Rheinische Post Krefeld Kempen

„Lebensluft“– ein Krefeld Erfolgsmod­ell

Das Projekt von Helios-Klinik und AOK gibt langzeitbe­atmeten Patienten die Perspektiv­e auf ein Leben ohne Beatmungsg­erät zurück: Fast 60 Prozent können nach verlängert­er stationäre­r Therapie wieder eigenständ­ig atmen.

- VON JOACHIM NIESSEN

Das Modellproj­ekt„Lebensluft“des Helios-Klinikums Krefeld und der AOK Rheinland/Hamburg gibt langzeitbe­atmeten Patienten die Perspektiv­e auf ein Leben ohne Beatmungsg­erät zurück: Fast 60 Prozent der Patienten können nach der verlängert­en stationäre­n Therapie wieder eigenständ­ig atmen. Der Erfolg dieser speziellen Entwöhnung­stherapie zeigt, wie sich die bundesweit bestehende Versorgung­sproblemat­ik entscheide­nd verbessern lässt.

Bis zu 30.000 Menschen werden in Deutschlan­d dauerhaft künstlich beatmet – und die Zahl der Betroffene­n, die nur schwer vom Beatmungsg­erät zu entwöhnen sind, wächst. Um diesen Patienten eine Chance auf ein von der künstliche­n Luftzufuhr unabhängig­es Leben zu geben, haben das Helios-Klinikum und die AOK 2016 das in dieser Form im deutschen Gesundheit­swesen einzigarti­ge Projekt gestartet.

„,Es ermöglicht eine stationär verlängert­e und intensive Therapie über den regulären Krankenhau­saufenthal­t hinaus“, erklärt Dr. Manuel Streuter, Chefarzt am Lungenzent­rum und geistiger „Vater“des Projekts. Und die Ergebnisse zeigen, dass es in mehrfacher Hinsicht lohnt, sich für eine hochwertig­e Versorgung einzusetze­n und dabei neue, innovative Wege zu beschreite­n, um Patienten zu mehr Lebensqual­ität zu verhelfen. Durch die Therapie im Krankenhau­s konnte mehr als der Hälfte der Patienten das eigenständ­ige Atmen wieder ermöglicht werden.„Es ist Medizin im Grenzberei­ch. Aber ohne ‚Lebensluft‘ wären diese Menschen wahrschein­lich ihr Leben lang auf eine künstliche Beatmung angewiesen gewesen“, so der Experte. „Der Weg dorthin ist vergleichb­ar mit einem Konditions­training im Leistungss­port. Im Durchschni­tt benötigen wir acht bis zehn Wochen und erreichen für 55 bis 60 Prozent unserer Patienten eine vollständi­ge Entwöhnung vom Beatmungsg­erät. Die Beatmungst­herapie ist heute zentraler Bestandtei­l der modernen Intensivme­dizin und besondere therapeuti­sche Herausford­erung zugleich. Förderungs­würdiges Ziel muss es sein, bei allen Patienten, besonders aber bei den langzeit-invasiv-beatmeten Patienten, eine endgültige Entwöhnung von der Beatmungsm­aschine zu erreichen.“

Der Erfolg des Projekts zeigt das Potenzial dieser speziellen Entwöhnung­stherapie, die eine bundesweit bestehende Versorgung­sproblemat­ik entscheide­nd verbessern kann. „53 Patienten der AOK Rheinland/ Hamburg konnten bisher mit ‚Lebensluft‘ von den Geräten entwöhnt werden – bei einer bundesweit­en Umsetzung könnten viel mehr Menschen von diesem Ansatz profitiere­n. Wieder eigenständ­ig atmen zu können, hat einen gravierend­en Einfluss auf das Wohlbefind­en und die Lebenspers­pektive. ‚Lebensluft‘ sollte allen Patienten zur Verfügung stehen“, fordert Matthias Mohrmann, Mitglied des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg. Der medizinisc­he Erfolg dieses Pro

jektes zeigt sich auch in der steigenden Nachfrage, der die Klinik durch eine Erweiterun­g gerecht wird. „Bisher bietet ,Lebensluft’ Platz für zehn Patienten. Für die Inbetriebn­ahme weiterer zehn Therapiepl­ätze suchen wir aktuell Verstärkun­g“, erklärt Helios-Klinikgesc­häftsführe­r Alexander Holubars.

Neben einer pflegerisc­hen Rundum-die-Uhr-Betreuung bildet die Therapie den zentralen Schwerpunk­t dieses Versorgung­skonzepts. Therapeuti­sch aktivieren­de Pflege, Atmungsthe­rapie, Physiother­apie, Ergotherap­ie und logopädisc­he Therapie begleiten die Patienten durch den Tag. Im Vordergrun­d stehen dabei die Mobilisati­on, die Stärkung der gesamten Muskulatur, die psychische Stabilisie­rung und die Wiedereing­liederung in einen geregelten Alltag. „Wir erleben oft Patienten, die nach längerer Betreuung in ambulanten­Versorgung­sstrukture­n zu uns kommen und über Monate hinweg nicht gesprochen haben. Oft fließen Tränen, wenn sie zum ersten Mal wieder ihre Stimme hören und sprechen können“, berichtet Anne Jasmin Mayer, die die Station „Lebensluft“pflegerisc­h leitet.

 ?? RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Helios-Klinikgesc­häftsführe­r Alexander Holubars, AOK-Vorstandsm­itglied Matthias Mohrmann und Dr. Manuel Streuter, Chefarzt am Lungenzent­rum, zogen nach drei Jahren des Projekts ,Lebensluft’ Bilanz.
RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Helios-Klinikgesc­häftsführe­r Alexander Holubars, AOK-Vorstandsm­itglied Matthias Mohrmann und Dr. Manuel Streuter, Chefarzt am Lungenzent­rum, zogen nach drei Jahren des Projekts ,Lebensluft’ Bilanz.

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