Rheinische Post Krefeld Kempen
Sicherungsverwahrung für Lügde-Täter
Die Haupttäter im Missbrauchsfall Lügde kommen vermutlich nie wieder in Freiheit. Politiker begrüßten die harten Urteile des Landgerichts Detmold. Jetzt beginnt im Düsseldorfer Landtag die politische Aufarbeitung des Skandals.
DETMOLD/DÜSSELDORF Die harten Urteile im Fall des hundertfachen sexuellen Kindesmissbrauchs von Lügde sind bei Politikern auf Zustimmung gestoßen. Er sei „sehr froh“über die hohen Haftstrafen und die anschließende Sicherungsverwahrung, sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP). NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht in den Urteilen auch eine „Warnung an alle Täter“. Dies helfe dem Kinderschutz. „Das Leiden der Opfer lindert das natürlich nicht“, sagte Reul.
Das Landgericht Detmold hatte am Donnerstag die beiden geständigen Hauptangeklagten zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch danach kommen sie nicht frei, sondern in Sicherungsverwahrung. Dem Gericht zufolge hatten die Verurteilten mit einem perfiden System auf einem Campingplatz jahrelang insgesamt 32 Opfer missbraucht. Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda sagte in der Urteilsbegründung, dass die Gesamtzahl der Opfer wahrscheinlich noch höher liege. Reue habe das Gericht bei den Tätern trotz der Geständnisse nicht festgestellt. Die beiden hätten nicht ansatzweise erkannt, „was sie wirklich angerichtet haben“.
Der 56-jährige Andreas V. wurde wegen 223-fachen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu 13 Jahren Haft verurteilt; der 34-jährige Mario S. wegen 48-fachen schweren Kindesmissbrauchs zu zwölf Jahren. Das Gericht blieb damit unter der möglichen Höchststrafe von 15 Jahren. Es hielt den nicht vorbestraften Angeklagten ihre Geständnisse zugute, die den Opfern detaillierte Aussagen im Zeugenstand erspart hatten. Die Taten seien „durch nichts zu entschuldigen“, sagte die Richterin. Weil weitere Straftaten von den Männern ausgehen könnten, sei die Sicherungsverwahrung nach der Haft „zwingend erforderlich“.
Begrüßt wurden die Urteile vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Das Gericht habe damit„auch das wichtige Signal gesendet, dass der Rechtsstaat diese schweren Verbrechen an Kindern hart bestraft“. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bezeichnete die Entscheidung als ein „gutes Signal“. Jetzt komme es darauf an, mehr für die Prävention zu tun.„Was wir brauchen, ist eine stärkere Arbeit in den Ländern“, sagte sie und unterstützte Rörigs Forderung nach Missbrauchsbeauftragten in den Ländern.
Julia von Weiler, Geschäftsführerin des Anti-Missbrauch-Vereins „Innocence in Danger“, sagte, der Missbrauch bleibe Teil der Lebensgeschichte dieser Kinder. „Sie fürchten zudem, erkannt zu werden, weil die Täter Bilder der Straftaten digital verbreitet haben. Es wird unterschätzt, wie sehr das Internet zum Verbreiten von Missbrauchsfotos und Videos genutzt wird.“
Bei den Ermittlungen im Fall Lügde hatte es erhebliche Polizeipannen gegeben. Auch die Jugendämter stehen in der Kritik. In der kommendenWoche beginnt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag.
Als Konsequenz aus dem Fall will die Landesregierung den Kinderschutz verbessern. Das Justizministerium lässt derzeit eine neue Technik entwickeln, um Bilddateien effizienter auswerten zu können. Familienminister Stamp kündigte eine neue Landesfachstelle an. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort zu unterstützen und flächendeckende Schutzkonzepte zu entwickeln. Eine Arbeitsgruppe soll zudem die Maßnahmen zum Kinderschutz innerhalb der Landesregierung abstimmen und Zuständigkeiten prüfen. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty kritisierte das als unzureichend und bekräftigte die Forderung nach einer Kinderschutzkommission.