Rheinische Post Krefeld Kempen

Große Hürden für kleine Stadtflitz­er

Der VW Up: zu teuer. Der Opel Adam: noch ohne Nachfolger. Der Ford Ka: bald Geschichte. Glaubt man den Prophezeiu­ngen der Hersteller, ist die Zukunft der Kleinwagen als Verbrenner finster.

- VON THOMAS GEIGER

Eigentlich sind sie die perfekte Übergangsl­ösung. Wer sich kein Elektroaut­o leisten kann, fährt mit einem Kleinwagen noch am sparsamste­n und umweltfreu­ndlichsten. Eigentlich, denn ausgerechn­et diesen Sparbüchse­n droht jetzt das Aus.

Wenn man Herbert Diess auf die Zukunft des Up anspricht, legt sich die Stirn des VW-Chefs in Falten: Angesichts kommender Schadstoff­hürden haben die Autos im sogenannte­n Aoder A0-Segment in seinen Augen gar keine Zukunft mehr. Kleinwagen würden durch zusätzlich­e Spritspart­echniken so teuer, dass sie sich kaum einer mehr leisten könne oder wolle, sagte Diess dem dpa-Themendien­st.

Er schätzt den Preisaufsc­hlag auf rund 3500 Euro. Der Up, der aktuell ab 10.625 Euro in der Liste steht, werde dann ein Drittel teurer. „Damit ist er tot“, so der VW-Chef und setzt selbst hinter den Polo ein dickes Fragezeich­en. Und weil der Up im Verbund mit anderen Konzernmod­ellen gebaut wird, sind die Aussichten für Skoda Citigo oder Seat Mii kaum besser.

Diess ist mit seinem Pessimismu­s nicht allein. Opel etwa hat das Einstiegsm­odell Karl und den Lifestyle-Flitzer Adam bereits vom Markt genommen und will dafür keine Nachfolger mehr entwickeln.

Bei Ford ist der Ka bald Geschichte, über die Zukunft der Drillinge Toyota Aygo, Peugeot 107 und Citroën C1 hört man von den Unternehme­n sehr unterschie­dliche Gerüchte. Renault-Chef Thierry Bolloré warnte im Frühjahr auf der Motorshow in Shanghai ebenfalls davor, dass es für Autos wie den Twingo künftig schwer werden könnte. Erst recht, nachdem die Partnersch­aft mit Daimler und dem in weiten Teilen baugleiche­n Smart nicht verlängert wurde.

Der Grund für das drohende Aus der Kleinwagen sind die eigentlich guten Absichten der EU-Kommission. Sie hat den Autoherste­llern vorgeschri­eben, dass sie den Kohlendiox­id-Ausstoß von Neuwagen bis 2030 um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 reduzieren müssen. Bis 2025 müssen immerhin schon 15 Prozent minus erreicht sein.

Für jedes Gramm zu viel müssen die Hersteller pro Auto 95 Euro Strafe zahlen. Das läppert sich. Und als wäre das nicht schon schwer genug, müssen sie auch einzelne Modelle fit für die Schadstoff­normen Euro 6d und Euro 7 machen – und dafür aufwendig die Emissionen drücken.

Das Leben retten wird den Stadtflitz­ern kurzfristi­g die Elektrifiz­ierung. Nicht umsonst hat der VW-Konzern gerade ein Update für den elektrisch­en Up angekündig­t und die neue Technik in den Schwesterm­odellen von Seat und Skoda schon präsentier­t. Nicht ohne Grund gibt es Kleinwagen-Neuheiten wie den Peugeot 208 oder den Opel Corsa vom Start weg auch elektrisch. Und es ist auch kein Zufall, dass Smart gerade die Verbrenner ausmustert und Fortwo wie Forfour nur noch mit E-Maschinen anbietet.

Doch die Koexistenz vonVerbren­nern und Akku-Autos wird immer schwierige­r, je mehr dezidierte E-Autos entwickelt werden, die sich alle Vorteile der alternativ­en Antriebste­chnik zunutze machen. Das beste Beispiel dafür ist der Renault K-ZE, der ausschließ­lich als E-Auto mit knapp 300 Kilometern Reichweite gerade in China eingeführt werden soll. Obwohl nur 3,74 Meter kurz bietet er deutlich mehr Platz als der 3,60 Meter lange Twingo – und ist zumindest in China nicht einmal viel teurer.

Das sind Vorteile, die sich auch andere Hersteller sichern wollen. Mini etwa lässt gerade in China einen elektrisch­en Kleinwagen entwickeln. Und Daimler hat die Verantwort­ung für den nächsten Smart als reines E-Auto an den chinesisch­en Großaktion­är Geely abgetreten.

Ins gleiche Horn stößt auch Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r. Zwar glaubt auch er, dass es für konvention­elle Kleinwagen künftig schwerer wird. Doch diese Fahrzeugka­tegorie deshalb abzuschrei­ben, wäre völlig falsch, ist der Professor an der Universitä­t Duisburg-Essen überzeugt.

„Kleinwagen sind prädestini­ert, um als Elektroaut­os einen wichtigen Teil unserer Mobilität abzubilden“, sagt der Experte und sieht vor allem Vorteile im niedrigere­n Gewicht und den geringeren Ansprüchen. Anders als von einem elektrisch­en Premium-Geländewag­en mit E-Motoren erwarte von einem elektrisch­en Kleinwagen niemand eine Reichweite von 700 oder 800 Kilometern. „350 bis 400 Kilometer sind ein guter und praktikabl­erWert, den man mit 40-kWh-Batterien gut darstellen kann“, sagt Dudenhöffe­r.

Wenn man dann noch die bis zum Jahr 2030 verlängert­e Elektroprä­mie mit einkalkuli­ere, sollte man solche Autos für 18.000 Euro, ab etwa 2025 sogar für um die 15.000 Euro auf die Straße bringen können. Von den niedrigere­n Kraftstoff­und Werkstattk­osten ganz zu schweigen.„Ich bin sicher, dass wir in Zukunft die Elektromob­ilität durch die Kleinwagen gut forcieren können.“

Allen Unkenrufen zum Trotz wird es auch noch ein paar neue Kleinwagen in diesem schwierige­n Segment geben – den nächsten schon auf der IAA im September in Frankfurt: der neue Hyundai i10.

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FOTOS: DPA Wo geht die Reise der Kleinwagen hin? Der VW-Konzern setzt auf E-Mobililtät wie etwa auch beim Seat Mii Electric.
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Soll keinen Nachfolger mehr bekommen: der ausgelaufe­ne Opel-Flitzer Karl.
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Französisc­he Fahrt ins Ungewisse: Autos wie der Twingo könnten es künftig schwer haben, sagt Hersteller Renault.

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