Rheinische Post Krefeld Kempen
Neue Bäume braucht der Wald
Die Bundesagrarministerin will Baumsorten anpflanzen lassen, die besser an Dürre angepasst sind. Weil dafür aber Forstpersonal fehlt, könnten auch Freiwillige eingesetzt werden.
BERLIN Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat die Lage des deutschen Waldes als dramatisch bezeichnet und will ihn mit der Anpflanzung von dürre-resistenten Laubbäumen vor den Folgen des Klimawandels retten. „Wir haben eine Zäsur draußen im Wald“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag nach einem Treffen mit Verbänden aus dem Energie-, Naturschutz- und Forstbereich. Für übergreifende Nothilfen rechnet sie mit Bundeszahlungen von einer halben Milliarde Euro aus dem Klimafonds.
Forstexperten fordern jedoch mehr als zwei Milliarden Euro. Der Leiter des Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, Andreas Bolte, mahnte: „2019 ist der Klimawandel endgültig im Wald angekommen. Ich sehe in diesem Jahr einenWarnschuss.“Nach den Worten von Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist die Lage des Waldes auch in NRW„katastrophal“. Klöckner kündigte an, man wolle bei dem von ihr für den 25. September einberufenen nationalen Waldgipfel Leitlinien zur Rettung des Waldes erarbeiten.
Sie verwies darauf, dass in diesem Jahr schon jetzt Laubbäume ihre Blätter verlören, Buchen vertrockneten. Es geschehe„Dramatisches“. In den vergangenen zwei Jahren seien 110.000 Hektar Wald durch Dürre, Stürme und Schädlinge zerstört worden und stünden nicht mehr als Helfer gegen CO2-Emmissionen bereit. „Hätten wir den deutschen Wald nicht, dann hätten wir 14 Prozent mehr CO2-Emissionen.“Forstexperten rechnen damit, dass sich 2019 die zerstörte Waldfläche auf 250.000 Hektar verdoppelt.
Es müssten Schadholz geborgen und Wälder aufgeforstet werden, sagte Klöckner. „Ich stehe für klimaangepasste Mischwälder“, betonte sie. Der Waldumbau werde Jahrzehnte dauern und jeder heute nicht gepflanzte Baum werde den Urenkeln fehlen. Ein Problem sei, dass zwar eine Milliarde Setzlinge bereitstünden, die Forstwirtschaft aber nicht genügend Personal zum Einpflanzen habe, weil es in einigen Bundesländern Einstellungsstopps gebe. Sie könne sich aber vorstellen, dass sich Studenten, Auszubildende und Bürgerinitiativen unter fachlicher Anleitung für Pflanzaktionen engagierten, sagte Klöckner.
Forstexperte Bolte beschrieb mögliche Lösungen. In Ungarn wachse zum Beispiel die Traubeneiche, die sich an Hitze und Trockenheit evolutionär angepasst habe. Es gebe allerdings viele Beschränkungen, wolle man Setzlinge und Saatgut aus anderen Ländern einführen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der als Bundesratspräsident in diesem Jahr die Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung ausrichtet, rief die Bürger zu einer großen Baumpflanzaktion auf. Wenn jeder Mensch jedes Jahr zum Tag der Deutschen Einheit einen Baum pflanzte oder spendete, entstünde jährlich eine Waldfläche mit 83 Millionen Bäumen. Die Kampagne treffe den Nerv vieler Menschen, ersetze aber nicht staatliches Handeln, sagte Günther unserer Redaktion. Er erwarte von Klöckners Waldgipfel konkrete Vorschläge für Aufforstungsprojekte in ganz Deutschland.
DieWaldexpertin von Greenpace, Gesche Jürgens, beklagte, die natürliche Widerstandsfähigkeit der Wälder werde durch die industrielle Forstwirtschaft geschwächt. „Frau Klöckners Idee, denWald mit Millionensummen großflächig aufzuforsten, würde die nächsten für Extremwetter anfälligen Holzplantagen entstehen lassen.“