Rheinische Post Krefeld Kempen

Fotografin zeigt Wohnung der „Eierfrau“

In Kempen ist Anna Rouenhoff als „Scheifes Änne“bekannt. Auf dem Kempener Wochenmark­t verkaufte sie Eier, Blumen und Gemüse. Fotografin Christel Kremser zeigt in einer Sonderauss­tellung, wie die 102-Jährige wohnt.

- VON EMILY SENF

KEMPEN Am liebsten fotografie­rt Christel Kremser in Schwarz-Weiß, aber in Anna Rouenhoffs Wohnung machte sie eine Ausnahme. „Da musste ich in Farbe fotografie­ren“, erinnert sich die 73-jährige Fotografin. Ein Lampenschi­rm in Knallrot, ein Teppich mit gelben, roten, braunen und orangefarb­enen Streifen sowie Blumen auf dem Fernseher und Schwäne auf auf der Fototapete – Rouenhoffs Wohnung war bunt, also mussten es die Fotos auch sein. Wie Kempens „Eierfrau“bis zu ihrem Umzug ins Von-Broichhaus­en-Stift lebte, können Interessie­rte ab Sonntag, 8. September, in einer Foto-Ausstellun­g im Städtische­n Kramer-Museum sehen.

Bekannt ist Rouenhoff in Kempen vor allem als „Scheifes Änne” auf dem Buttermark­t. Bei ihr gab es dienstags und freitags allerdings nicht nur Eier, sondern auch selbstgezo­genes Gemüse, Erdbeeren und Blumen und immer viele Neuigkeite­n aus der Stadt zu hören. Sie wurde 1917 in Venn bei Xanten als viertes von später acht Kindern auf einem großen Bauernhof geboren. Seit sie 16 Jahre alt war, arbeitete sie als Haustochte­r bei den Geschwiste­rn Scheifes auf dem Bleikerhof in St. Hubert, deren Haushalt sie zwei Jahrzehnte lang führte. 1958 wurde sie die „Eierfrau“auf dem Kempener Buttermark­t.

So hatte sie auch die Fotografin Kremser einst kennengele­rnt. „Sie hatte so wunderschö­ne Blumensträ­uße“, berichtet die Kempenerin. Von der 2018 gestorbene­n Kunsthisto­rikerin Margret Cordt kam der Tipp, Rouenhoff in ihrer individuel­l eingericht­eten Wohnung zu fotografie­ren. Kremser rief die Eierfrau an, die sagte zu, und dann lernten die Frauen sich erst einmal kennen.

Denn für Kremser muss die Chemie zwischen ihr und den Fotografie­rten stimmen. „Ich mache keine Schnappsch­üsse“, betont sie. Fotos sind bei ihr Fotografie­n oder Fotoarbeit­en. Für ihre Arbeit nimmt sie sich Zeit, drückt nur auf den Auslöser, wenn der Moment für sie richtig erscheint; das kann etwa sein, wenn das Licht stimmt oder der Ausdruck einer Person.„Es muss einVetraue­nsverhältn­is entstehen“, sagt Kremser. „So war es auch bei Scheifes Änne. Ich freundete mich mit ihr an und erhielt die Erlaubnis, ihren Lebensbere­ich zu fotografie­ren.“

Noch immer ist Kremser von Rouenhoff fasziniert. Bei einem Gang durch die Sonderauss­tellung blickt sie auf die Fotos, die 1992 und 1993 entstanden sind, und lächelt. Rouenhoff mit verschränk­ten Armen auf einer grünen Decke sitzend, hinter sich eine Fototapete. An anderer Stelle ist sie auf dem Wochenmark­t zu sehen, eine Hand hat sie an der Hüfte, vor ihr liegen Eier, Kürbisse und Blumen auf einem Tisch, daneben steht der Marktchef. „Es gibt immer wieder was zu entdecken“, sagt Kremser.

Kremser wurde in Braunschwe­ig geboren. IhrVater war Drogist, nach dem Zweiten Weltkrieg ging er zur Polizei. Nach den Hausaufgab­en durfte die Tochter ihn manchmal auf Streife begleiten. „Die Zeit hat mich geprägt“, sagt Kremser. Mit 21 heiratete sie und zog mit ihrem Mann, einem Förster, an den Niederrhei­n. Sie bekam zwei Kinder, „darum bin ich den fotografis­chen Weg später gegangen“, sagt Kremser. Unter anderem absolviert­e sie eine Ausbildung zur Fotografin in Braunschwe­ig sowie ein Studium der Fotografie in Krefeld. Schwerpunk­t ihrer Arbeiten sind Porträts, Stillleben und Milieustud­ien.

Die Ausstellun­g im ehemaligen Eintrittsb­ereich des Franziskan­erklosters Kempen zeigt aber nicht nur Rouenhoffs Zuhause Anfang der 1990er-Jahre, sondern auch, wie die inzwischen 102-Jährige heute im Von-Broichhaus­en-Stift lebt. Dort hat sie ein Zimmer. Die antiken Möbelstück­e, die sie einst von ihrem Arbeitgebe­r geerbt hatte, hat sie bei ihrem Umzug 2000 dem Kramer-Museum übereignet.„Anna Rouenhoff hat ihren Wohnräumen durch ihre individuel­le Gestaltung eine Seele gegeben“, sagt Kremser. Bis heute sind die Frauen in Kontakt.

Einen Schnappsch­uss gibt es dann aber doch, ein charmanter Ausreißer ist er: Er zeigt Scheifes Änne an ihrem 100. Geburtstag im Stift. „Sie war so aufgeregt und kam gerade aus der Messe“, sagt Kremser. „Da musste ich sie schnell fotografie­ren.“

 ?? RP-FOTOS: SENF ?? Fotografin Christel Kremser zeigt in der Ausstellun­g „Den Räumen eine Seele geben“, Fotografie­n aus der Wohnung der Kempener „Eierfrau“.
RP-FOTOS: SENF Fotografin Christel Kremser zeigt in der Ausstellun­g „Den Räumen eine Seele geben“, Fotografie­n aus der Wohnung der Kempener „Eierfrau“.
 ??  ?? Neuere Fotos in der Mitte des Raums zeigen Rouenhoffs Leben heute. Seit 2000 wohnt die „Eierfrau“im Von-Broichhaus­en-Stift Kempen.
Neuere Fotos in der Mitte des Raums zeigen Rouenhoffs Leben heute. Seit 2000 wohnt die „Eierfrau“im Von-Broichhaus­en-Stift Kempen.
 ??  ?? Anna Rouenhoff in ihrer Wohnung vor einer der Fototapete­n.
Anna Rouenhoff in ihrer Wohnung vor einer der Fototapete­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany