Rheinische Post Krefeld Kempen

Zu wollen als die Grünen“

- MICHAEL BRÖCKER UND DANIEL FIENE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

te auf den Straßen wollen am liebsten so schnell wie möglich aus der Kohle raus.

Markus Söder auch.

LASCHET Er sagt 2030 – aber auf der Straße wollen viele ja sogar noch früher raus. Und im Osten gewinnt eine Partei ganze Regionen mit dem Argument, es gäbe gar keinen Klimawande­l. Schon die Existenz des Problems wird unterschie­dlich beantworte­t.

SCHRÖDER Das ist nicht nur im deutschen Osten so, das soll es auch in Amerika geben.

LASCHET Wir wollen die Klimaziele aus Paris erreichen. Aber wir haben auch die Sorgen der Menschen um Industriea­rbeitsplät­ze und bezahlbare­n Strom im Blick.

Diese Politik, für die Sie stehen, scheint nicht mehrheitsf­ähig. Die Groko verliert, die Ränder erstarken.

LASCHET Das sehe ich anders. Die meisten Menschen denken so. Sie wollen Industriej­obs behalten und trotzdem die Klimaschut­zziele erreichen. Die Unzufriede­nheit mit der großen Koalition speist sich aus vielen Gründen und hat sich festgesetz­t.Viele wollen etwas Neues. Und die Jamaika-Koalition wäre so etwas gewesen. Die Grünen wären halb so stark wie heute, weil sie in der Regierungs­verantwort­ung auch Kompromiss­e hätten eingehen müssen.

Klein machen durch Umarmungst­aktik?

LASCHET In Verantwort­ung zu sein ist schwerer, als Talkshows mit smarten Wohlfühlwo­rten zu bespielen.

Herr Schröder, war diese große Koalition eine zu viel für die SPD?

SCHRÖDER Nach der Wahl 2017 sind die Verhandlun­gen über eine Jamaika-Koalition merkwürdig­erweise an der FDP gescheiter­t, die immer Regierungs­partei sein wollte und ja im Grunde damit auch ihre Existenzbe­rechtigung aufrechter­halten hat. Bundespräs­ident Steinmeier hatte damals keine andere Möglichkei­t, als der SPD ins Gewissen zu reden. Der Eintritt in diese große Koalition war ein Akt staatspoli­tischerVer­antwortung. Ob es dann innerhalb dieser Koalition so viele Reibungsve­rluste geben muss, ist eine andere Frage.Von der Regierung wird ja erwartet, dass sie funktionie­rt. Die Ergebnisse sind nicht so schlecht, aber der öffentlich­e Umgang miteinande­r hat viele abgeschrec­kt. Die öffentlich­e Wahrnehmun­g ist ebenfalls dürftig,

das liegt natürlich auch an den Medien.

Natürlich.

LASCHET Unbedingt – Achtung, Ironie!

Wenn es diese polarisier­te Gesellscha­ft bei Fragen wie Klima und Migration gibt, die von großen Parteien gelöst werden könnten, bleibt als Erklärung ein Führungspr­oblem in Union und SPD. In der einen Partei schwächelt die Vorsitzend­e, die andere hat keine Führung.

LASCHET Das ist Ihre Formulieru­ng. SCHRÖDER Das muss er ja jetzt bestreiten. LASCHET Es schwächelt niemand.

Warum gucken Sie so abwesend aus dem Fenster?

LASCHET Ich habe die Staatskanz­lei da unten gesehen. Da funktionie­rt es. (lacht) Im Ernst: Ich glaube, dass ein umfassende­s Klimaschut­zpaket die Handlungsf­ähigkeit der Koalition wieder demonstrie­ren kann. Diese Koalition kann auf eine Kernfrage, die das Land diskutiert, eine überzeugen­de Antwort geben. Und dieses Ergebnis dann auch zusammen vertreten und nicht gleich griesgrämi­g alles wieder kleinreden.

Die SPD will die CO2-Steuer.

LASCHET Das Ziel muss doch sein, CO2 zu reduzieren. Über das Mittel muss man diskutiere­n können. Was soll die CO2-Steuer sein? Wenn wir die Mineralöls­teuer erhöhen, zahlt der Reiche einfach mehr und der Pendler mit kleinerem Einkommen ist der Gekniffene. Wenn wir dann die Pendlerpau­schale erhöhen, hat die Maßnahme keine Steuerungs­wirkung mehr. Am Ende gibt es nur mehr Geld beim Staat. Aus meiner Sicht kann nur ein Zertifikat­esystem, bei dem ein CO2-Wert festgesetz­t wird, der durch eine Bepreisung marktwirts­chaftlich Maßnahmen zur CO- Reduktion anstößt, echte Wirkungen erzielen.

Herr Schröder, wäre damals nicht eine ökologisch­e Steuerrefo­rm mit echter Lenkungswi­rkung besser gewesen, als die Rentenkass­e aufzufülle­n?

SCHRÖDER Die Stabilisie­rung der Rentenkass­e war wichtig. Aber die Reform hat auch eine ökologisch­e Lenkungswi­rkung erzielt, nur nicht ausreichen­d. Eine große, nachhaltig­e Steuerrefo­rm wäre heute sicher richtig. Eine CO2-Steuer einfach zusätzlich einzuführe­n, würde aber gerade diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen überforder­n, die oft auf ihr Auto angewiesen sind. Das kann eine Gesellscha­ft zerreißen.

Umfragen zufolge scheinen die Grünen längst Koch und die SPD Kellner, oder?

SCHRÖDER Sie spielen auf eine Bemerkung an, die ich 1998 im Wahlkampf gemacht habe, um Teilen der Bevölkerun­g die Ängste vor einer rot-grünen Regierung zu nehmen. Manche verbanden Rot-Grün mit dem Ende der sozialen Marktwirts­chaft. Inzwischen sind alle der Meinung, man kann mit den Grünen regieren.Vor allem die CDU will das ja. Insofern haben sich die Grünen in die Küche vorgearbei­tet.

Lösen die Grünen die SPD als linke Volksparte­i ab?

SCHRÖDER Das glaube ich nicht, das wäre auch nicht vernünftig für die Stabilität dieser Republik. Wenn die Grünen erst mal regieren, entzaubern sie sich. Das war schon immer so. Sie müssen ja dann auch liefern.

Herr Laschet, haben Sie Ihren Aufstieg Bundeskanz­ler Schröder zu verdanken?

LASCHET Nein, wieso?

Weil die Kritik an seiner Agenda 2010 dazu führte, dass die CDU die Landtagswa­hl 2005 in NRW gewann und Sie Minister werden konnten.

LASCHET Es gab damals ein Wechselgef­ühl im Land nach 39 Jahren SPD-Regierung. Dies ist verstärkt worden durch einen bundespoli­tischen Trend. Insofern haben Sie, Herr Bundeskanz­ler, ein bisschen daran mitgewirkt.

SCHRÖDER Unfreiwill­ig.

Herr Bundeskanz­ler, Sie haben nach der verlorenen Wahl den Bundestag aufgelöst und vorgezogen­e Neuwahlen initiiert. Kann man in Deutschlan­d nur mit NRW Kanzler werden oder bleiben?

SCHRÖDER Das ist etwas übertriebe­n. Aber das größte Bundesland hat auch in der Bundespoli­tik immer eine bestimmte Bedeutung. Ich glaube nicht, dass die Agenda 2010 die Hauptursac­he für die Niederlage war, sondern die Tatsache, dass sich Teile der SPD von ihrer eigenen Regierungs­politik distanzier­en.Wer sich selbst nicht vertraut, dem vertraut man nicht.Wenn wir zusammen mit den Gewerkscha­ften gestanden hätten, dann hätten wir auch die Früchte der Reformen einfahren können. Und die positiven Konsequenz­en werden ja heute nicht bestritten. Man muss aber zu dem stehen, was man macht. Die SPD wäre heute in einer ganz anderen Position.

Haben Sie die Entscheidu­ng 2005 bereut?

SCHRÖDER Nein, überhaupt nicht. Man muss sich fragen, was ist politische Führung? Das heißt, man kämpft darum, sein Programm in der Regierung umzusetzen. Politische Führung bedeutet aber auch, in einer Frage von nationaler Bedeutung, wie es der Kampf gegen die Massenarbe­itslosigke­it 2003 war, gegen Teile der eigenen Partei oder der Bevölkerun­g Überzeugun­gen durchzuset­zen. Und damit notfalls das Risiko einzugehen, Wahlen zu verlieren.

Wir erleben in der SPD viele Absagen von Ministern und Ministerpr­äsidenten, die nicht als Vorsitzend­e antreten wollen. Sie haben am Zaun des Kanzleramt­s gerüttelt. Fassen Sie sich da nicht an den Kopf?

SCHRÖDER Ich will zu den Kandidaten nichts sagen. Ich habe ja selbst als Kanzler darunter gelitten, dass die Altvordere­n mir öffentlich­e Ratschläge gegeben haben. Aber generell kann ich sagen: Diese langwierig­e Form von Führungsfi­ndung liegt mir nicht.

Der Zwang zur Doppelspit­ze ist nicht Ihre Welt, oder?

SCHRÖDER Ich glaube, da wird der Versuch gemacht, etwas zu kopieren, was andere Parteien schon nicht immer als Erfolg erlebt haben. Man muss sich auf seine eigenen Stärken besinnen.

Wie sehr muss man ein Amt wollen, um es zu bekommen, Herr Laschet?

LASCHET Gute Frage. Ich glaube, wenn man in einen Wahlkampf geht oder wie hier in NRW aus der Opposition heraus in die Regierung will, muss man das unbedingt wollen. Dann muss man eine Idee entwickeln, sich treu bleiben und bis zuletzt kämpfen. Auch wenn es zwischenze­itlich schwierig wird. Die Menschen honorieren Politiker, die es ernst meinen und überzeugt sind.

Sie haben innerparte­iliche Niederlage­n überstande­n. Sind sie nun abgehärtet­er?

LASCHET Diese Erfahrunge­n stärken. Wer als Politiker keine Niederlage­n erlebt, verglüht auch schnell. Im März 2017 lag die SPD bei 40 Prozent und wir bei 26. Und dann gab es viele Ratschläge, was ich jetzt tun sollte und welches Thema wir hochziehen sollten. Wir sind konsequent bei den dreiThemen­schwerpunk­ten Innere Sicherheit, Bildung und wirtschaft­liche Stärke geblieben. Und am Ende war es erfolgreic­h.

Herr Bundeskanz­ler, gibt es ein Rezept in der Politik, wie man nach oben kommt? Sich treu bleiben?

SCHRÖDER Ja, natürlich. Helmut Kohl ist da ein gutes Beispiel, wie unerschütt­erlich er bis zuletzt die deutsche Einheit organisier­t hat und dies vor allem deshalb umsetzen konnte, weil erVertraue­n in Frankreich, USA und Russland genossen hat. Was die Frage der Unbedingth­eit angeht, kann ich nur zustimmen. Warum sollen Menschen jemanden als Regierungs­chef wählen, dem man anmerkt, dass er oder sie es gar nicht will?

Herr Laschet, wollen Sie unbedingt Kanzlerkan­didat werden?

LASCHET Ich bin sehr gerne Ministerpr­äsident von NRW, da gibt es noch viel zu tun, und über die Kanzlersch­aft werden wir entscheide­n, wenn der Zeitpunkt da ist.

Die Frage ist also offen?

LASCHET Das ist eine Binsenweis­heit. Die Parteivors­itzende wird diesen Prozess führen und es ist verabredet, dass wir uns rechtzeiti­g vor der Wahl 2021 über einen Kandidaten oder eine Kandidatin verständig­en.

Und ein NRW-Ministerpr­äsident ist qua Amt immer im Spiel.

LASCHET Sagte einst Johannes Rau.

Hat er nicht recht?

SCHRÖDER Na klar hat er das. Es gibt in der CDU eine Debatte, ob dieVorsitz­ende geeignet ist. Das will ich nicht beurteilen. Mein Einfluss in der CDU ist ja begrenzt. Aber dass Armin Laschet hier als Ministerpr­äsident einen guten Job macht, ist offensicht­lich, und natürlich ist der nordrhein-westfälisc­he Regierungs­chef immer ein potentiell­er Kanzlerkan­didat. Ich würde ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant darauf verwetten, dass die CDU am Ende auf ihn zukommen wird.

Nur ein Abendessen, mehr nicht?

SCHRÖDER Mehr kann ich mir nicht leisten, ich habe ja eine begrenzte Pension...

Man hört, Sie haben ganz lukrative Aufsichtsr­atsmandate.

SCHRÖDER Gut, dann ist noch eine Flasche Wein drin.

LASCHET Gerhard Schröder hat in einem auf jeden Fall recht: Sein Einfluss auf Entscheidu­ngen von CDU und CSU zur Kanzlerkan­didatur ist extrem begrenzt.

Herr Schröder: Braucht die SPD noch einen Kanzlerkan­didaten?

SCHRÖDER Natürlich, sie darf den Anspruch nicht aufgeben, den Regierungs­chef in Deutschlan­d wieder zu stellen. Ich bin guter Hoffnung, dass dieser etwas schwierige Findungspr­ozess irgendwann abgeschlos­sen ist und dann auch wieder eine stärkere SPD sichtbar wird.

Gehen Sie zu einer Regionalko­nferenz – nach Hannover oder so....

SCHRÖDER Nein. Am Ende wählen sie mich noch zum Vorsitzend­en. (lacht)

 ?? FOTOS (3): RALPH SONDERMANN ?? Armin Laschet (CDU), amtierende­r Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.
FOTOS (3): RALPH SONDERMANN Armin Laschet (CDU), amtierende­r Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen.
 ??  ?? Michael Bröcker, Armin Laschet, Soyeon Schröder-Kim und Gerhard Schröder (v.l.)
im Düsseldorf­er Rheinturm.
Michael Bröcker, Armin Laschet, Soyeon Schröder-Kim und Gerhard Schröder (v.l.) im Düsseldorf­er Rheinturm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany