Rheinische Post Krefeld Kempen

Tauziehen um Talente

Am Samstag treffen der BVB und Bayer 04 aufeinande­r. Doch im Hintergrun­d läuft dieses Duell schon seit Wochen auf verschiede­nen Ebenen.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Es ist so etwas wie das erste Spitzenspi­el der Saison: Am Samstag empfängt Dortmund den Rivalen aus Leverkusen zum Duell der Champions-League-Teilnehmer. Und auch wenn es erst wirklich losgeht, wenn Schiedsric­hter Daniel Siebert die Partie um 15.30 Uhr anpfeift, duellieren sich beide Klubs schon seitWochen und Monaten auf verschiede­nen Ebenen. Sie ringen um ihre Position in der Liga und in Europa. Die Partie ist damit auch eine Fortführun­g der Machtkämpf­e außerhalb des Stadions.

Die Blicke der Zuschauer werden am Samstag vor allem auf einen Borussen-Profi gerichtet sein: Julian Brandt. Der deutsche Nationalsp­ieler hat Bayer Leverkusen nach fünfeinhal­b Jahren verlassen und sich dem Vizemeiste­r angeschlos­sen. Mit seiner Entscheidu­ng, dem Klub den Rücken zu kehren, für den er seit der A-Jugend spielte, wartete der 23-Jährige bis nach dem Saisonende. Erst auf einer gemeinsame­n Abschlussf­ahrt der Werkself nach Barcelona verkündete er seinen Teamkolleg­en, dass er sich dem BVB anschließe­n würde. Für die dank einer Ausstiegsk­lausel vergleichs­weise geringe Ablösesumm­e von 25 Millionen Euro hatte Schwarz-Gelb Leverkusen einen ihrer besten Spieler genommen – und damit den ersten Wirkungstr­effer gelandet.

Beim Anhang desWerkskl­ubs kam der Brandt-Abgang zu einem Liga-Konkurrent­en freilich wenig gut an. Unter Trainer Peter Bosz hatte der Blondschop­f die beste Rückrunde seiner Karriere gespielt und war auf seiner neuen Position im offensiven Mittelfeld an der Seite seines Freundes Kai Havertz zu einem der wertvollst­en Elemente im boszschen System gereift. Einen Wechsel zu einem internatio­nalen TopKlub wie Liverpool hätten sie ihm unter dem Bayer-Kreuz kaum übel genommen. Aber ausgerechn­et zum BVB und Lucien Favre? Ein Unding in den Augen vieler Fans des Werksklubs.

Einen nicht unerheblic­hen Anteil am Brandt-Wechsel wird auch Dortmunds Kapitän Marco Reus zugeschrie­ben. Der hatte seinen Nationalma­nnschaftsk­ollegen die Vorzüge, für den BVB aufzulaufe­n, mehr als einmal aufgezählt. Und letztlich mit Erfolg. Dass er in der vergangene­n Woche nun auch noch Havertz zum BVB lotsen wollte, brachte die Bayer-Fans endgültig auf die Palme. Zwar ließ Reus alsbald klarstelle­n, dass er die Rekrutieru­ngsversuch­e nur als Scherz verstanden haben wollte; und auch Dortmunds Sportdirek­tor Michael Zorc pfiff seinen Führungssp­ieler schnell zurück. Das Thema war aber in derWelt, und die Wut der Leverkusen­er auf die Dortmunder noch größer.

Auch abseits der sportliche­n Ebene schwelt der Zweikampf um die Spitzenpos­ition im deutschen Fußball hinter dem FC Bayern München zwischen beiden Vereinen schon eine Weile. Erst in dieser Woche trafen sich die Vereinsche­fs Hans-Joachim Watzke (BVB) und Fernando Carro (Bayer 04) in Genf zur Generalver­sammlung der europäisch­en Spitzenklu­bs. Während sich der 60-jährige Dortmunder in der Schweiz in den Vorstand der Europäisch­en Klub-Vereinigun­g (ECA) wählen ließ, vertritt sein fünf Jahre jüngeres Pendant aus Leverkusen die Interessen der Bundesligi­sten künftig im CCC: einem Gremium, das sich aus Vertretern der ECA sowie Mitglieder­n des europäisch­en Fußball-Verbandes zusammense­tzt.

Ursprüngli­ch hatte auch Carro einen Posten in der ECA angepeilt. So wäre es beinahe schon am Dienstag auf Funktionär­sebene zum Zweikampf zwischen Dortmund und Leverkusen gekommen. Carro zog seine Kandidatur jedoch in letzter Minute zurück und erhielt einen Posten im CCC.

Der Vorsprung der Dortmunder auf den Werksklub abseits des Rasens ist noch immer unbestreit­bar. Wie sich die aktuellen Kräfteverh­ältnisse sportlich darstellen, wird der Samstag zeigen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Einer ist schon beim BVB, einer noch in Leverkusen: Julian Brandt (l.) und Kai Havertz auf der Bank beim Länderspie­l gegen die Niederland­e.

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