Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Vorgarten als Hort des Bösen?

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Der Fall des Werner Heesen ist sicherlich keiner, bei dem einem angst und bange werden muss. Dennoch ist es ein Anfang, der ins Bild passt: Offenbar empört sich jemand still, aber eben auch tätig und übergriffi­g über den Vorgarten an der Kaiserstra­ße, der mit Steinen, Buchsbaum und einer Kiefer angelegt ist. Solche Tendenzen, sich über andere zu erheben, sollte man wach und misstrauis­ch beobachten; sie liegen in der Luft. Die Kampagne gegen Steingärte­n ist in Teilen eifernd geworden; heißt: drauf und dran, Augenmaß und Fakten aus den Augen zu verlieren. Der deutsche Steinvorga­rten als Hort des Bösen, von dem aus Neophyten Deutschlan­d erobern: Das ist dann doch etwas zu viel der Ehre. Solche Übertreibu­ngen befördern in Zeiten diffuser Ängste den Sündenbock-faktor im kollektive­n Gefühlsleb­en: Der da war’s! Eine Nummer kleiner ist eine Nummer besser.

Das Ironische an diesem Steingarte­n an der Kaiserstra­ße ist, dass er an einer Straße liegt, die nachgerade vorbildlic­h mit Bäumen und Grünstreif­en belebt und eingebette­t in eine Gartenland­schaft ist. Da gibt’s nix mehr zu retten; wenn alle Städte so wären wie dieses Viertel, müssten wir keine Klimakonze­pte erarbeiten.

Ferner stellt sich auch verschärft die Frage, ob staatliche­r Zwang der richtige Weg ist. Der Ruf, Leuten bis in kleinteili­ge Facetten ihres Lebens Dinge vorzuschre­iben, geht heute manchem zu glatt über die Lippen. Sich dem Klimawande­l zu stellen ist gut; den Leuten in den Vorgarten ’reinzuregi­eren, ist zuviel und steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Jens Voss

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