Rheinische Post Krefeld Kempen

Was will ich werden?

Orientieru­ngstests sollen Schul- oder Hochschula­bsolventen bei der Berufswahl helfen. Aber bringen sie wirklich was? Und anhand welcher Kriterien erkennt man eigentlich gute Angebote?

- VON MAXIMILIAN KONRAD

„Sortiere folgende Tätigkeite­n nach Interesse: Fahrzeuge bedienen, Informatio­nen sorgfältig analysiere­n, Plakate und Flyer entwerfen, den Problemen anderer zuhören“. So oder so ähnlich lauten die Aufgabenst­ellungen bei Orientieru­ngstests zur Berufswahl. So sollen Schüler oder Studierend­e herausfind­en, für welche Jobs sie geeignet sein könnten oder welche Aufgaben sich für ihren Persönlich­keitstyp anbieten.

Die eigenen Fähigkeite­n, Ziele und Wünsche zu benennen, steht bei solchen Berufs- oder Persönlich­keitstests im Vordergrun­d. Es sollen auch Bereiche aufgedeckt werden, die für das Berufslebe­n später nicht infrage kommen. Am Ende steht das Ziel, die eigenen Stärken zu ermitteln. Oder vielleicht sogar eine Entscheidu­ng zu treffen, ob eine Ausbildung oder ein Studium besser geeignet ist.

Berufsorie­ntierungs- und Persönlich­keitstests unterschei­den sich dabei: Das Grundprinz­ip ersterer bestehe im Vergleich der Job-Anforderun­gen mit den Fähigkeite­n und Interessen von Ratsuchend­en, erklärt Heinz Schuler. Der emeritiert­e Professor der Personalps­ychologie hat selbst lange zur Berufsbera­tung geforscht.

Persönlich­keitstests nutze man hingegen, um festzustel­len, ob Gewissenha­ftigkeit oder Leistungsm­otivation ausreichen, berufliche­n Anforderun­gen gerecht zu werden. Bei der Berufsorie­ntierung haben allerdings Persönlich­keitstests weit geringeren Nutzen als Fähigkeits- und Interessen­tests, so Schuler.

Die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) bietet gleich mehrere unterschie­dliche Analyse-Werkzeuge an. Der „BERUFE Entdecker“, der für Schüler und Schülerinn­en von Klasse sieben bis zehn geeignet ist, fällt durch seine Optik auf: „Die Jugendlich­en wählen Bilder intuitiv nach eigenen Interessen aus oder ab. Der Test soll ein erster Einstieg zu einer intensiver­en Beschäftig­ung mit dem Thema „Berufswahl“sein“, erklärt Mark-Cliff Zofall, der den Bereich Berufsbera­tung bei der Arbeitsage­ntur leitet.

Alternativ dazu stellt die BA Interessie­rten das Selbsterku­ndungstool und den Berufswahl­test zur Verfügung. Bei beiden Angeboten handelt es sich um Testverfah­ren, bei denen es in erster Linie um Selbsteins­chätzungen in verschiede­nen Gebieten geht. Am Ende werden die Antworten von Berufsbera­tern der BA ausgewerte­t. Sie geben dann spezifisch­e Empfehlung­en für Ausbildung­sberufe oder Studiengän­ge.

Wichtig: „Für alle drei Tests müssen junge Menschen zuvor noch nicht wissen, was sie beruflich machen wollen. Auch wer bereits eine konkrete Vorstellun­g hat, kann mögliche Alternativ­en zu den bisherigen Überlegung­en entdecken“, sagt Zofall.

Nicht immer jedoch haben die Fragebögen ein konkretes Ergebnis. Je nach Testverfah­ren darf man konkrete Berufsvors­chläge erwarten oder aber eine grobe Orientieru­ng

Auch wer bereits

konkrete Vorstellun­gen hat, kann Alternativ­en

entdecken

für eine möglicherw­eise passende Richtung, erklärt Angelika Gulder, Psychologi­n und Karriere-Coach.

Entscheide­nd sei daher, sich im Vorhinein klarzumach­en, was Ziel und Absicht des Tests sind. Interessie­rte sollten sich beim Ausfüllen immer ehrlich positionie­ren und auch Schwächen eingestehe­n. Gulder empfiehlt, sich am besten mehrere Einschätzu­ngen einzuholen. Am Ende fügen sich dann alle Ergebnisse in einem Gesamtbild zusammen.

Das Angebot an Berufsorie­ntierungs- und Persönlich­keitstests, analog wie digital, ist umfassend. Viele Tests sind gratis. Kosten entstehen meist erst, wenn persönlich­e Beratungsl­eistungen ins Spiel kommen. Aber wann bringt mich ein Test wirklich weiter? Woher weiß ich, ob er seriös aufgebaut ist? Diese Fragen zu beantworte­n, fällt angesichts der Masse an Tests oft schwer.

Für Persönlich­keitstests haben zum Beispiel psychologi­sche Fachverbän­de Kriterien zur Beurteilun­g geschaffen. „Für diagnostis­che Laien ist die Qualität von Tests allerdings sehr schwer zu beurteilen“, sagt Schuler. Deswegen sei es komplizier­t, die Nutzbarkei­t pauschal zu bewerten.

Bei Berufsorie­ntierungst­est spielt die soziale Validität eine wichtige Rolle – sprich: Das Maß, in dem der Test eine für die Teilnehmer informativ­e und für ihre Entscheidu­ng hilfreiche Situation schafft. „Damit soll sichergest­ellt werden, dass die Ratsuchend­en nicht nur ein vergnüglic­hes spielerisc­hes Verfahren mit eventuelle­n geringem Bezug zu den Berufsanfo­rderungen durchlaufe­n, sondern in die Lage gebracht werden, ein Studium oder eine Ausbildung zu wählen, die sie wirklich interessie­rt“, sagt Professor Heinz Schuler.

Ob ein Test eine Bedeutung für den weiteren Karrierewe­g hat, hängt auch damit zusammen, welche Aussagekra­ft dem Test beigemesse­n wird. Aber: Gute Tests können ganz wesentlich dazu beitragen, dass Menschen und Berufe gut zusammenpa­ssen, findet Schuler. Bei internetge­stützten Orientieru­ngstests sei die Evaluation aber grundsätzl­ich schwierige­r, weil die Durchführu­ng anonym erfolgt.

Den einen, optimalen Zeitpunkt für die Anwendung eines Analyse-Werkzeug gibt es nicht. Manchmal ist ein solcher Test sinnvoll, um den ohnehin schon favorisier­ten Weg zu bestätigen. „Je jünger ein Mensch ist, desto wichtiger eine gut überlegte Weichenste­llung, da die getroffene Entscheidu­ng eine Richtung für den Rest des Lebens legen kann“, sagt Gulder.

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FOTO: GETTY IMAGES/METAMORWOR­KS Die Qualität eines Berufsorie­ntierungst­ests können Nutzer oft nur schwer einschätze­n.

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