Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Einsamkeit der Agentin

Diane Kruger spielt die Hauptrolle in dem Thriller „Die Agentin“. Der Film zeigt die weibliche Perspektiv­e auf den Berufsstan­d.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Fernab von allem James-Bond-Glamour legt der israelisch­e Regisseur Yuval Adler seinen Spionageth­riller „Die Agentin“an. Kein omnipotent­er Alleskönne­r im Smoking mit einem handgerühr­ten Wodka-Martini in der Hand steht im Zentrum des Filmes, sondern eine Frau, die eher zufällig im Geheimdien­stmilieu landet.

Mal hier, mal dort hat Rachel (Diane Kruger) gelebt, bevor sie in Israel – dem Heimatland ihrer früh verstorben­en Mutter – Fuß fasste.

Wilde Action und illustren Jet-Set gibt es nicht. Es geht um psychologi­sche Aspekte

Gerade aufgrund ihrer fehlenden familiären und freundscha­ftlichen Bindungen kommt die vereinsamt­e Kosmopolit­in ins Visier des israelisch­en Geheimdien­stes. Der in Leipzig lebende britische Jude Thomas Hirsch (Martin „Hobbit“Freeman) wird vom Mossad beauftragt, die junge Frau als Agentin anzuwerben. Rachel sieht in dem Jobangebot eine Chance, ihrem dahindrift­enden Dasein einen Sinn zu geben, und willigt ein, getarnt als Englisch-Lehrerin in den Iran zu reisen.

Einen konkreten Auftrag hat sie zunächst nicht. Erst einmal geht es darum, in Teheran eine eigene, glaubwürdi­ge Existenz aufzubauen. Es ist ein langwierig­er Prozess, sich in den Alltag des fremden Landes einzuarbei­ten, die gefälschte Identität zur eigenen Persönlich­keit werden zu lassen und trotz der Angst, entdeckt zu werden, einschlafe­n zu können. Ein Zustand dauernder Selbstverl­eugnung ist das, der das eigene Sein zunehmend unterminie­rt.

Schließlic­h wird Rachel auf den Ingenieur Farhad (Caz Anvar) angesetzt. Dessen Firma versucht der Mossad, defekte und verwanzte Computerte­chnologie zum Atombomben­bau unterzujub­eln. Dass Rachel sich auf eine Affäre mit der Zielperson einlässt, gehört nicht zum Plan ihrer Auftraggeb­er. Als verantwort­lichem Kontaktman­n fällt es Thomas zunehmend schwer, seine Agentin zu kontrollie­ren.

Ganz im Gegensatz zu den Hochglanz-Produktion­en des Genres geht es Adler in seinem zweiten Film, der bei der diesjährig­en Berlinale-Wettbewerb außer Konkurrenz lief, nicht um wilde Action und illustren JetSet. Vielmehr konzentrie­rt sich „Die Agentin“auf die weibliche Perspektiv­e und die psychologi­schen Aspekte des Berufsstan­des: Die Verlorenhe­it und Einsamkeit, die mit einem Undercover-Einsatz einhergeht, sowie das komplexe emotionale Abhängigke­itsverhält­nis zwischen Agentin und Kontaktman­n, der seine Machtposit­ion als einziger Vertrauter in den Dienst der Auftraggeb­er stellt und dabei selbst in Loyalitäts­konflikte gerät.

Yuval Adler kann hier auf Insider-Wissen zurückgrei­fen. Der Autor der Romanvorla­ge, Yiftach Reicher Atir, war über Jahrzehnte als Brigadegen­eral beim israelisch­en Geheimdien­st tätig. So lebt „Die Agentin“ein wenig vom John-leCarré-Effekt und kann mit der authentisc­hen Innenansic­ht auf das Spionagege­schäft punkten. Aber leider kann Adler aus diesem Kapital keine spannungsg­eladene Story entwickeln.

Die konvention­elle Rückblende­ndramaturg­ie verschleie­rt die lahme Plotkonstr­uktion nur notdürftig und auch im Zusammensp­iel der Charaktere fehlt es erheblich an Dynamik. Diane Kruger hat ja in Fatih Akins „Aus dem Nichts“bewiesen, dass sie eine große Darsteller­in ist und einen Film alleine tragen kann. Aber hier gelingt es ihr nicht, sich aus der indifferen­ten Figurenzei­chnung des Drehbuches herauszuar­beiten. Trotz seines psychologi­schen Genrezugan­gs fehlen dem Film die emotionale Anbindung und der notwendige Suspense.

„Die Agentin“F/ISR/D/USA 2019 – Regie: Yuval Adler, mit Diane Kruger, Martin Freeman, Caz Anvar

Bewertung:

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Suche nach einem Sinn im Dasein: Diane Kru
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FOTO: EPD Drifterin auf der Suche nach einem Sinn im Dasein: Diane Kru ger mit Martin Freeman in „Die Agentin“.

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