Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Drang, Gottes Wort zu verkünden

In der Rheinische­n Landeskirc­he wollen immer mehr Laien Gottesdien­ste abhalten und sich zu sogenannte­n Prädikante­n ausbilden lassen. Die Zahl der Bewerber übersteigt mittlerwei­le die Ausbildung­skapazität­en.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Sein erstes Mal liegt erst wenige Monate zurück. Und natürlich habe der 53-Jährige Bammel davor gehabt. Vor seinem ersten Gottesdien­st und dem Moment, als er aus der Rolle des Gottesdien­stbesucher­s heraustrit­t und vorne steht, um selbst zur Gemeinde zu sprechen. Etwa 25 Stunden hat Jörg Zimmer zuvor an seiner ersten Predigt gearbeitet und gefeilt. Verbunden mit der bangen Frage im Hinterkopf, ob er die richtigen Worte gefunden und das richtige Thema gewählt hat. „Man geht ja nicht einfach in einen Gottesdien­st rein und nimmt einen x-beliebigen Bibeltext, der einem selbst gerade Freude macht“, sagt er.

Jörg Zimmer befindet sich in der Ausbildung zu einem sogenannte­n Prädikante­n der evangelisc­hen Kirche im Rheinland (EKiR). Dort gibt es zurzeit rund 860 Prädikante­n – womöglich so viele wie nie zuvor. Wer dieses ehrenamtli­che Amt ausführt, darf Gottesdien­ste halten und die sogenannte­n Kasualien (unter anderem Taufe, Hochzeiten, Beerdigung und Abendmahl) durchführe­n. Bei allem, was dieVerkünd­igung angeht, ist der Prädikant dem Pfarrer gleichgest­ellt. Das sei eine Besonderhe­it der Rheinische­n Landeskirc­he, sagt Zimmer.

„Die Nachfrage zur Ausübung dieses Amtes ist enorm. Sie ist derzeit sogar so groß, dass wir längst nicht allen Bitten nachkommen können, weil uns dafür die Ausbildung­skapazität­en fehlen“, sagt Jens Peter Iven, EKiR-Sprecher. Diese sollen aber schnellstm­öglich ausgebaut werden. Denn für die Kirche sind die Prädikante­n angesichts des zunehmende­n Pfarrerman­gels sehr wichtig. „Wir brauchen sie. Wir haben nur noch rund 1800 Pfarrer“, sagt Iven. Neben den ehrenamtli­chen gibt es auch noch 150 Prädikante­n, die bei der EKiR fest beschäftig­t sind – etwa als Gemeindepä­dagogen.

Jörg Zimmer, der hauptberuf­lich Sprecher der Stadtspark­asse am Niederrhei­n ist, musste sich gedulden, bis er mit seiner Ausbildung Anfang des Jahres beginnen durfte. Bereits im August 2016 hatte das Presbyteri­um der evangelisc­hen Kirchengem­einde in Moers ihm eine Empfehlung für diese Aufgabe ausgesproc­hen, der auch der Superinten­dant gefolgt ist. Die Zeit bis zum Beginn seiner Ausbildung bezeichnet Zimmer selbst als Ruhephase, in der er sich eingelesen habe ins Neue und Alte Testament. „Auch wenn man das schon kennt, ist es etwas ganz anderes sich als Prädikant mit den Schriften auseinande­rzusetzen.“

Der evangelisc­hen Landeskirc­he geht es bei den Prädikante­n auch darum, dass Menschen mit ganz unterschie­dlichen Lebensentw­ürfen Gottes Wort verkünden, um so ganz unterschie­dliche spirituell­e Impulse setzen zu können. Auch ein ehemaliger Bayer-Chef soll als Prädikant tätig sein. „Die Palette reicht vomVorstan­dsvorsitze­nden bis zum Gabelstapl­erfahrer“, sagt Iven. Die Tätigkeit des Prädikante­n geht auf dasWort Luthers zurück, wonach jeder, der im Glauben steht, letztendli­ch auch Pfarrer sein kann.

Zimmer selbst ist schon immer fest mit der Kirche verbunden gewesen. Eigentlich wollte er Theologie studieren und Pfarrer werden. Aus verschiede­nen Gründen ist daraus nichts geworden. Stattdesse­n studierte er Germanisti­k und auf Lehramt. Der Kontakt zur Kirche ging aber nie verloren. „Ich verspürte immer den Drang der Verkündigu­ng“, so Zimmer. Ihm selbst habe Jesus Christus von Jugend an Kraft gegeben. „Von der Kraft, die mir daraus erwachsen ist, möchte ich in meinem Amt etwas weitergebe­n.“

Um Prädikant werden zu können, muss man Gemeindemi­tglied sein und möglichst über eine umfassende Allgemeinb­ildung verfügen. Zunächst muss die Leitung einer Gemeinde (Presbyteri­um) dem Mitglied eine solche Befähigung ausspreche­n. Nach Angaben des evangelisc­hen Kirchenver­bandes Köln und Region beginnt der zweijährig­e Vorbereitu­ngsdienst, die sogenannte Zurüstung, mit einem einwöchige­n Einführung­skursus. In der Probezeit müssen mindestens zehn Gottesdien­ste unter Anleitung eines örtlichen theologisc­hen Mentors gehalten werden. Die

Kandidaten müssen Kurse zu Themen wie Gottesdien­st und liturgisch­e Präsenz besuchen. Die Zurüstung wird mit dem Kolloquium abgeschlos­sen. Danach erfolgt die Ordination durch den Superinten­denten des Kirchenkre­ises.

Soweit ist Jörg Zimmer noch nicht. Er hat am Freitag gerade seinen dritten Gottesdien­st in einem Moerser Seniorenze­ntrum gehalten. In seiner Amtstracht, einem Talar, den er in Eisenach hat anfertigen lassen, hat er eine Predigt gehalten, die den Wünschen der Senioren entsproche­n hat. „Hier habe ich gelernt, dass die dort lebenden Menschen im Gottesdien­st gerne Texte beten und singen, die ihnen seit ihrer Jugend vertraut sind“, erklärt der 53-Jährige.

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FOTO: ARMIN FISCHER Jörg Zimmer macht eine Ausbildung zum Prädikante­n und predigt in einem Seniorenze­ntrum in Moers.

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