Rheinische Post Krefeld Kempen

H.P. Daniels stellt Buch über Rebellion und Aufbruch vor

- VON RUDOLF BARNHOLT von Franz-Josef Degenhardt kennen und lieben, Jack Kerouacs „On the Road“und trafen in Bad Oldesloe unter anderemWin­nie, den Sohn eines durchgekna­llten Vaters und einer liberalen Mutter. Auf den ersten Joint folgte die erste Schallplat

Er war Sänger und Journalist, und er musste 67 Jahre alt werden, bis er Anfang des Jahres seinen ersten Roman veröffentl­ichte: H.P. Daniels las am Sonntagabe­nd in der Grefrather Buchhandlu­ng aus „Runaway“. Rund 70 Zuhörerinn­en und Zuhörer wollten sich das nicht entgehen lassen.

Der Autor, der eine gewisse Ähnlichkei­t mit dem Schauspiel­er und Sänger Volker Lechtenbri­nk hat, fing mit einer kurzen Schilderun­g seiner Anreise von Berlin mit Bahn und Bus sowie mit einer Zugabe an: Er griff zur Gitarre – und da war sie wieder, die Kraft der 1960er- und 1970er-Jahre, eine Kraft, die Rebellion und Aufbruch verhieß. Darum geht es auch in „Runaway“. Die beiden Protagonis­ten heißen Petty und Riemschnei­der, zwei 16-jährige Jungen, die von München nach Hamburg fliehen. Ihre traurige Gemeinsamk­eit: die autoritäre­n Väter, die Gespräche zu Verhören werden lassen, die zu Gewalt neigen und zu Häme sowieso. Was im Verlauf der Lesung angenehm auffiel: Der Autor liebt durchaus die leiseren Töne, er schaut genau hin, wird zum Zeugen einer für junge Menschen schwer verständli­chen Zeit. Und weil das so ist, ist „Runaway“nicht nur Pflichtlek­türe für alle, die in den 1950er-Jahren geboren wurden, sondern auch für die Jüngeren – diejenigen, die sich kaum vorstellen können, wie ein Wählscheib­entelefon aussieht und wie autoritär und düster die Atmosphäre in den Wohnstuben der Republik einst war.

Der Leser erlebt, wie die beiden jungen Männer ihre Persönlich­keit unter schwierige­n Bedingunge­n langsam aber sicher entfalten. Petty will Musiker und Schriftste­ller werden, was später zu der Frage führte, ob der Roman autobiogra­fisch angelegt sei. H.P. Daniels verneinte. Riemschnei­der zeichnet wie ein Besessener, der Zuhörer ahnt, dass eine kreative Ader in der Enge des autoritäre­n Elternhaus­es keinerlei Chance auf Entfaltung gehabt hätte. Die Zeit beim Sozialisti­schen Deutschen Studentenb­und in einem Hamburger Keller idealisier­t der Autor nicht: Pennen und protestier­en in unwirtlich­em Ambiente, endlose Diskussion­en, Gammler mit zotteligen, stark riechenden Afghanen-Mänteln – das klingt ernüchtern­d und ist doch die Chance für die beiden Protagonis­ten, sich zu Individuen zu entwickeln. Sie lernen die „Schmuddelk­inder“

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FOTO: WOLFGANG KAISER Autor H.P. Daniels bei der Lesung seines Romans „Runaway“in der Buchhandlu­ng Karl Groß in Grefrath.

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