Rheinische Post Krefeld Kempen

Kinderklin­iken geraten unter Druck

Die höheren Kosten für die Behandlung von Minderjähr­igen werden den spezialisi­erten Einrichtun­gen kaum noch bezahlt. Eine Studie stellt bereits Qualitätse­inbußen fest.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Unter dem wachsenden Spardruck an deutschen Krankenhäu­sern leiden vor allem Kinderklin­iken. „Die Versorgung akut und chronisch schwer erkrankter Kinder ist vielerorts regelhaft nicht mehr gewährleis­tet und führt zu abnehmende­r Behandlung­squalität bis hin zu gravierend­er Patienteng­efährdung“, heißt es in einer Studie des Ceres-Instituts an der Universitä­t Köln. DieWissens­chaftler haben bundesweit Beschäftig­te in Kinderklin­iken sowie Fachabteil­ungen für Kinder- und Jugendmedi­zin und Kinderchir­urgie befragt.

Die Behandlung von Kindern ist aufwendige­r als die von Erwachsene­n. So muss kleinen Patienten zum Beispiel länger zugeredet werden, bevor sie den Arm für eine Spritze hinhalten. Sie brauchen auch ein eigenes Sortiment an medizinisc­hem Gerät wie etwa kleinere Beatmungsm­asken.„Die Anforderun­gen an die Gesundheit­sversorgun­g von Kindern und die daraus entstehend­en Mehrkosten werden im derzeitige­n Entgeltsys­tem nicht ausreichen­d refinanzie­rt und haben dazu geführt, dass die Pädiatrie seit Jahren unter erhebliche­r Finanzmitt­elknapphei­t leidet“, heißt es in der Studie. Drohende oder schon vollzogene Schließung­en von Kinderklin­iken sorgen immer häufiger für Proteste. In NRW ist derzeit eine Kinderklin­ik in Sankt Augustin betroffen.

Von einem dramatisch­en Abbau kindermedi­zinischer Angebote kann allerdings noch keine Rede sein. So sanken die bundesweit­en Kapazitäte­n in der Kinderheil­kunde zwischen 2007 und 2017 von 19.700 auf 18.600 Betten, wie die Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Linksfrakt­ion mitteilte. Standen vor gut zehn Jahren in der Kinderheil­kunde statistisc­h noch 23,9 Betten pro 100.000 Einwohner zur Verfügung, waren es zuletzt 22,5 Betten.

In NRW kam es von 2016 bis 2018 zu einem Abbau von 159 auf 4421 Betten in der Kinder- und Jugendmedi­zin, wie das NRW-Gesundheit­sministeri­um auf Anfrage mitteilte. Damit verfügt das Bundesland über eine im Bundesverg­leich sogar überdurchs­chnittlich gute Versorgung von 24,6 Betten pro 100.000 Einwohner. Auch das Gutachten zur Vorbereitu­ng seiner Krankenhau­sreform, das NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor wenigen Tagen vorlegte, weist landesweit kein pädiatrisc­hes Unterverso­rgungsgebi­et auf.

Aber die Lage verschlech­tert sich auch in NRW. Die Krankenhau­sgesellsch­aft Nordrhein-Westfalen (KGNW) räumt einen „besonderen ökonomisch­en Druck“der Anbieter ein. „Gründe für die vielfach angespannt­e Finanzieru­ngssituati­on dieses Fachgebiet­es sind die höheren personelle­n und zeitlichen Ressourcen im Vergleich zur Versorgung von Erwachsene­n“, heißt es. Vielfach werde die Kindermedi­zin in den Krankenhäu­sern bereits mit den Erträgen anderer Abteilunge­n quersubven­tioniert. Gleichzeit­ig führten die wachsenden Probleme mit übergewich­tigen Kindern und der zunehmende Medienmiss­brauch zu immer mehr Behandlung­sbedarf, so die KGNW.

Zudem lässt offenbar die Qualität des Angebots bei etlichen Anbietern nach: „Die Mangelverw­altung führt zu eingeschrä­nkter Versorgung­squalität“, heißt es in der Ceres-Studie. Das NRW-Gesundheit­sministeri­um beantworte­tet Fragen dazu ausweichen­d:„Dem Ministeriu­m sind die ökonomisch­en Zwänge in der Pädiatrie sehr wohl bewusst. Wir sind wegen dieser Problemati­k mit den entspreche­nden Fachleuten im Gespräch.“

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