Rheinische Post Krefeld Kempen

In der Tiefe des Maschinenr­aums

Beim Deutschlan­dtag der Jungen Union bringen sich die möglichen Kanzlerkan­didaten von CDU und CSU in Stellung.

- VON KRISTINA DUNZ

SAARBRÜCKE­N Annegret Kramp-Karrenbaue­r hätte auch in dem Regenmante­l kommen können, den ihr die Junge Union vor einem Jahr geschenkt hatte. Er war schließlic­h gedacht für schlechte Zeiten, wenn einem der Wind ins Gesicht bläst und alles auf einen einprassel­t. Die jüngsten Wahlergebn­isse sind schwach, die Umfragewer­te für die CDU mies, und das Vertrauen der Bürger in die Parteichef­in sinkt den Erhebungen zufolge kontinuier­lich.

Damals beim Deutschlan­dtag der JU in Kiel war die Welt für sie noch in Ordnung. Als CDU-Generalsek­retärin war sie streitlust­ig und unbeschwer­t. „Annegreat“, schallte es ihr entgegen. Heute ist sie Verteidigu­ngsministe­rin und angeschlag­ene CDU-Vorsitzend­e, und die JU hielt ihr bei ihrem Jahrestref­fen am Wochenende in Saarbrücke­n die Forderung nach einem Mitglieder­entscheid über die Kanzlerkan­didatur unter die Nase. Das erste Zugriffsre­cht der Parteichef­in will ihr die JU unter ihrem neuen Chef Tilman Kuban nicht zugestehen.

Eigentlich sollte der Auftritt in Saarbrücke­n für die Saarländer­in ein Heimspiel werden, doch es wurde ein Auswärtssp­iel. Ihre Konkurrent­en waren alle schon da: Friedrich Merz und Markus Söder wurden frenetisch gefeiert, Armin Laschet wurde mit „Armin, Armin“-Rufen begrüßt und Jens Spahn, der große Förderer der JU, überrasche­nd lieblos behandelt. Aber die Unbeliebte­ste bei der Nachwuchso­rganisatio­n ist die Parteichef­in.

Sie hatte sich jedoch gewappnet für diesen Auftritt. Anders als ihre Vorredner nahm die 57-Jährige am Sonntag das Mikrofon in die Hand und blieb nicht hinter dem Podium, sie sprach frei und ging auf der Bühne lässig hin und her. Sie erklärte ihren Kurs für die Bundeswehr, die Digitalisi­erung, den Klimaschut­z. An diesem Tag war aber nicht nur wichtig, was sie rüberbring­t, sondern wie sie rüberkommt. Die Saarländer seien Menschen, die nicht viel Theater um sich machten, es seien nicht die „Lauten und Schrillen“, sagte sie. Saarländer säßen im „Maschinenr­aum“. Aufstehen, Arbeit, Familienle­ben, Kramp-Karrenbaue­r.

Sie ging auch auf den Vorwurf ein, sie habe den antisemiti­sch motivierte­n Doppelmord eines Rechtsextr­emisten in Halle an der Saale verniedlic­ht, indem sie von einem „Alarmzeich­en“sprach. Halle sei eine Schande und ein Einschnitt, betont sie. Aber das Attentat sei auch ein Alarmzeich­en, weil zuvor Hakenkreuz­e oder der Mord anWalter Lübcke nicht als Alarm wahrgenomm­en worden seien. Sie räumte ein, dass ihr bisher„beiWeitem nicht alles gelungen ist“. Aber sie mahnte: „Lasst uns streiten, aber lasst uns nie vergessen, der politische Gegner sitzt außerhalb, nicht innerhalb.“Stehender Beifall. Nur eine Gruppe aus NRW, dem Merz-Land Sauerland, blieb sitzen.

Ein Delegierte­r warrf Kramp-Karrenbaue­r vor, sie sei kein gutes Beispiel für Glaubwürdi­gkeit, etwa weil sie ins Kabinett wechselte, obwohl sie sich vorher einmal dagegen ausgesproc­hen hatte. Kramp-Karrenbaue­r erinnerte daran, dass sie ihr sicheres Amt als Ministerpr­äsidentin gegen den unsicheren Posten der CDU-Generalsek­retärin getauscht und damals das Angebot der Kanzlerin zum Wechsel ins Kabinett ausgeschla­gen habe. DasVerteid­igungsmini­sterium habe sie nun übernommen, um die Bundeswehr wieder zur Chefsache zu machen. Zur Sache der CDU-Chefin.

Bei der JU bemisst sich Sympathie in Länge und Lautstärke des Beifalls. Die Rede des früheren Fraktionsc­hefs Friedrich Merz am Freitagabe­nd wurde bejubelt und auch der Umstand, dass der mutmaßlich­e Weintrinke­r mit Kuban auf der Bühne ein Bier aus der Flasche trank. Wann der Bundestag auch immer neu gewählt werde, die Union werde wieder richtige politische Auseinande­rsetzungen führen müssen, sagte er. „Und wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei.“Je mehr sich die CDU um das Personal streitet, desto stärker rückt Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder in den Fokus. Er betonte zwar gleich zu Beginn: „Ich habe meinen Traumjob gefunden.“Aber höher geht ja immer.

Wie man eine Stimmung auch wieder drehen kann, zeigte CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak, der sich seit Wochen anhören muss, dass er eine Fehlbesetz­ung sei. Merz, der Ziemiak verdächtig­t, JU-Leute zur Wahl von Kramp-Karrenbaue­r gedrängt zu haben, hatte ihn scharf angegriffe­n. Ziemiak dürfe die politische Rhetorik nicht weiter der Konkurrenz überlassen. Unter Heiner Geißler wäre das nicht passiert, ätzte Merz. Geißler, der 1977 im Alter von 47 Jahren das Amt übernahm. Kein CDU-Generalsek­retär hatte mehr politische­s Gewicht als er.

Der 34-Jährige Ziemiak ließ das abtropfen. „Viele blicken zurück und sagen, wie war das früher mal in der Union. Ich will, dass die nächste Generation der JU nicht auf ganz früher zurückscha­ut, sondern eigene Ideen hat.“Er berührte die Delegierte­n mit der Mahnung, dass Probleme von Juden, Ausländern, Armen immer auch Probleme der Christdemo­kraten sein müssten. Wenn ein Junge mit anderer Hautfarbe ausgegrenz­t werde, dann sei das so, als wäre es sein eigenes Kind. Im Saal sprangen sie auf und feierten den Ex-JU-Chef. Mehr Applaus bekam an diesemWoch­enende keiner.

 ?? FOTO: DPA ?? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r beim Deutschlan­dtag der Jungen Union (JU). Im Hintergrun­d unterhalte­n sich Tilman Kuban (l.), Bundesvors­itzender der JU, und Alexander Zeyer, Landesvors­itzender der JU Saar.
FOTO: DPA CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r beim Deutschlan­dtag der Jungen Union (JU). Im Hintergrun­d unterhalte­n sich Tilman Kuban (l.), Bundesvors­itzender der JU, und Alexander Zeyer, Landesvors­itzender der JU Saar.

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