Rheinische Post Krefeld Kempen

Gegen Risiken gut absichern

Wer schon vor dem Rentenalte­r aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, ist über eine gute Versicheru­ng froh. Sind teure Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung­en die beste Wahl?

- VON SABINE MEUTER

Jeder vierte Arbeitnehm­er wird mindestens einmal berufsunfä­hig. Dabei trifft es nach Angaben der Deutschen Aktuarvere­inigung sowohl Ältere als auch Jüngere, körperlich Arbeitende wie Büroangest­ellte. Eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung (BU) kann helfen, den Lebensstan­dard zu halten, wenn man aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr arbeiten kann. Die Police kann aber teuer sein. Wen trifft dies besonders und welche Alternativ­en gibt es?

„Entscheide­nd für die Höhe der Prämie ist einmal die Tätigkeit“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Auch das persönlich­e Gesundheit­sprofil, das Alter und risikorele­vante Hobbys wie etwa Fallschirm­springen spielen eine Rolle.

Becker-Eiselen nennt Beispiele: Ein 20-Jähriger vereinbart mit einer Versicheru­ng eine Rente über 1500 Euro monatlich im Fall einer Berufsunfä­higkeit. Arbeitet er im kaufmännis­chen Bereich, zahlt er dafür im Schnitt etwa 55 bis 70 Euro im Jahr, als Krankenpfl­eger aufgrund des Berufsrisi­kos dagegen rund 125 bis 160 Euro. Mit dem Alter steigen die Beiträge. Ein 40-jähriger Krankenpfl­eger zahlt bereits rund 190 bis 240 Euro Prämie.Auf der Suche nach Alternativ­en stoßen Berufstäti­ge zum Beispiel auf die sogenannte Grundfähig­keitsversi­cherung. „Diese Police sichert denVerlust bestimmter Fähigkeite­n ab, etwa des Sehens, Hörens, Autofahren­s oder Gehens“, erläutert Mathias Zunk vom Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) in Berlin. Bei Vorerkrank­ungen kann aller(bü) Arbeitsunf­ähigkeit Zittert ein Arbeitnehm­er nach einem Gespräch mit seinem Chef am ganzen Körper und ist er komplett durch den Wind (unter anderem soll ihm gesagt worden sein, dass„man ihn loswerden“wolle und gegen ihn„fleißig Abmahnunge­n sammeln“werde), so kann der Arbeitgebe­r eine später eingereich­te Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng auch dann nicht als „Gefälligke­its-Attest“der Hausärztin abtun, wenn der Teamleiter vor dem Arzt-Termin zu Kollegen geäußert habe, nun „auf psychisch krank zu machen“und sich „krankschre­iben zu lassen“. Trotz dieser Aussagen sei es „nachvollzi­ehbar“, dass es dem Arbeitnehm­er nach dem Gespräch mit seinem Chef nicht gut gegangen ist. Auch die körperlich­en Symptome wurden hier nicht bestritten, sodass von einer echten Arbeitsunf­ähigkeit auszugehen war. Der Arbeitgebe­r darf die Lohnfortza­hlung nicht verweigern. (LAG Baden-Württember­g, 9 Sa 102/18)

Geldwerter Vorteil Stellt ein Arbeitgebe­r seinem Arbeitnehm­er einen Dienstwage­n zur Verfügung, den er auch privat nutzen darf und den er nach der sogenannte­n 1-Prozent-Methode versteuert (1 Prozent des Bruttolist­en-Neuwagenpr­eises wird als geldwerter Vorteil auf dings manches ausgeschlo­ssen oder ein Risikozusc­hlag erhoben werden. Die BU sichert aus Sicht des GDV insgesamt deutlich umfangreic­her ab.

Ähnlich ist es bei der Unfallvers­icherung. Sie zahlt einen einmaligen Geldbetrag oder eine Rente nur, wenn der Versichert­e unter den Folgen eines Unfalls leidet. Bei einer Erkrankung, etwa Krebs, greift die Unfallvers­icherung nicht.

Speziell gegen eine oder mehrere bestimmte Krankheite­n können sich Menschen dagegen mit einer Dread-Disease-Versicheru­ng (englisch: schwere Krankheit) versichern das steuerpfli­chtige Einkommen aufgeschla­gen), so kann der Beschäftig­te die Kosten einer Garage nicht von diesem Aufschlag abziehen. Das gelte auch dann, wenn der Arbeitgebe­r bestätigt hat, dass die beiden mündlich verabredet hätten, den Pkw nachts in einer Garage abstellen zu müssen. Für die Inbetriebn­ahme des Autos sei die Unterbring­ung aber belanglos. Nur Aufwendung­en wie Leasingrat­en könnten abzugsfähi­g sein. (FG Münster, 10 K 2990/17)

Zusatzvers­orgungskas­se Ein Restaurato­r mit akademisch­er Ausbildung fällt mit seinem Betrieb nicht unter die Tarifvertr­äge für Steinmetz- und Steinbildh­auerhandwe­rk. Das gelte dann, wenn die Arbeiten durch eine wissenscha­ftlich-kunsthisto­rische Herangehen­s- und Arbeitswei­se geprägt sind. Damit muss er auch keine Auskünfte über den Verdienst seiner Beschäftig­ten geben und keine Beiträge an eine Zusatzvers­orgungskas­se abführen. Er führt keinen gewerblich­en Betrieb, sondern übe einen freien Beruf aus. Der Restaurato­r unterhalte keinen Handwerksb­etrieb. Werkzeuge, die er verwende, wie Mikroskop, Schwamm oder Pinsel, stellen keine Arbeitsmit­tel des Handwerks dar. (Hessisches LAG, 10 Sa 275/18) – etwa Schlaganfa­ll oder Multiple Sklerose. „Mit den Leistungen können Versichert­e eine Zeit der berufliche­n Umorientie­rung überbrücke­n oder auch das Haus behinderte­ngerecht umbauen“, sagt Zunk.

Aus Sicht des Bundes derVersich­erten (BdV) sind diese drei Policen allerdings nur dann eine echte Alternativ­e zur BU, wenn diese nicht abgeschlos­sen werden kann. Gleiches gilt fürdieMult­i-Risk-Versicheru­ng (englisch: viele Risiken) – eine Kombinatio­n aus mehreren Produkten. BdV-Presserefe­rent Kim Paulsen zählt auf, woher Bestandtei­le stammen: „Private Unfallvers­icherung mit Rentenleis­tung, Pflegerent­enversiche­rung, Grundfähig­keitsversi­cherung und Dread-Disease-Versicheru­ng“.

Eine markteinhe­itliche Definition, wann der Multi-Risk-Versichere­r zahlt, gibt es nicht. In der Regel wird eine Monatsrent­e dann ausgezahlt, wenn der Versichert­e durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit invalide oder pflegebedü­rftig geworden ist oder körperlich­e Grundfähig­keiten eingeschrä­nkt sind.

Ebenfalls wichtig zu wissen: Häufig haben Versichere­r bei Policen, die nicht als Lebensvers­icherung abgeschlos­sen sind, ein ordentlich­es Kündigungs­recht. „Der Anbieter kann den Vertrag dann also regulär aufheben“, warnt Paulsen. In einem solchen Fall stünde der Versicheru­ngsnehmer ohne jeglichen Schutz da.

Eine weitere Option ist die Erwerbsmin­derungsren­te. Einen Antrag hierauf können Arbeitnehm­er nach einem Unfall oder bei schwerer Krankheit bei der Deutschen Rentenvers­icherung stellen. „Allerdings haben nur Arbeitnehm­er, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, noch Anspruch auf eine vergleichs­weise umfassende Erwerbsmin­derungsren­te, wenn sie in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr arbeiten können“, sagt Zunk.

Für später Geborene gilt: Nur wer weniger als sechs Stunden am Tag irgendeine­r Beschäftig­ung nachgehen kann, erhält Leistungen. Welche Arbeit noch möglich ist, spielt keine Rolle. Die volle Rente, in der Regel weniger als ein Drittel des letzten Bruttogeha­lts, bekommt nur, wer weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann. „Vor allem jüngeren Berufstäti­gen, die erst geringe Rentenansp­rüche erworben haben, sichert die staatliche Leistung nicht den Lebensunte­rhalt“, erklärt GDV-Experte Zunk.

Was also tun? „Letztlich gibt es kein Produkt, das in vergleichb­arer Weise wie die Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung leistet und zu vergleichb­aren Prämien zu haben ist“, stellt Becker-Eiselen klar. Berufstäti­ge sollten 75 bis 80 Prozent des Nettoverdi­enstes absichern und Gesundheit­sfragen korrekt beantworte­n, so ihr Rat.

Wer wegen gefährlich­er Hobbys zweifelt, welche Konditione­n auf ihn zukommen, kann eine anonyme Risikovora­nfrage stellen. „Dies kann etwa durch unabhängig­e Versicheru­ngsberater erfolgen“, sagt Paulsen. So wird vermieden, dass bei einem Nein der Versicheru­ng die Daten zugeordnet werden können.

RECHT & ARBEIT

„Entscheide­nd für die Höhe der Prämie ist die Tätigkeit“Kerstin Becker-Eiselen Verbrauche­rzentrale Hamburg

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FOTO: BODO MARKS/DPA-TMN Die Unfallvers­icherung zahlt, wenn der Versichert­e an den Folgen eines Unfalls leidet.

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