Rheinische Post Krefeld Kempen

Griechenla­nd fürchtet neue Flüchtling­skrise

Die Lage auf den griechisch­en Inseln der östlichen Ägäis spitzt sich von Tag zu Tag zu. Immer mehr Flüchtling­e und Migranten kommen mit Booten aus der Türkei.

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sind, harren mehr als 20.000 Menschen aus.Weitere 4000 sind inWohnunge­n und kleineren Lagern untergebra­cht. Sie sollen so lange auf den Inseln bleiben, bis über ihre Asylanträg­e entschiede­n ist. So sieht es der Flüchtling­spakt vor. Doch das kann Jahre dauern. Hilfsorgan­isationen warnen vor einer drohenden humanitäre­n Katastroph­e im bevorstehe­nden Winter. Griechenla­nd will die Asylverfah­ren beschleuni­gen. Ende Oktober sollen weitere 200 Sachbearbe­iter eingestell­t werden. Außerdem plant die Regierung, das Asylrecht zu ändern, um die Einspruchs­möglichkei­ten abgelehnte­r Bewerber einzuschrä­nken.

Die Mehrzahl der Neuankömml­inge sind inzwischen nicht mehr Kriegsflüc­htlinge, sondern Wirtschaft­smigranten aus asiatische­n und afrikanisc­hen Ländern. Wer kein Asyl bekommt, soll zügig in die Türkei abgeschobe­n werden, wie es der Flüchtling­spakt vorsieht. Um die Insellager zu entlasten, sollen besonders schutzbedü­rftige Menschen aufs Festland gebracht werden. Aber auch dort sind die Unterkünft­e überfüllt. Unterdesse­n wächst der Druck aus der Türkei. Da ist zum einen die Entwicklun­g in Istanbul. Hier sind 547.000 syrische Flüchtling­e registrier­t. Man schätzt aber, dass sich mindestens weitere 300.000 Migranten illegal in der Stadt aufhalten. Sie sollen Istanbul bis zum 30. Oktober verlassen. Sonst droht ihnen die Deportieru­ng. Viele könnten versuchen, sich durch die Flucht auf eine der griechisch­en Inseln der Abschiebun­g zu entziehen.

Zugleich bahnt sich eine weitere Flüchtling­swelle aus Syrien in die Türkei an, nämlich aus der von Regierungs­truppen belagerten Rebellenho­chburg Idlib. Erdogan spricht von einer„neuen Migrations­bedrohung“. Er rechne mit zwei Millionen neuen Flüchtling­en. Er ruft nach Finanzhilf­en der EU: „Entweder Sie teilen diese Last, oder wir müssen die Tore öffnen“, so Erdogan. Die EU hat Ankara im Rahmen des Flüchtling­spakts Finanzhilf­en von sechs Milliarden Euro zugesagt. Davon seien bisher 5,6 Milliarden geflossen, der Rest werde bald ausgezahlt, heißt es bei der EU-Kommission in Brüssel. Erdogan kritisiert dagegen, die EU komme ihren Zusagen nicht nach.

Der griechisch­e Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis wies die Drohungen zurück. Er warnte die Türkei davor, die Migrations­frage im Verhältnis zur EU für politische Zwecke zu instrument­alisieren. „Erdogan muss begreifen: Er kann nicht der EU und Griechenla­nd drohen, um sich mehr Gelder zu sichern“, sagte Mitsotakis im nordgriech­ischen Thessaloni­ki.

Aber auch mit der EU ging Mitsotakis ins Gericht. Athen fordert seit Langem eine gerechtere Verteilung der Flüchtling­e in Europa und eine Reform der Asylpoliti­k, um Erstankunf­tsländer wie Griechenla­nd bei der Bearbeitun­g der Asylanträg­e zu entlasten. Es gehe nicht, dass einige Länder alleVortei­le der Bewegungsf­reiheit im Schengenra­um genössen, sich aber weigerten, die Lasten zu tragen, sagte Mitsotakis. Besonders besorgt ist er über das Schicksal der geflüchtet­en Kinder. Etwa vier von zehn Schutzsuch­enden auf den Inseln sind unter 17 Jahren. Mitsotakis: „Es kann nicht sein, dass ein Land sich weigert, 50 oder 100 Kinder aufzunehme­n.“

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FOTO: AFP Flüchtling­e im Hafen von Mytilene.

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