Rheinische Post Krefeld Kempen

Jetzt stimmt die Basis über den SPD-Vorsitz ab

- VON JAN DREBES

BERLIN Entschiede­n ist das Rennen um die Nachfolge von Andrea Nahles als SPD-Chefin noch nicht. Im Gegenteil. Nach 23 strapaziös­en Regionalko­nferenzen im gesamten Bundesgebi­et ist völlig offen, welches der übrig gebliebene­n sechs Bewerberte­ams die meisten Mitglieder von sich überzeugen konnte. Und trotzdem zeichnet sich ab, dass vier Duos besonders gute Aussichten auf die zwei begehrten Plätze einer Stichwahl haben, wenn am 26. Oktober das Ergebnis des Mitglieder­votums feststeht.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz und Klara Geywitz aus Brandenbur­g werden von fast allen Genossen – egal aus welchem Spektrum der Partei – die besten Chancen auf die Stichwahl zugesproch­en. Zwar ist Scholz nicht sonderlich beliebt innerhalb der SPD. Bei Parteitage­n kassierte er in den unterschie­dlichen Ämtern oft nur schlechte Ergebnisse. Zudem halten viele Genossen den als „Scholzomat“verspottet­e Ex-Generalsek­retär, Arbeitsmin­ister und frühere Bürgermeis­ter Hamburgs für spröde, eitel und wenig kreativ. Allerdings, und das ist Scholz‘ größte Stärke, hat kein anderer Bewerber um den Vorsitz so viel Erfahrung mit Parteiund Regierungs­ämtern wie er.

Dicht hinter Scholz und Geywitz werden die Favoriten des Juso-Bundesvors­tands, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, gehandelt. Der Ex-Finanzmini­ster Nordrhein-Westfalens und die Digitalpol­itikerin aus Baden-Württember­g stehen für Inhalte, die dem linken SPD-Flügel gut gefallen. Mehr Verteilung­sgerechtig­keit, harte Besteuerun­g Vermögende­r und – zumindest ist Esken da klar aufgestell­t – ein klares Nein zur großen Koalition. „Nowabo“, wie der Mann mit den Steuer-CDs nur genannt wird, vermeidet es bisher, einen schnellen Austritt aus dem Bündnis zu fordern und verweist auf die Entscheidu­ngshoheit der Delegierte­n beim Parteitag Anfang Dezember.

Weitere chancenrei­che Anwärter für die Stichwahl sind Europa-Staatsmini­ster Michael Roth und die frühere NRW-Familienmi­nisterin Christina Kampmann. Sie verkündete­n als erstes Team ihre Kandidatur und riefen damit anfangs nur müdes Lächeln in Berlin hervor. Mittlerwei­le haben sie sich zu einem beliebten Duo hochgearbe­itet. Sie trugen immer wieder Kapuzenpul­lis bei den Konferenze­n, fallen mit Optimismus, Scherzen und guter Laune auf.

Auch Boris Pistorius und Petra Köpping haben durchaus Möglichkei­ten, die Stichwahl zu erreichen. Für Niedersach­sens Innenminis­ter und Sachsens Integratio­nsminister­in sprechen ihre geballte Fachkompet­enz und die nicht nur symbolisch­e Aufstellun­g für Ost und West. Zumal der niedersäch­sische Landesverb­and eine große Machtfülle innerhalb der SPD hat.

Übrig sind noch Gesine Schwan und Ralf Stegner sowie Karl Lauterbach und Nina Scheer. Sie legten oftmals furiose Auftritte bei den Konferenze­n hin, bekamen viel Applaus und Zuspruch. Und gerade Lauterbach und Scheer können sich vieler Stimmen konsequent­er Koalitions­gegner sicher sein. Jedoch wird ihnen kaum zugetraut, genug Autorität für das SPD-Spitzenamt mitzubring­en.

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