Rheinische Post Krefeld Kempen
Niemals geht man so ganz
ANALYSE Uli Hoeneß wird Ende November nicht mehr als Präsident und Aufsichtsratschef des FC Bayern zur Verfügung stehen. Eine Ära endet. Ganz ohne Einf luss im Verein bleibt der Patron aber nicht. „Das hat nichts mit dem Amt zu tun“, sagt er.
MÜNCHEN Es ist nicht heraus, ob Uli Hoeneß (67) die Kölner Sängerin Trude Herr kennengelernt hat. Sicher aber ist, dass er ihr größtes Lied kennt. „Niemals geht man so ganz“, heißt es. Und es erklingt nicht nur in Kölner Fußball-Kabinen zum Abschied, dort allerdings besonders gern. Spätestens bei der zweiten Zeile („irgend was von dir bleibt hier“) werden Taschentücher bemüht.
Vielleicht wird das Ende November auch beim FC Bayern München so sein. Denn dann wird Uli Hoeneß seine Ämter zur Verfügung stellen, er steht weder als Präsident noch als Chef des Aufsichtsrates mehr zur Verfügung. Das hat der Verein am Donnerstagabend offiziell bestätigt. Eine Ära endet.
Einer der Kollegen war mit der Nachricht bereits am Mittwoch auf dem Markt. Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber plauderte fröhlich aus, was Hoeneß erst tags darauf verraten wollte. „Er hat sich entschieden“, sagte Stoiber bei einem Empfang in der Staatskanzlei.Viermal habe er Hoeneß von seinem Entschluss abzubringen versucht, viermal vergeblich.
Nach Stoibers Erklärung habe die harsche Kritik, die bei der Mitgliederversammlung im vergangenen November an der Amtsführung des Bayern-Patrons laut geworden war, ebenso wie die Meinungsverschiedenheiten mit dem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge zum Rücktritt von den Führungsämtern beigetragen. Die beiden Frontmänner waren sich unter anderem in der Trainerfrage beharrlich uneinig.Während Hoeneß Niko Kovac stützte, zählte Rummenigge den Coach mehrmals öffentlich an.
Hoeneß vermeidet den Eindruck, es habe sich um eine Kurzschluss-Reaktion gehandelt.„Es war ein langer Prozess“, versicherte er. Am Ende des Tages, wie sein Gegenspieler Rummenigge sagen würde, kamen zum für Hoeneß schockierenden Erlebnis der Mitgliederversammlung ein Schuss Amtsmüdigkeit und die Aussicht, mal Zeit für die Familie zu haben.
50 Jahre stand für ihn der Verein im Mittelpunkt. Hoeneß prägte ihn als Spieler in den 1970er Jahren, die deutsche Meisterschaften, gleich drei Titel im Europapokal der Landesmeister (dem Vorläufer der Champions League) und ein durch Bayern und Mönchengladbacher bestimmtes Nationalteam brachte, das Europameister undWeltmeister wurde. So richtig erfunden hat Hoeneß den FC Bayern aber als Funktionär. Er machte ab 1979 aus einem Fußballverein ein Unternehmen mit einem Umsatz von fast 700 Millionen Euro – nicht allein, aber maßgeblich.
Er führte die Firma Bayern wie ein Familien-Unternehmen, bot den Mitarbeitern Nestwärme und der Konkurrenz harte Auseinandersetzungen, die vor allem zu Beginn seiner Managertätigkeit schon mal tüchtig die Grenzen des guten Geschmacks überschritten.
Dieses Erbe übergibt er jetzt, weil er bemerkt hat, dass sich das große Fußball-Geschäft nicht mehr in seinem Sinne führen lässt. Sein Nachfolger soll der ehemalige Adidas-Chef Herbert Hainer (65) sein, der sich in diese Rolle bereits hatte einfühlen dürfen, als Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in Haft saß. Als Vertreter des Patrons auf Erden wirkte Hainer eher im Verborgenen.
Daran wird sich nichts entscheidend ändern. Rummenigge wird stärker sein als in der beständigen Auseinandersetzung mit Hoeneß. Im Vorstand haben ohnehin kühle Geschäftsleute wie der Controller Jan-Christian Dreesen (51) oder Jörg Wacker (51), der Fachmann für Internationalisierung, das Wort. Aber ein bisschen was von Hoeneß bleibt natürlich (siehe Trude Herr). Im Aufsichtsrat wird er einen Sitz behalten. Und er wird sich weiter einmischen in den Verein, der sein Lebenswerk ist. „Ich habe gesagt, dass ich immer zur Verfügung stehe“, erklärte er in der Staatskanzlei, „das hat nichts mit dem Amt zu tun.“Und das ist schon wieder mehr als ein bisschen.