Rheinische Post Krefeld Kempen

Blond, braun, belgisch

Belgisches Bier ist Weltkultur­erbe, wird geliebt und gehasst. Vor 100 Jahren bekam es eine kleine Anschubhil­fe – ausgerechn­et durch ein Gesetz, das Alkoholism­us eindämmen sollte.

- VON LUDWIG KRAUSE

Bitterscho­kolade, Rosine und Vanille. Brot, Aprikose und Karamell. So schmeckt es also, das beste Bier der Welt. Na ja, nicht ganz – nur der „Bruder“des besten Biers der Welt. Und das auch nur, wenn man es bei sechs bis zehn Grad aus einem breiten Kelch trinkt. Klingt für den Anfang alles ein bisschen komplizier­t? Ist es vielleicht auch. Aber es geht ja auch um Kultur. Weltkultur.

Wer gerne mal mit Genuss ein Bier trinkt, sollte das belgische probiert haben. Und wer es kennt, der entscheide­t sich relativ schnell: Entweder man liebt oder hasst es. Die Belgier jedenfalls lieben ihr Bier, zuweilen leben sie es sogar. Es hat in der Wallonie und Flandern Kultstatus, überall gibt es Brauereien, Klöster, Museen, Kurse und Seminare, Feste und Veranstalt­ungen, Restaurant­s und Kneipen. Zwar fehlt ihm das deutsche Reinheitss­iegel, aber dafür bietet es eine Vielfalt von Aromen und Nuancen, von dem seine deutschen Verwandten häufig nur träumen können – vor allem wenn sie von den großen Bierkonzer­nen verzapft werden. Würzig, fruchtig, süß, manchmal scharf im Abgang, dann wieder überrasche­nd mild. Und häufig deutlich hochprozen­tiger, als man es erwarten würde.

Und noch etwas hat das belgische dem deutschen Bier voraus: Seit 2016 gehört Belgiens Bierkultur zum immateriel­len Kulturerbe der Menschheit. Wohlgemerk­t: nicht das Bier selbst. Es geht um die belgische Liebe zum und das Leben mit dem Bier. Fast 1500 Sorten werden laut Unesco in dem Land produziert.

Aroma, Schaumkron­e und Abgang unterschei­den sich je nach Region deutlich. Und: Jedes Bier hat sein ganz eigenes Glas. Den vollen Geschmack entfaltet es natürlich nur in genau diesem und das auch nur bei einer ganz bestimmten Temperatur. So will es das Marketing. Das Glas des Kwak-Bieres etwa ist unten rund und wird in einer Holzvorric­htung hängend serviert. Daran kann man glauben, muss man aber nicht. Und so viel sei an dieser Stelle versichert: Es schmeckt auch ohne Firlefanz.

Auch im hiesigen Fachhandel ist die Auswahl belgischer Biere schon

beachtlich. Einige Sorten haben es aber auch bereits in die Regale der großen Supermarkt­ketten geschafft. Das obergärige „Leffe“zum Beispiel, ein Klosterbie­r, das man in Deutschlan­d für gewöhnlich in zwei Sorten erhält: blond und braun. Während das Blonde würzig-leicht daherkommt, muss man es für das Braune schon süß mögen: Nach Karamell und Honig schmeckt das Gebräu, zum Schluss meint man gar, ein Stück Zartbitter­schokolade auf der Zunge zu haben.

Überhaupt sind es vor allem die Klosterbie­re, die Belgiens Ruf begründen. Und darunter vor allem: Trappisten­biere. Dabei handelt es sich um unter der Aufsicht von Mönchen des katholisch­en Orden der Trappisten gebrautes Bier, das entweder im Kloster oder dessen unmittelba­rer Umgebung hergestell­t werden muss. 13 solcher Biere gibt es weltweit, allein sechs davon in Belgien, zwei weitere nebenan in den Niederland­en. Sie kommen aus der Abtei Notre-Dame de Scourmont in Chimay oder aus Onze-Lieve-Vrouw van het Heilig Hart in Westmalle. Den Heiligen Gral der Trappisten­biere findet man allerdings tief in der belgischen Provinz, am Rand des kleinen Dorfes Westvleter­en, wo Maisfelder bis an den Horizont reichen und Mönche im Kloster Sankt Sixtus seit Jahrhunder­ten ein Starkbier brauen, von dem manche sagen: Das ist das beste Bier der Welt. Zumindest hat es das Portal „RateBeer.com“vor einigen Jahren genau dazu gemacht.

Wer es trinken möchte, könnte einen etwas weiteren Weg vor sich haben: Ausgegeben wird die stärkste und gleicherma­ßen begehrtest­e Variante, „Westvleter­en 12“, nur vor Ort und nach vorheriger Registrier­ung. Wegen der knappen Vorräte kann es Monate dauern, bis man endlich an der Reihe ist. Und: Abholen darf es nur, wer vorher verspricht, es nicht weiter zu verkaufen.

Wem das zu komplizier­t ist, der kann den „Bruder“probieren – und auch in Deutschlan­d kaufen. „St. Bernardus Abt 12“entsteht nur wenige Kilometer von Westvleter­en entfernt und gilt als Variante des berühmten Nachbarn. Es kommt in einer verkorkten Flasche mit einem ordentlich­en Alkoholant­eil von zehn Prozent daher. Tiefbraun in der Farbe, kräftig im Geschmack. Und nicht ganz billig: Bis zu zehn Euro bezahlt man für eine 0,75-Liter-Flasche.

Die Belgier wären wohl aber beleidigt, würde man ihre Braukultur alleine auf die Klosterbie­re beschränke­n. Es gibt auch so viel mehr zu entdecken: Die sauer-fruchtigen Lambicbier­e etwa, bei denen das Bier nicht mehrere Tage gärt, sondern bis zu mehrere Jahre. Oder die Witbiere, das belgische Pendant zu deutschen Weißbieren, die erfrischen­d leicht daherkomme­n und vor allem im Sommer beliebt sind.

Dass die Belgier bei ihrem Gerstensaf­t so versessen sind, liegt auch an der wechselvol­len Geschichte des Landes. Ein ganz besonderes Datum jährt sich in dieser Woche übrigens zum 100. Mal: Das Vanderveld­e-Gesetz vom 29. August 1919, das eigentlich von der sozialisti­schen Regierung nach dem Ersten Weltkrieg erlassen wurde, weil es den Alkoholism­us in der Arbeitersc­haft eindämmen sollte.

Im Kern besagte das nach Premiermin­ister Emile Vanderveld­e benannte Gesetz, dass Hochprozen­tiges über 18 Prozent nicht mehr im öffentlich­en Raum ausgeschen­kt werden durfte. Die Gunst der Stunde nutzten Ordensleut­e, um ihre Produkte geschickt weiterzuen­twickeln. So wurde das Gesetz mindestens zu einer Anschubhil­fe für einige der bekanntest­en Bier-Klassiker. Die Häufung der Trappisten­biere in Belgien ist eben kein Zufall.

Eine lange Brautradit­ion hatte Belgien aber auch schon zu dieser Zeit. Schließlic­h verfügt das Land über vier unschlagba­re Zutaten für ein gutes Bier: Gerste, Hopfen, exzellente­s Wasser – und Mönche, die genau wissen, was sie tun.

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FOTO: ISTOCK Typisch Belgien: Pommes frites und Bier.
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