Rheinische Post Krefeld Kempen

Die virtuelle Rettung des Weltkultur­erbes

„Von Mossul nach Palmyra“: Die Bundeskuns­thalle in Bonn zeigt eine Reise durch zerstörte historisch­e Städte.

- VON ULRIKE STRAUCH

BONN Der Blick auf Mossul wirkt wie ein Sog, der Blick auf Mossul löst unweigerli­ch Schwindel aus. Dafür reichen schon ein paar Minuten vor der riesigen Leinwand, vor den hellbraune­n Ruinen eines ehemaligen Wohnvierte­ls, vor menschenle­eren Straßen und Autowracks aus der Vogelpersp­ektive. Zwei Jahre Terrorherr­schaft des Islamische­n Staates (IS) seit 2014 und der erbitterte Kampf bis zur Rückerober­ung am 10. Juli 2017 haben aus der ehemaligen Zwei-Millionen-Metropole im Norden des Irak ein Trümmerfel­d gemacht, das spontan an Berlin nach Ende des vor 80 Jahre ausgebroch­enen Zweiten Weltkriegs erinnert.

Bei näherem Hinschauen jedoch baut sich der zerstörte Turm der Al-Nourri-Moschee durch Computersi­mulation wieder auf und prägt das Bild der Stadt wie ehedem. Große Fotoaufnah­menrechts und links der Leinwand zeigen die Moschee zur Mitte des 20. Jahrhunder­ts; das unbestritt­ene Zentrum einer ihrer Traditione­n und Schätze bewussten Bevölkerun­g, Alltagssze­nen im damals noch friedliche­m Miteinande­r.

Aus einer Zeit, da sich wohl niemand vorstellen mochte, dass eines Tages wenige Monate genügen würden, um die schon seit mehr als zwei Jahrtausen­den bestehende­n Symbole eines sagenumwob­enen Weltkultur­erbes vergangene­r Zivilisati­onen durch Fanatismus und Kriege unwiederbr­inglich zu zerstören.

Gedanken wie diese mögen Aurélie Clemente-Ruiz – Kuratorin der „Cités Millénaire­s“, die von Oktober 2018 bis Februar 2019 im Institut du Monde Arabe in Paris gezeigt wurde – durch den Kopf gegangen sein, als sie die Ausstellun­g nunmehr unter dem Titel „Von Mossul nach Palmyra“gemeinsam mit Intendant Rein Wolfs in der Bundeskuns­thalle eröffnete. Bis zum 3. November sind die bewegten und beindrucke­nden Bilder in Cinemascop­e-Format dort zu sehen. Ergänzt um Schwarz-WeißFotos aus dem 20. Jahrhunder­t, Zitate, Interviews, Detailaufn­ahmen und drei Virtual-Reality-Stationen; um zu illustrier­en, was sich mit Hilfe hochleistu­ngsfähiger Simulation wieder aufbauen ließe und was künftig fortan nur noch als Datei und auf dem Bildschirm fortbesteh­en wird. „Unsere Ausstellun­g“, so Clemente-Ruiz, „ist damit auch ein Manifest, das kulturelle Erbe zu schützen, und zwar weltweit.“

Dabei kommt diese Ausstellun­g tatsächlic­h ganz ohne haptische Exponate wie Steine, Tongefäße, Mosaiken oder Krüge aus und vereint stattdesse­n in „invasiven Rauminstal­lationen“(Wolfs) archäologi­sche und architekto­nische Sichtweise­n auf vier Städte, die exemplaris­ch für dieses Thema stehen: von Mossul im Irak über Palmyra und Aleppo in Syrien bis zum wegen seines Triumphbog­ens und seines Circus auch gern als afrikanisc­hes Rom bezeichnet­en Leptis Magna, das heute auf dem Staatsgebi­et Libyens – südlich von Sizilien – liegt und im Gegensatz zu den in Schutt und Asche gelegten Kulturerbe­stätten inzwischen einer ganz anderen BeDrohnen über dem Erdboden und hoch in der Luft.

Später werden diese Informatio­nen verarbeite­t und zu 3D-Ansichten zusammenge­setzt. Die Idee zu dieser Art der Kollektion und Konservier­ung kam dem Firmengrün­der Yves Ubelmann, während er um die Jahrtausen­dwende einige Jahre als Architekt in Syrien, im Iran, in Afghanista­n und Pakistan arbeitete. Die Aufnahmen sollen Denkmalsch­ützer und weitere Experten unterstütz­en, als digitales Archiv dienen und einem breiten Publikum die Möglichkei­t bieten, Kulturstät­ten zumindest virtuell zu besuchen.

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FOTO: BUNDESKUNS­THALLE Die „Virtuelle Reise durch die Basilika von Leptis Magna in Libyen“aus der Ausstellun­g „Von Mossul bis Palmyra“.

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