Rheinische Post Krefeld Kempen
Blick ins Gesicht unserer Urahnen
Forscher entdecken in Äthiopien 3,8 Millionen Jahre alte Schädelreste.
NEW YORK (ap) Ein Fossil aus Äthiopien lässt Wissenschaftler Millionen Jahre zurück in unsere evolutionäre Geschichte schauen – und ihnen blickt ein Gesicht entgegen. Der Fund ist 3,8 Millionen Jahre alt. Er zeigt nach Einschätzung der Experten wahrscheinlich das Gesicht eines Vorfahren jener Spezies, zu der auch Lucy gehört. Lucy nannten Forscher das berühmte Teilskelett, das 1974 in Äthiopien gefunden wurde.
Wissenschaftler wissen schon seit langem, dass diese Spezies – dieWissenschaft nennt ihn Australopithecus anamensis – existierte. Alle bisher gefundenen Fossilien reichten bis zu 4,2 Millionen Jahre zurück. Aber die Entdeckung von Überresten des Gesichts waren bisher stets auf Kiefer und Zähne beschränkt. Das jüngst gefundene Fossil weist nun noch viele Knochen des Schädels und des Gesichts auf. Es wurde in der Fachzeitschrift „Nature“von Yohannes Haile-Selassie vom Museum für Naturgeschichte in Cleveland und Co-Autoren beschrieben.
Der Schädel stammt demnach augenscheinlich von einem männlichen Individuum. Der mittlere und untere Teil ragen hervor. Während Lucys Spezies, der Australopithecus afarensis, in der Gesichtsmitte eher flacher ist, ein Schritt in Richtung des flachen Gesichts der Menschen.
Das Fossil wurde 2016 gefunden, in einem ehemaligen Flussdelta mit Sandablagerungen am Rande eines Sees. Zu der Zeit, als die Kreatur lebte, gab es dort überwiegend eine trockene Strauchlandschaft mit einigen Bäumen.
Andere Forschungen zeigten, dass Australopithecus anamensis in jedem Fall aufrecht ging. Beweise dafür, dass er Stücke von Steinen absplitterte, um Werkzeug daraus zu machen, gebe es jedoch nicht, sagte der Co-Autor der Studie, Stephane Melillo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Zeray Alemseged von der Universität Chicago sagte, anhand des Gesichts von Australopithecus anamensis könne man sehen, wie sich diese Spezies von der Lucys unterscheide.
Die Autoren der Studie schreiben, vermutlich habe der Australopithecus anamensis noch mindestens weitere 100.000 Jahre existiert, nachdem er Lucys Spezies Australopithecus afarensis hervorgebracht habe. Die meisten Wissenschaftler hätten eine solche Überlappung bislang immer ausgeschlossen. Doch ein früher in Äthiopien gefundener Knochen gehöre zu Lucys Art.
Doch den wie Alemseged nicht an der Studie beteiligten William Kimbel von der Arizona State University überzeugte diese Schlussfolgerung nicht. Seiner Einschätzung nach sei es noch eine offene Frage, wie Lucys Art aus Australopithecus anamensis entstanden sei, schrieb er zu dem neuesten Fund. Die Rätsel der Wissenschaft zur Entwicklung unserer Vorfahren sind noch nicht gelöst.