Rheinische Post Krefeld Kempen
Tauziehen um Talente
Am Samstag treffen der BVB und Bayer 04 aufeinander. Doch im Hintergrund läuft dieses Duell schon seit Wochen auf verschiedenen Ebenen.
Es ist so etwas wie das erste Spitzenspiel der Saison: Am Samstag empfängt Dortmund den Rivalen aus Leverkusen zum Duell der Champions-League-Teilnehmer. Und auch wenn es erst wirklich losgeht, wenn Schiedsrichter Daniel Siebert die Partie um 15.30 Uhr anpfeift, duellieren sich beide Klubs schon seitWochen und Monaten auf verschiedenen Ebenen. Sie ringen um ihre Position in der Liga und in Europa. Die Partie ist damit auch eine Fortführung der Machtkämpfe außerhalb des Stadions.
Die Blicke der Zuschauer werden am Samstag vor allem auf einen Borussen-Profi gerichtet sein: Julian Brandt. Der deutsche Nationalspieler hat Bayer Leverkusen nach fünfeinhalb Jahren verlassen und sich dem Vizemeister angeschlossen. Mit seiner Entscheidung, dem Klub den Rücken zu kehren, für den er seit der A-Jugend spielte, wartete der 23-Jährige bis nach dem Saisonende. Erst auf einer gemeinsamen Abschlussfahrt der Werkself nach Barcelona verkündete er seinen Teamkollegen, dass er sich dem BVB anschließen würde. Für die dank einer Ausstiegsklausel vergleichsweise geringe Ablösesumme von 25 Millionen Euro hatte Schwarz-Gelb Leverkusen einen ihrer besten Spieler genommen – und damit den ersten Wirkungstreffer gelandet.
Beim Anhang desWerksklubs kam der Brandt-Abgang zu einem Liga-Konkurrenten freilich wenig gut an. Unter Trainer Peter Bosz hatte der Blondschopf die beste Rückrunde seiner Karriere gespielt und war auf seiner neuen Position im offensiven Mittelfeld an der Seite seines Freundes Kai Havertz zu einem der wertvollsten Elemente im boszschen System gereift. Einen Wechsel zu einem internationalen TopKlub wie Liverpool hätten sie ihm unter dem Bayer-Kreuz kaum übel genommen. Aber ausgerechnet zum BVB und Lucien Favre? Ein Unding in den Augen vieler Fans des Werksklubs.
Einen nicht unerheblichen Anteil am Brandt-Wechsel wird auch Dortmunds Kapitän Marco Reus zugeschrieben. Der hatte seinen Nationalmannschaftskollegen die Vorzüge, für den BVB aufzulaufen, mehr als einmal aufgezählt. Und letztlich mit Erfolg. Dass er in der vergangenen Woche nun auch noch Havertz zum BVB lotsen wollte, brachte die Bayer-Fans endgültig auf die Palme. Zwar ließ Reus alsbald klarstellen, dass er die Rekrutierungsversuche nur als Scherz verstanden haben wollte; und auch Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc pfiff seinen Führungsspieler schnell zurück. Das Thema war aber in derWelt, und die Wut der Leverkusener auf die Dortmunder noch größer.
Auch abseits der sportlichen Ebene schwelt der Zweikampf um die Spitzenposition im deutschen Fußball hinter dem FC Bayern München zwischen beiden Vereinen schon eine Weile. Erst in dieser Woche trafen sich die Vereinschefs Hans-Joachim Watzke (BVB) und Fernando Carro (Bayer 04) in Genf zur Generalversammlung der europäischen Spitzenklubs. Während sich der 60-jährige Dortmunder in der Schweiz in den Vorstand der Europäischen Klub-Vereinigung (ECA) wählen ließ, vertritt sein fünf Jahre jüngeres Pendant aus Leverkusen die Interessen der Bundesligisten künftig im CCC: einem Gremium, das sich aus Vertretern der ECA sowie Mitgliedern des europäischen Fußball-Verbandes zusammensetzt.
Ursprünglich hatte auch Carro einen Posten in der ECA angepeilt. So wäre es beinahe schon am Dienstag auf Funktionärsebene zum Zweikampf zwischen Dortmund und Leverkusen gekommen. Carro zog seine Kandidatur jedoch in letzter Minute zurück und erhielt einen Posten im CCC.
Der Vorsprung der Dortmunder auf den Werksklub abseits des Rasens ist noch immer unbestreitbar. Wie sich die aktuellen Kräfteverhältnisse sportlich darstellen, wird der Samstag zeigen.