Rheinische Post Krefeld Kempen
Robin Hood gegen den Scholzomat
Wenn die NRW-SPD Ex-Finanzminister Norbert Walter-Borjans am Freitag als Kandidat nominiert, wird er zum gefährlichsten Rivalen für Olaf Scholz.
Ein Mann sitzt in der Ecke einer Kneipe in Köln-Sülz. Er ist vertieft in seine Lektüre. 30 Minuten vergehen, manchmal auch eine Stunde. Dann zahlt er, steht auf und geht. Kaum jemand nimmt Notiz von dem früheren Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans.
Das dürfte sich bald ändern. Der Freitagabend könnte für den 66-jährigen Sozialdemokraten einen Wendepunkt bringen – und auch für die Bundes-SPD. Wenn alles läuft wie erwartet, wird der Landesvorstand mit Walter-Borjans, genannt Nowabo, am Freitag einen neuen Kandidaten in das Rennen um den Bundesvorsitz der Partei schicken. Einen, der dem bisherigen Favoriten Olaf Scholz im Kampf um den Parteivorsitz äußerst gefährlich werden kann. Anders als Scholz, der manchen als zu technokratisch gilt (Spitzname: „Scholzomat“), halten viele in der Partei den Kölner für einen Sympathieträger. Und für einen, der Anhänger sowohl im linken als auch im rechten Spektrum finden kann.
Den Genossen ist in guter Erinnerung, dass Walter-Borjans in seiner Zeit als NRW-Finanzminister mit der Verfolgung von Steuersündern bundesweit und auch international für Aufsehen sorgte. Eine Robin-Hood-Umverteilungspolitik, die für viele Parteimitglieder zum Markenkern sozialdemokratischer Politik zählt. In NRW hat Nowabo Unterstützer imVorstand und in der Fraktion. „Er ist kein Revoluzzer, aber er hat ein klares Koordinatensystem“, sagt ein hochrangiges Parteimitglied. „Den hatten viele schon lange im Kopf, weil er in seinem Amt als NRW-Finanzminister so positive Spuren hinterlassen hat“, sagt ein anderes führendes Parteimitglied. Schließlich soll die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete und Groko-Gegnerin Saskia Esken ihn gefragt haben, ob sie als Tandem antreten wollen.
Scholz hingegen ist als Bundesfinanzminister Bestandteil der großen Koalition, die in der SPD immer unbeliebter wird. Konkurrenzlos ist das Duo Nowabo/Esken am Freitagabend nicht, zwei andere Doppelspitzen bewerben sich: Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann mit Europa-Staatssekretär Michael Roth sowie der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mit seiner Bundestagsfraktionskollegin Nina Scheer.
Dass sich der Vorstand mehrheitlich auf Nowabo/Esken einigt, gilt als wahrscheinlich und ist ein starkes Fundament für die Bewerbungsrunde im Bund. Denn das eigentliche Schaulaufen steht den Kandidaten auf den deutschlandweit 23 Regionalkonferenzen erst noch bevor.