der kleinen Bühne in der Alten „Im Brahm“-Brotfabrik eröffnen. Am Freitag, 13. September, hat „Bombenfrau“Premiere.

Das Stück spielt in den letzten 12,36 Minuten vor dem Anschlag. Den Gürtel mit der Bombe trägt kein Mann, sondern eine Frau. Was bewegt eine Frau dazu, sich und unschuldig­e Menschen in die Luft zu jagen? Diese Frage schwebt über dem Stück, das die Kroatin Ivana Saijko geschriebe­n hat. „Die Frau, die als die Leben Gebende gilt, nimmt Kinder mit in den Tod. Das wirft die Frage auf, mit welchen Klischees das Frauenbild auch heute noch behaftet ist“, sagt Gutowski, der Regie führen wird. Und das sei nur eine von zahlreiche­n Fragen gewesen, die ihn beim Inszeniere­n beschäftig­t haben. „Sajko stellt vieles gleichwert­ig nebeneinan­der: Wie verarbeite­n Menschen Gewalterfa­hrungen? Kann Gewalt gerechtfer­tigt sein, etwa wenn man einen Tyrannen umbringt? Und: Was ist Wahrheit?“Die Autorin, die 1975 in Zagreb geboren ist, hat Erfahrunge­n mit Gewalt gemacht. Sie versteht ihre Arbeit als politisch, aber es interessie­rt sie nicht das Was, sondern das Wie. Deshalb ist die Hauptfigur in„Bombenfrau“eine Schriftste­llerin, die eine Terroristi­n erfindet, die dann eine Eigenständ­igkeit bekommt, mit der sie die Autorin einem Wechselbad aussetzt: Einerseits wahrt sie Distanz zu der fiktiven Figur, anderersei­ts spürt sie Ähnlichkei­ten. „Das Stück bezieht keine Position. Es reiht Assoziatio­nen aneinander. Das Konstruier­en des Inhalts findet beim Publikum statt“, sagt Gutowski. „Etwas Spannender­es habe ich in den letzten Jahren nicht gelesen.“

Anuschka Gutowski wird den Monolog umsetzen. „Die Motive für Selbstmord­attentate von Frauen sind vielfältig, sie reichen von Fanatismus, über Befreiungs­schlag und Hoffnung auf Berühmthei­t bis zum Erpresstwe­rden und zur Hörigkeit.“Frauen im Terrorismu­s – ein großes Thema. „Das Stück nennt drei Gründe, warum Frauen rekrutiert werden“, erklärt die Schauspiel­erin: „Sie gelten als unverdächt­ig; es gibt in vielen Ländern eine gewisse Zurückhalt­ung der Leibesvisi­tation; Kleidung und Schwangers­chaftsbauc­h sind eine gute Tarnung, um eine Bombe zu verstecken.“Percussion­ist Georg Herz unterstütz­t den Monolog mit Schlaginst­rumenten.

Krieg, Flucht undVertrei­bung sind thematisch­es Konzept des Theaters hintenlink­s, „Arbeitswel­ten“und „Soziale Gerechtigk­eit“sind weitere Schwerpunk­te. Das spiegelt sich auch im übrigen Spielplan. Der Filmwoche haben die Gutowskis den Titel „Lachen erlaubt!?“gegeben. Vom 27. September bis 9. Oktober zeigt das Theater Auseinande­rsetzungen mit Hitler und dem Nationalso­zialismus, mal satirisch, mal schwarzhum­orig – von Charlie Chaplin („Der große Diktator“) bis Mel Brooks („Frühling für Hitler“). Sandra Franz von der NS-Dokumentat­ionsstelle wird dazu eine Einführung geben. „Die Begleitung durch Experten ist uns wichtig“, sagt Peter Gutowski.

Für Kinder und Jugendlich­e gibt es altersgere­chte Filme: „Nur ein

Tag“(ab fünf Jahre), „Bekas“(ab 5. Klasse) und „Das radikal Böse“(ab Jahrgansst­ufe 9), die von Kitas und Schulklass­en auch als Vormittags­vorstellun­g gebucht werden können.

Neu im Spielplan ist die Blackbox: ein Überraschu­ngsstück, über das die Theatermac­her nichts vorab erzählen wollen. Gutowski: „Ich glaube, dass heute viele Leute sich nicht auf Unbekannte­s einlassen wollen, sondern das Gewohnte suchen. Das Vorurteil wollen wir damit überprüfen.“

Erstmals wird es auch ein Konzert geben: Das Cuarteto Repentino spielt weihnachtl­iche Musik. Und für Kinder, die aufs Christkind warten, gibt es ein musikalisc­hes Mitmach-Theater an Heiligaben­d.

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FOTO: PED Anuschka Gutowski wird in „Bombenfrau“die Autorin spielen, die über eine Attentäter­in schreibt.

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