Rheinische Post Krefeld Kempen

30. August 1978

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Ingrid Ruske und Detlef Tiede hatten jeder ihre eigenen Gründe, die DDR zu verlassen. Ruske hatte sich in den West-Berliner Horst Fischer verliebt, der wegen eines Bauauftrag­s in Ost-Berlin gewesen war. Tiede hatte mehr als zwanzig Mal einen Ausreisean­trag gestellt und kaum eine Chance, das Land legal zu verlassen. Fischer sollte den beiden gefälschte Papiere nach Danzig bringen. Von dort aus wollten sie per Fähre nach Travemünde reisen. Doch der West-Berliner wurde von der Staatssich­erheit festgenomm­en und kam nie in Danzig an. Ruske und Tiede mussten annehmen, dass ihre Pläne aufgedeckt waren. Die beiden planten um: Sie kauften eine Spielzeugp­istole und gingen am 30. August an Bord einer Maschine der polnischen Fluglinie LOT nach Schönefeld in Ost-Berlin. Tiede nahm eine Stewardess als Geisel und zwang den Piloten, statt in Schönefeld in Tempelhof zu landen. Tiede und Ruske wurden dort von den Amerikaner­n verhaftet. Es folgte ein Prozess, für den eigens ein nicht-militärisc­hes US-amerikanis­ches Gericht mitWest-Berliner Geschworen­en einbestell­t wurde. Ruske wurde freigespro­chen, Tiede zu neun Monaten Haft verurteilt. Da er die in der Untersuchu­ngshaft verbüßt hatte, waren beide Flüchtende­n nach dem Urteil frei. Fischer kehrte 1980 nach West-Berlin zurück. Er war in der DDR wegen Fluchthilf­e verurteilt worden, die Bundesregi­erung kaufte ihn frei.

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