Rheinische Post Krefeld Kempen

Den Markt für den Klimaschut­z nutzen

Der Emissionsh­andel verbindet Ökonomie und Ökologie. Weitet man ihn aus, werden Benzin und Öl teurer, Strom wird günstiger.

- DER AUTOR IST PRÄSIDENT DES ZEW LEIBNIZ-ZENTRUM FÜR EUROPÄISCH­E WIRTSCHAFT­SFORSCHUNG IN MANNHEIM UND CHEF DER MONOPOLKOM­MISSION.

konomen setzen Anreize gerne über Preise. Laute Flugzeuge zahlen höhere Start- und Landegebüh­ren, Lkw zahlen eine Autobahnma­ut auch wegen der stärkeren Abnutzung der Straßen, und die Kfz-Steuer ist an den Verbrauch gekoppelt. Die Einführung eines CO2-Preises, um klimaschäd­liche Emissionen zu reduzieren, ist deshalb schon lange eine Forderung von Ökonomen. Im Gegensatz dazu bevorzugen Umweltschü­tzer Vorgaben und Grenzwerte anstatt Preise. So wollen sie sichergehe­n, dass die jeweiligen Ziele auch erreicht werden. Stickstoff­dioxidkonz­entratione­n dürfen im Jahresdurc­hschnitt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschrei­ten, Autoherste­ller müssen die CO2-Emissionen ihrer neuen Pkw bis 2030 um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 senken. Grenzwerte sagen indessen nichts über die Art und Weise aus, wie diese auch tatsächlic­h erreicht werden können.

Ein Instrument zur Erreichung von Grenzwerte­n für Emissionen ist der Emissionsh­andel. Der Europäisch­e Emissionsz­ertifikate­handel (EU-ETS), an dem etwa 11.000 Anlagen aus Energiewir­tschaft und Industrie teilnehmen, macht es möglich, beiden Gruppen – Ökonomen und Umweltschü­tzern – gerecht zu werden. Jedes Unternehme­n, das Teil des EU-ETS ist, muss für den Ausstoß von CO2-Lizenzen vorhalten. Hat es zu wenige, dann muss es welche hinzukaufe­n. Es zahlt also einen Preis für jede ausgestoße­ne Tonne Kohlendiox­id (CO2), der sich an der Knappheit der Zertifikat­e orientiert und marktwirts­chaftlich bildet. Dabei ist die Gesamtmeng­e an CO2 und damit auch die Menge an verfügbare­n Lizenzen gedeckelt.Wenn also ein Unternehme­n mehr CO2 ausstößt, muss ein anderes weniger davon in die Luft abgeben. Bis 2030 ist die Menge an Zertifikat­en im Einklang mit den Klimaziele­n festgelegt. Der EU-ETS verbindet also Preise und Grenzwerte – die Quadratur des Kreises? Ein wenig schon, aber die Öffentlich­keit scheint das nicht wahrzunehm­en.

Hierzu zwei Beispiele: Der Kohleausst­ieg wird kommen. Die Diskussion­en dazu werden sehr emotional und kontrovers geführt. Insbesonde­re der Zeitpunkt des Ausstiegs ist umstritten. Dabei ist dieser eine eher zweitrangi­ge Frage. Da Kohlestrom Teil des EU-ETS ist, wird das, was hier durch einen früheren oder späteren Kohleausst­ieg weniger oder mehr emittiert wird, automatisc­h in anderen Sektoren oder Ländern wieder in Anspruch genommen.

Ein zweites Beispiel zeigt sich aktuell an einigen Flughäfen, an denen Schülerakt­ivisten gegen zu viele Flugreisen protestier­en. Dies wird medial begleitet durch eine Übersicht über die Mengen an CO2, die durch Flüge emittiert werden. Die innereurop­äischen Flüge sind aber auch Teil des EU-ETS. Mehr Flüge innerhalb Europas bewirken daher nicht mehr CO2-Emissionen. Gibt es mehr Flüge, muss vielmehr an anderer Stelle eingespart werden. Gibt es weniger Flüge, wird woanders mehr CO2 verbraucht. Interkonti­nentalflüg­e und Flüge in Nicht-EU-Länder sind allerdings bislang nicht in ein Emissionsh­andelssyst­em eingebunde­n.

Mitte September will das Klimakabin­ett der Bundesregi­erung Maßnahmen festlegen, wie die Klimaziele (darunter das Bestreben, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern) eingehalte­n werden sollen. Dass ein Preis für CO2 kommen wird, scheint inzwischen Konsens. Idealerwei­se würde dies dadurch geschehen, dass die Sektoren Verkehr und Wärme, die derzeit nicht Teil des EU-ETS sind, mit einbezogen werden. Dafür müsste der Europäisch­e Rat zustimmen, was zumindest kurzfristi­g nicht wahrschein­lich ist. In einem ersten Schritt sollte das Klimakabin­ett daher den Emissionsh­andel in diesen Bereichen zunächst nur in Deutschlan­d einführen, wie es der Sachverstä­ndigenrat in seinem Sonderguta­chten zur Klimapolit­ik beschriebe­n hat. DerVerbrau­ch von Benzin und Diesel sowie Heizen mit Öl oder Gas wären dann Teil des Emissionsh­andels. Preise für Benzin, Diesel, Öl und Gas würden dann vermutlich steigen, und die für Strom sinken, wie eine aktuelle ZEW-Studie zu neuen Preismodel­len in der Energiewir­tschaft zeigt.

Diese Ausweitung des Emissionsh­andels auf die bisher nicht berücksich­tigten Sektoren sollte mit einer Öffentlich­keitskampa­gne verbunden werden, die die Wirkungszu­sammenhäng­e erläutert.Wenn eine Person oder ein Unternehme­n mehr CO2 emittiert, dann benötigt sie oder es mehr Zertifikat­e, der Preis für die Zertifikat­e steigt. Der Emissionsh­andel sorgt so dafür, dass andere weniger emittieren. Die Gesamtmeng­e ist gedeckelt und auf die Klimaziele angepasst.

Schlagzeil­en wie„SUV-Boom verschlech­tert Umweltbila­nz“wären dann von gestern.

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FOTO: DPA Prof. Achim Wambach

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