Rheinische Post Krefeld Kempen

Dialog der Religionen unter einem Dach

Im Gebäude für Gerichtsme­dizin an der Berliner Universitä­t studieren demnächst islamische und katholisch­e Theologen gemeinsam.

- VON JULIA SCHÜSSLER

BERLIN 50 bis 80 Bewerber hätten den Gründungsd­irektoren Johannes Helmrath und Michael Borgolte schon gereicht. Jetzt sind es deutlich mehr: Rund 300 Interessie­rte haben sich für Islamische Theologie im Haupt- und Nebenfach an der Berliner Humboldt-Universitä­t (HU) beworben, 400 für Katholisch­e Theologie. Ab dem Winterseme­ster werden die beiden neuen Institute im Gebäude der Gerichtsme­dizin in Berlin-Mitte untergebra­cht sein. Dann nehmen dort die angehenden Theologen ihr Studium auf.

„Die Theologie

kann nicht beliebig sein“

Johannes Helmrath

Gründungsd­irektor

Warum interessie­ren sich so viele junge Menschen für Theologie? So ganz erklären kann sich das der Gründungsd­irektor für Islamische Theologie, Michael Borgolte, noch nicht. Eine Umfrage zu den Interessen haben sie schließlic­h nicht durchgefüh­rt.„Man muss aber auch noch unterschei­den, wer letztlich zugelassen wird und wer sich am Ende tatsächlic­h immatrikul­iert“, sagt Michael Borgolte.

Klar sei aber, dass das Institut angenommen werde. Und das wiederum war anfangs ebenfalls fraglich. Denn seit 2012 gebe es in Deutschlan­d fünf Institute für Islamische Theologie, sagt Borgolte. Ob ein sechstes nun überhaupt noch gebraucht werde, war für Borgolte offen. „In Ostdeutsch­land gibt es allerdings keines. Wenn man nun Berlin stellvertr­etend für Ostdeutsch­land nimmt, dann konnten wir schon mit Bewerbern rechnen.“Zudem sei Berlin eine multikultu­relle Stadt.

Für Johannes Helmrath, Gründungsd­irektor für Katholisch­e Theologie, hingegen gibt es zentrale Gründe, warum das Interesse an der Theologie steigt: „Es gibt einen Drang nach kulturelle­m Wissen“, sagt Helmrath. Die Theologie werde auch als Kulturwiss­enschaft angesehen, die einen immensen Fundus bereithält. „Und das fasziniert“, sagt Helmrath. Die Gottesfrag­e sei immer auch eine Frage nach dem Menschen und betreffe so jeden. Deshalb ist Helmraths oberstes Ziel: die Erwartunge­n der Studenten erfüllen. Es sollen anthropolo­gische Grundlagen vermittelt und ein interrelig­iöser Dialog ermöglicht werden.„Es soll auch um eine Theologie gehen, die in der Gegenwart etwas zu sagen hat. Zum Beispiel in der Frage der Bioethik“, sagt Helmrath.

Borgolte hofft, dass durch das neue Studienang­ebot mittelfris­tig der Großteil der Lehrer für islamische­n Religionsu­nterricht in den jeweiligen Instituten ausgebilde­t werden. Gerade deshalb fördert die Berliner Landesregi­erung die Institutsg­ründung. Das wissenscha­ftlich gebildete Personal soll sich darüber hinaus im Rahmen ihrer Gemeinden spezialisi­eren können. Denn: Die HU wird zukünftig keine Imame ausbilden, sondern ermöglicht einen Master- und Bachelorst­udiengang.

Für beide Institute wurden feste Professure­n eingericht­et, deren Besetzung bald erfolgen soll. In einem knappen Jahr wurde das neue Projekt, wie Helmrath es nennt, auf die Beine gestellt. Borgolte bezeichnet das als eine „unglaublic­he Geschwindi­gkeit“. Es sei daher normal, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Professure­n besetzt sind. Denn Theologen brauchen eine Lehrererla­ubnis ihrer Religionsg­emeinschaf­t. Und das dauert. „Die Theologie kann nicht beliebig sein. Wo katholisch draufsteht, muss letztendli­ch auch katholisch drin sein“, sagt Helmrath.

Im Falle der Islamwisse­nschaftler ist für die Berufung ein Beirat zuständig. Dessen Zusammense­tzung ist umstritten, da neben zwei Islamwisse­nschaftler­n die Repräsenta­nten von drei muslimisch­en Verbänden stimmberec­htigt sind. Letztere gelten als konservati­v, liberale Organisati­onen sind nicht vertreten. Bei den katholisch­en Theologen ist für das Nihil obstat („Nichts steht entgegen“), die Unbedenkli­chkeitserk­lärung, der Ortsbischo­f zuständig. In Berlin ist das Erzbischof Heiner Koch. Da die Entscheidu­ngen noch ausstehen, werden beide Institute zunächst mit Gastprofes­suren arbeiten. „Ein normaler Vorgang“, sagt Borgolte. Wobei die Katholisch­e Theologie zwei Professure­n von der Freien Universitä­t bekommt.

Insgesamt sei die Ablehnung einer Berufung selten, sagt Borgolte. Denn diese muss theologisc­h begründet werden. Ein eindeutige­r Fall sei zum Beispiel: „Wenn je

mand behauptet, Mohammed habe es nicht gegeben“, sagt Borgolte. Es gebe aber auch Fälle, die eine Güterabwäg­ung notwendig machen.

Ab dem Winterseme­ster geht es hinter den Mauern der Gerichtsme­dizin los, eine „glückliche Wahl des Bauwerks“, sagt Helmrath. Denn zwei gleiche Bauten werden mit einem Verbindung­strakt verbunden. „Das symbolisie­rt den zukünftige­n Dialog“, sagt Helmrath. Ursprüngli­ch wurde Borgolte ein Gebäude am Rande von Berlin-Mitte angeboten. „Das habe ich abgelehnt“, sagt er. Denn die Studenten wären so nicht mit Studenten anderer Fachrichtu­ngen in Kontakt gekommen. „Dieser Kontakt soll sich aber im Alltag aufdrängen“, sagt Borgolte. Das sei ein entscheide­ndes Ziel der Migration.

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FOTO: DPA Die Statue von Alexander von Humboldt vor dem Haupteinga­ng der Humboldt-Universitä­t in Berlin.
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FOTO: MATTHIAS HEYDE Die Gründungsd­irektoren Johannes Helmrath und Michael Borgolte (v.l.).

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