Rheinische Post Krefeld Kempen
„Kinder haben im Hartz-IV-System nichts zu suchen“
Die Landtagsabgeordnete aus Brandenburg über die SPD, ihre eigenen Stärken und die große Koalition.
Eine SPD-interne Forsa-Umfrage sieht Sie und Herrn Scholz als Favoriten im Rennen um den SPD-Vorsitz. Sehen Sie das auch so?
GEYWITZ Ich habe mich über die Zahlen gefreut. Weiß aber nicht, wie belastbar sie sind. In den Regionalkonferenzen haben wir alle die Möglichkeit, für uns und unsere Anliegen zu werben.
Mit welchen Themen wollen Sie die Genossen inhaltlich überzeugen?
GEYWITZ Die große Herausforderung unserer Generation ist es, den Planeten für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren. Als Sozialdemokratie müssen wir Ökologie und die soziale Frage zusammenbringen und Deutschlands Wirtschaft mit diesem Ziel modernisieren. Wenn wir das gut anpacken, dann bleiben wir auch in den nächsten Jahrzehnten eine erfolgreiche Exportnation. Das zweite große Thema ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich stetig weiter auseinandergeht. Das ist ein Grund, warum viele Menschen trotz Rekordbeschäftigung und Lohnsteigerungen unzufrieden sind. Ich will daran arbeiten, diesen Trend zu stoppen und die Schere wieder zu schließen.
Würden Sie als SPD-Chefin den von der SPD nach der Bundestagswahl angeschobenen Erneuerungsprozess fortsetzen?
GEYWITZ Ja, als Vorstandsmitglied war ich ja schon eingebunden. Als Mutter von drei Kindern ist mir die Einführung einer Kindergrundsicherung besonders wichtig. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben im jetzigen Hartz-IV-System nichts zu suchen. Sie sind ja keine Arbeitssuchenden. Sie brauchen eine eigenständige Absicherung. Das ist ein Baustein, um Kinderarmut wirksam zu verhindern. Mit Blick auf die SPD müssen unsere Bürgermeister und Kommunalpolitiker wieder eine viel stärkere Stimme haben. Sie bringen die Probleme des Alltags unmittelbar auf den Tisch der Bundespolitik. Genau das brauchen wir.
Der SPD-Vorsitz gilt als einer der schwierigsten und härtesten Jobs, den die deutsche Politik zu vergeben hat. Warum tun Sie sich das an?
GEYWITZ Weil ich die SPD von ganzem Herzen mag. Die SPD wird gebraucht. Ihre Aufgabe ist es, das Bündnis der Starken mit den Schwachen im Land zu organisieren. Alle Menschen haben soziale Verantwortung. Leistungsträger sind alle, die morgens früh aufstehen, hart arbeiten, sich um ihre Kinder kümmern. Wir brauchen eine starke SPD, die dafür sorgt, dass die Löhne steigen und dass es gerecht zugeht. Das ist meine politische Haltung. Aber als Olaf Scholz mich gefragt hat, habe ich trotzdem erstmal geschluckt...
Wie lange haben Sie darüber nachgedacht?
GEYWITZ Das war ein relativ kurzer Prozess des Nachdenkens. Wichtig war für mich, dass ich Olaf Scholz als angenehmen, ruhigen und sehr verlässlichen Menschen in der Politik kennengelernt habe. Ich habe daran gedacht, dass ich in Brandenburg das Parité-Gesetz durchgesetzt habe, das künftig mehr Frauen in die Parlamente bringt. Dann habe ich mir gesagt:Wenn ich will, dass Frauen und Ostdeutsche Einfluss haben, sollte eine ostdeutsche Frau auch kandidieren.
Was können Sie besser als Herr Scholz?
GEYWITZ Olaf Scholz kann viele Dinge sehr gut erklären und ich kann die Sachen auf den Punkt bringen.
Herr Scholz hat ja schon gesagt, dass er sich die Kanzlerkandidatur
zutraut. Wie steht es bei Ihnen?
GEYWITZ Das nächste politische Ziel, das ich anstrebe, ist am Sonntag mein Mandat im Landtag Brandenburg wiederzugewinnen.
Stehen Sie dafür, dass die SPD in der Groko bleibt?
GEYWITZ Ich wundere mich, dass viele meinen, die Kombination aus Olaf Scholz und Klara Geywitz sei eine automatische Weiterführung der großen Koalition. Ich bin seit zehn Jahren Abgeordnete in einer rot-roten Koalition. Man kann die Probleme im Land nur lösen, wenn man regiert – das heißt aber nicht, dass wir zwangsläufig für die große Koalition stehen.