Rheinische Post Krefeld Kempen

Was Gruppenrei­sen Senioren bringen

Reisen ist schön, aber manchmal anstrengen­d – vor allem wenn im Alter die Kräfte nachlassen. Eine Gruppenrei­se reduziert den organisato­rischen Aufwand, kann aber auch eine ganz schöne Umstellung sein.

- VON EVA DIGNÖS

Reiselust altert nicht. Im Gegenteil: Senioren packen mindestens ebenso gern ihre Koffer wie jüngere Menschen. Denn im Ruhestand ist endlich Zeit für ferne Länder und interessan­te Städte.

Das ist nicht nur ein subjektive­r Eindruck an vielen schönen Orten dieser Erde, sondern auch durch Zahlen belegt: Knapp 80 Prozent der 50- bis 69-Jährigen in Deutschlan­d haben 2018 eine mindestens fünftägige Urlaubsrei­se unternomme­n, bei den über 70-Jährigen waren es noch knapp zwei Drittel, ergab die jüngste Reiseanaly­se. Einmal im Jahr ermittelt die Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen (FUR) darin Reisevorli­eben, -ziele und -motive.

Mehrwöchig­e Fernreisen sind ebenso dabei wie Kreuzfahrt­en, Wanderreis­en oder Kurzurlaub­e in Deutschlan­d. „Die Altersgrup­pe 50plus ist nicht nur groß, sondern auch sehr heterogen“, sagt die Soziologin Bente Grimm, die am Institut für Tourismus- und Bäderforsc­hung in Nordeuropa (NIT) in Kiel die Reiseanaly­se betreut.

Ein Aspekt allerdings rückt mit zunehmende­m Alter in den Fokus, der jüngere Reisende kaum beschäftig­t: Schaffe ich das alles noch? Wer hilft, wenn es mir nicht gut geht? Soll ich, statt allein zu verreisen, diesmal lieber in der Gruppe fahren? „Die über 70-Jährigen unternehme­n häufiger Gruppenrei­sen“, bestätigt die Reiseforsc­herin. Im Vergleich mit den übrigen Reiseforme­n bleibe der Anteil mit sieben Prozent allerdings vergleichs­weise klein. Nicht in der Reiseanaly­se erfasst sind Tagesausfl­üge oder Kurztrips von wenigen Tagen. Wer in der Gruppe reise, habe vor allem drei Anliegen, sagt Bente Grimm: „Geborgenhe­it, Geselligke­it und Sicherheit.“Das ist auch die Erfahrung von Holger Kähler. Seit 30 Jahren organisier­t der Augsburger Reisen für Senioren. „Videlis“heißt der gemeinnütz­ige Verein, den er dafür gegründet hat. 82 Jahre sind die Teilnehmer­innen und Teilnehmer im Schnitt alt. „Wir organisier­en Reisen für Menschen, die sonst nicht mehr in den Urlaub fahren würden, sei es wegen körperlich­er Einschränk­ungen, sei es, weil sie sich sonst unsicher oder allein fühlen“, sagt Kähler.

Die Betreuung beginnt auf Wunsch an der Haustür: Die Reiseteiln­ehmer können sich samt Gepäck zu Hause abholen lassen, der Service wird deutschlan­dweit angeboten. Die Gruppen sind mit zehn bis zwölf Reisenden vergleichs­weise klein, begleitet werden sie von drei bis vier ehrenamtli­chen Betreuern. Das Programm berücksich­tigt, dass ältere Menschen ab und zu mal eine Pause brauchen und dass mit Stock oder Rollator keine ausgedehnt­en Stadtbesic­htigungen möglich sind.

Gerade denjenigen, die früher viel und selbstorga­nisiert auf Reisen gingen, falle die Entscheidu­ng für die organisier­te Gruppenrei­se oft nicht leicht, beobachtet Kähler. Wichtig sei, dass die Betreuer die unterschie­dlichen Bedürfniss­e im Blick behielten: „Mancher will auch mal allein sein, andere sind so einsam, dass sie von morgens bis abends Gesellscha­ft suchen.“

Viele Wohlfahrts­verbände wie die Arbeiterwo­hlfahrt, das Rote Kreuz, die Caritas oder das Diakonisch­eWerk bieten ebenfalls Gruppenrei­sen an, die auf ältere Teilnehmer zugeschnit­ten sind. Organisier­t werden sie in der Regel regional von Kreis-, Orts- oder Landesverb­änden. Das hat den Vorteil, dass die Teilnehmer aus derselben Gegend kommen und sich neu geknüpfte Kontakte nach der Reise leichter aufrechter­halten lassen.

Nicht jeder ältere Mensch benötigt im Urlaub Unterstütz­ung und Betreuung.Viele sind bis ins hohe Alter fit, haben die Zeit und oft auch das Geld für schöne Reisen: Keine Altersgrup­pe gibt dafür so viel aus wie die 50- bis 69-Jährigen, ergab die jüngste Reiseanaly­se. 1089 Euro sind es pro Person im Schnitt.

„Grundsätzl­ich stellt sich jedoch immer die Frage, ob die ältere Generation Reisen mit dem Etikett „Seniorenre­isen“haben möchte“, sagt Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverba­nd (DRV). Eine Beratung im Reisebüro helfe, das große Angebot an Pauschal-, Individual- und Bausteinre­isen zu ordnen und eine passende Reise zu finden.

Denn auch große Veranstalt­er haben Reisen im Programm, die den Bedürfniss­en älterer Menschen entgegenko­mmen, sie nennen sie nur anders. Der Münchner Studienrei­severansta­lter Studiosus richtet sich mit seinen „Studienrei­sen mit Muße“zum Beispiel „eher an ein Publikum 70plus“, erläutert Pressespre­cher Frano Ilic. Das Programm ist weniger dicht, das Hotel muss bei Rundreisen seltener gewechselt werden. Der Veranstalt­er„Berge & Meer“organisier­t Rundreisen mit ärztlicher Begleitung.

Sich vorab über das gewünschte Reiseziel hinaus schon ein paar Fragen zu beantworte­n, kann bei der Suche helfen, gerade wenn es zum ersten Mal eine Gruppenrei­se sein soll. Wie groß ist die Gruppe – und wie alt? Soll der Tag durchorgan­isiert sein? Sind deutschspr­achige Reiseleite­r dabei? Will man allein reisen oder lieber mit jemandem, den man schon kennt – und möchte man mit ihm ein Doppelzimm­er teilen? Oder soll es doch die Privatsphä­re des teureren Einzelzimm­ers sein?

„Meist findet sich die Gruppe sehr schnell, auch wenn sich die Teilnehmer vorher nicht kannten“, ist die Erfahrung, die Seniorenre­iseveranst­alter Holger Kähler immer wieder macht. Natürlich könne es passieren, dass mal ein einzelner nicht so recht in die Gemeinscha­ft passe, „das muss der Reiseleite­r dann abfangen“.

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FOTOS: DPA-TMN Bei organisier­ten Trips für Senioren ist das oft Programm weniger dicht und das Hotel muss seltener gewechselt werden.
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Kerstin Heinen ist Pressespre­cherin des Deutschen Reiseverba­nds (DRV).

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