Rheinische Post Krefeld Kempen
Für die „Wiege“zum Bundespräsidenten
Amany Ramadan studiert Gesundheitsökonomie und Ethik in Fürth. In Krefeld absolvierte sie ihr Praxissemester beim Verein „Die Wiege“und besuchte nun in dieser Funktion sogar Bundespräsident Steinmeier.
Tod und Sterben sindWorte, die viele Menschen in unserer Gesellschaft verstören. „Wir haben das Sterben an den gesellschaftlichen Rand geschoben und halten es aus unserer Lebensrealität heraus. Das halte ich für einen großen Fehler. Gerade sterbende Menschen haben oft einen ganz anderen Blick auf die Welt. Wer mit ihnen diese Zeit verbringt, der zieht daraus oft etwas für sein ganzes Leben“, sagt Professor Elmar Nass. Der Wirtschaftsethiker und Theologe stammt aus Krefeld, lehrt aber mittlerweile in Fürth. SeineVerbindungen in die Seidenstadt blieben erhalten und so vermittelte er seine Studentin Amany Ramadan über alte Kontakte an den unter anderem von Bürgermeisterin Karin Meincke gegründeten Verein „Die Wiege“.
Dort absolvierte die 22-Jährige nun ihr Praxissemester und wurde von Beginn an eng in die Vereinsarbeit eingebunden. Es geht allerdings nicht nur um Sterbebegleitung, sondern um Hilfe rund um Pflege und Betreuung. „Mit sterbenden Menschen habe ich bisher unmittelbar keinen Kontakt gehabt. Aber ich habe viele bereichernde Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel bei einem Ehepaar, das uns um Hilfe bat. Ich war gleich beim ersten Treffen dabei. Die Frau versuchte, ihrem Mann begreiflich zu machen, dass sie bald sterben würde. Er wollte davon nichts wissen und wechselte ständig das Thema. Das war sehr eindrücklich“, erzählt Ramadan.
Sie war vom ersten Tag an voll integriert und nahm an Terminen Teil. „Ich habe hier Erfahrungen gemacht, die ich sonst nie gemacht hätte. Es hat meinen Entschluss, in die soziale Arbeit zu gehen, noch einmal gestärkt“, sagt die Studentin. Zum Praktikum zählten zum Beispiel auch mehrere Besuche im Kinderhospiz Stups. „Ich habe dort eigentlich alles von der Büroarbeit bis zum unmittelbaren Umgang mit den Kindern gemacht“, erzählt sie.
Die Arbeit für den Verein brachte sie am vergangenenWochenende sogar bis zu einem Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der hatte Repräsentanten des Vereins zu seinem Sommerfest eingeladen. Und so stand Ramadan gemeinsam mit Bürgermeisterin Meincke auf dem roten Teppich in Berlin. „Ganz an den Präsidenten ran gekommen sind wir nicht. Aber ich habe ein Foto von ihm machen können, als er gesprochen hat“, sagt Ramadan.
Die junge Frau wurde in Karlsruhe geboren und lebte in vielen Orten in ganz Deutschland, ehe sie vor einigen Jahren mit ihren Eltern nach Dubai zog, wo sie den Abschluss machte. Zum Studium kehrte sie nach Deutschland, genauer gesagt nach Franken, zurück. Über ihren Professor trieb es sie dann nach Krefeld. „Ich muss sagen, dass ich ein Stück weit auch mein Herz an Krefeld verloren habe. Ich fühle mich hier sehr wohl und will in jedem Falle regelmäßig wiederkommen“, sagt die junge Frau. Und auch für den Verein will sie in jedem Falle weiter aktiv sein. „Das geht ja von überall aus. Die Arbeit soll ja auch auf ganz Deutschland und sogar darüber hinaus ausgeweitet werden“, sagt Meincke.
Ihre nun scheidende Praktikantin könnte zukünftig sogar eine Internationalisierung vorantreiben, denn
ihr Ziel ist es, später in einer weltweit agierenden Organisation zu arbeiten.„Ich möchte zunächst noch weiter studieren. Vielleicht auch etwas im medizinischen Bereich. Später würde ich gern für eine international agierende Hilfsorganisation arbeiten. Am liebsten direkt mit den Menschen. Das liegt mir und macht mir Spaß“, sagt sie. Dass sie in solcher Funktion auch mit Schicksalen und ganz unmittelbar dem Tod konfrontiert wird, schreckt sie nicht ab.„Bislang habe ich das noch nicht erlebt. Aber es gehört eben dazu. Sterben ist ein Teil des Lebens. Mir macht es Spaß, mit Menschen in jeder Lebensphase umzugehen“, sagt Ramadan.
Damit spricht sie ihrem Professor aus dem Herzen. „Gerade der Umgang mit Menschen am Ende ihres Lebens ist ein entscheidender Teil der Menschenwürde. Wie wir diesen organisieren und bewerkstelligen entscheidet, wie wir es wirklich mit der Menschenwürde halten“, sagt er. Seine Studentin verinnerlicht diese Einstellung. Und wenn es dann auch zum Empfang beim Bundespräsidenten führt, ist das sicher umso schöner.